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Viel Ehrlichkeit zu Beginn

Sommerschule. Beim bloßen Gedanken an dieses Wort erschaudern die meisten erfahrenen und angehenden Lehrer:innen. Zwei Wochen der Sommerferien, die man für Kinder opfern soll, die sich wünschen würden, so weit wie möglich von der Schule entfernt zu sein. Weshalb sollte überhaupt jemand in Erwägung ziehen an diesem noch nicht ganz ausgereiftem Bildungsprojekt teilzunehmen?  Nun ja, in meinem Fall lautet die Antwort ECTS und die neu eingeführte Bezahlung, aber auch der Drang sich beweisen zu wollen. 

Überrascht, dass es mir nicht in erster Linie um die Schüler:innen gegangen ist?  Ich denke es wäre unehrlich und naiv zugleich zu behaupten, dass sich Student*innen bloß aus reiner Herzensgüte am Projekt beteiligen. Natürlich sind uns die Kinder wichtig und wir möchten ihnen helfen, aber dieses Gefühl gewinnt erst richtig an Stärke, wenn wir eine Beziehung zu unserer Klasse aufgebaut haben. In der Sommerschule arbeitet man mit Lernenden, denen man wahrscheinlich zum ersten Mal begegnet, was das dringende Bedürfnis zu helfen und sich zu kümmern in den meisten Fällen als Beweggrund in den Hintergrund rücken lässt. 

Bis jetzt hört sich das alles nicht besonders positiv an. Dennoch kann ich behaupten, dass ich diese zwei Wochen um nichts in der Welt eintauschen würde, da die Erfahrungen, die ich gemacht habe und die Entwicklung meiner Schüler:innen, aber auch meine eigene, unbezahlbar für meine Karriere als Lehrerin sind.

Wie würde ich nun rückblickend meine Tage als Sommerschullehrerin beschreiben? Chaotisch, unerwartet, physisch und psychisch herausfordernd, aber auch wunderschön, prägend und unvergleichlich befriedigend. 

Man kann sagen, ich habe Glück im Unglück gehabt, da ich statt einer ursprünglich geplanten Deutsch Regelklasse, eine Deutsch Förderklasse mit den verschiedensten Kindern aus aller Welt betreut habe. Nicht jeder bekommt die Gelegenheit mit so vielen Kulturen in Kontakt zu treten. So wie meine Schüler:innen von mir Deutsch gelernt haben, habe ich ihre Gepflogenheiten kennen lernen dürfen und sogar einen Einblick in ihre Sprache bekommen. 

Die ersten paar Tage würde ich als Eingewöhnungsphase bezeichnen, da in dieser Zeit beide Parteien versucht haben sich aufeinander einzustellen. Langsam aber sicher habe ich ein Gefühl für die Bedürfnisse meiner Schüler:innen bekommen und habe auch gesehen, um was für Persönlichkeiten es sich handelt. Die meisten von ihnen sind herzlich, wissbegierig und überaus intelligent gewesen, aber auch verloren und voller Selbstzweifel. Aus diesem Grund habe ich es mir zur Aufgabe gemacht nicht nur an ihrem Deutsch zu arbeiten, sondern viel mehr an ihrem Selbstvertrauen. Denn Lob und Anerkennung sind diesen Kindern anscheinend fremd gewesen. Viele von ihnen haben gar nicht gewusst, wie sie auf ein nettes Wort oder eine freundliche Geste reagieren sollen. 

Chaotisch, unerwartet, aber auch wunderschön und prägend

In der zweiten Hälfte der Woche hat man gemerkt, wie die Kinder aufgeblüht sind und die ursprünglichen Cliquen, neuen Freundeskreisen gewichen sind. Eine große Mädchengruppe hat sich gebildet, in der sich alle gut verstanden haben. Das Erfreulichste ist daran gewesen, dass sie gezwungenermaßen auch in ihrer Freizeit und den Pausen Deutsch gesprochen haben, da dies die einzige gemeinsame Sprache gewesen ist. Dies hat selbstverständlich einen enorm positiven Effekt auf die Sprachentwicklung gehabt. Ich habe beobachten dürfen, wie sich Äußerungen aus wenigen Worten, in richtige, teilweise sogar komplexere Sätze verwandelt haben.

Die Jungs haben sich zu einer weniger homogenen Gruppe zusammengeschlossen. Sie hatten von Anfang an ein größeres Problem mit der Sprachbarriere. Gänzlich unerwartet ist jedoch die Rivalität gewesen, die bei Spielen zwischen den Mädchen und den Jungs entstanden ist. Teilweise hat diese auch in gehässigen Kommentaren resultiert, die ich schnellstmöglich unterbunden habe. Das zeigt wiederum auch, dass Lehrer*innen nicht nur für die fachliche Wissensvermittlung zuständig sind, sondern eine bedeutende Rolle in der Erziehung spielen. Oftmals vergisst man das, da der Fokus im Studium auf dem fachlichen Wissen liegt. Wir sind wichtige Bezugspersonen für unsere Schüler:innen; unser Aufgabenbereich umfasst so viel mehr als nur das Unterrichten.

In der zweiten Woche sind wir bereits eine zusammengeschweißte Klasse gewesen und haben effektiv arbeiten können. Die Lernenden haben fleißig mitgemachten, sind engagiert gewesen und haben manchmal sogar ein wenig Spaß am Unterricht gehabt. Ich habe auch Einblicke in ihr Privatleben erhalten dürfen, was mir klar gezeigt hat, wie sehr sie mir nach dieser kurzen Zeit bereits vertrauten. Ich sage nicht, dass es keine negativen Zwischenfälle gabt, immerhin handelt es ich um Schüler:innen, die gerne die Grenzen austesten, aber es ist immer eine schnelle, friedliche Lösung gefunden worden. 

Die Tage sind schnell verstrichen und der Abschied ist uns allen schwergefallen. Die Zeit als bloße Studentin ohne jeden Tag früh aufstehen zu müssen und unterrichten zu dürfen sind mir fast unwirklich erschienen. Ein Teil von mir hat sich über die zurückgewonnenen Freiheiten gefreut, der andere Teil hat jetzt schon die Kinder vermisst und sich gefragt, was sie wohl nach der Sommerschule erwartet und ob sie zurechtkommen werden. Schon nach einem derart kurzen Zeitintervall hat sich ein Band zwischen mir und meiner Klasse entwickelt, das eindeutig unter Beweis stellt, dass dieser Beruf der einzig richtige für mich ist und dass ich mich trotz all der Hürden definitiv richtig entschieden habe. 

Ich gebe zu, die zwei Wochen sind anstrengend gewesen, sehr anstrengend sogar, aber ich empfehle jeder zukünftigen Lehrerin und jedem angehenden Lehrer an der Sommerschule teilzunehmen. Es gibt nämlich nichts Erfüllenderes als diesen Kindern bei der Entwicklung und beim persönlichen Wachstum zu helfen und zuzusehen. Egal was einen dazu veranlasst bei diesem Projekt mitzuwirken, bereits nach wenigen gemeinsamen Unterrichtsstunden sind es garantiert die richtigen Gründe. 

Allen Schüler:innen, die selbst noch unentschlossen sind, was sie später werden wollen und/oder unsicher sind, ob sie zur Lehrerin/zum Lehrer geeignet sind, kann ich nur sagen, traut euch! Es gibt nichts Schöneres.

Die Autorin ist Lehramtsstudentin und hat an einer Wiener Mittelschule im 20. Bezirk an der Sommerschule unterrichtet.