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Viel Ehrlichkeit zu Beginn

Sommerschule. Beim bloßen Gedanken an dieses Wort erschaudern die meisten erfahrenen und angehenden Lehrer:innen. Zwei Wochen der Sommerferien, die man für Kinder opfern soll, die sich wünschen würden, so weit wie möglich von der Schule entfernt zu sein. Weshalb sollte überhaupt jemand in Erwägung ziehen an diesem noch nicht ganz ausgereiftem Bildungsprojekt teilzunehmen?  Nun ja, in meinem Fall lautet die Antwort ECTS und die neu eingeführte Bezahlung, aber auch der Drang sich beweisen zu wollen. 

Überrascht, dass es mir nicht in erster Linie um die Schüler:innen gegangen ist?  Ich denke es wäre unehrlich und naiv zugleich zu behaupten, dass sich Student*innen bloß aus reiner Herzensgüte am Projekt beteiligen. Natürlich sind uns die Kinder wichtig und wir möchten ihnen helfen, aber dieses Gefühl gewinnt erst richtig an Stärke, wenn wir eine Beziehung zu unserer Klasse aufgebaut haben. In der Sommerschule arbeitet man mit Lernenden, denen man wahrscheinlich zum ersten Mal begegnet, was das dringende Bedürfnis zu helfen und sich zu kümmern in den meisten Fällen als Beweggrund in den Hintergrund rücken lässt. 

Bis jetzt hört sich das alles nicht besonders positiv an. Dennoch kann ich behaupten, dass ich diese zwei Wochen um nichts in der Welt eintauschen würde, da die Erfahrungen, die ich gemacht habe und die Entwicklung meiner Schüler:innen, aber auch meine eigene, unbezahlbar für meine Karriere als Lehrerin sind.

Wie würde ich nun rückblickend meine Tage als Sommerschullehrerin beschreiben? Chaotisch, unerwartet, physisch und psychisch herausfordernd, aber auch wunderschön, prägend und unvergleichlich befriedigend. 

Man kann sagen, ich habe Glück im Unglück gehabt, da ich statt einer ursprünglich geplanten Deutsch Regelklasse, eine Deutsch Förderklasse mit den verschiedensten Kindern aus aller Welt betreut habe. Nicht jeder bekommt die Gelegenheit mit so vielen Kulturen in Kontakt zu treten. So wie meine Schüler:innen von mir Deutsch gelernt haben, habe ich ihre Gepflogenheiten kennen lernen dürfen und sogar einen Einblick in ihre Sprache bekommen. 

Die ersten paar Tage würde ich als Eingewöhnungsphase bezeichnen, da in dieser Zeit beide Parteien versucht haben sich aufeinander einzustellen. Langsam aber sicher habe ich ein Gefühl für die Bedürfnisse meiner Schüler:innen bekommen und habe auch gesehen, um was für Persönlichkeiten es sich handelt. Die meisten von ihnen sind herzlich, wissbegierig und überaus intelligent gewesen, aber auch verloren und voller Selbstzweifel. Aus diesem Grund habe ich es mir zur Aufgabe gemacht nicht nur an ihrem Deutsch zu arbeiten, sondern viel mehr an ihrem Selbstvertrauen. Denn Lob und Anerkennung sind diesen Kindern anscheinend fremd gewesen. Viele von ihnen haben gar nicht gewusst, wie sie auf ein nettes Wort oder eine freundliche Geste reagieren sollen. 

Chaotisch, unerwartet, aber auch wunderschön und prägend

In der zweiten Hälfte der Woche hat man gemerkt, wie die Kinder aufgeblüht sind und die ursprünglichen Cliquen, neuen Freundeskreisen gewichen sind. Eine große Mädchengruppe hat sich gebildet, in der sich alle gut verstanden haben. Das Erfreulichste ist daran gewesen, dass sie gezwungenermaßen auch in ihrer Freizeit und den Pausen Deutsch gesprochen haben, da dies die einzige gemeinsame Sprache gewesen ist. Dies hat selbstverständlich einen enorm positiven Effekt auf die Sprachentwicklung gehabt. Ich habe beobachten dürfen, wie sich Äußerungen aus wenigen Worten, in richtige, teilweise sogar komplexere Sätze verwandelt haben.

Die Jungs haben sich zu einer weniger homogenen Gruppe zusammengeschlossen. Sie hatten von Anfang an ein größeres Problem mit der Sprachbarriere. Gänzlich unerwartet ist jedoch die Rivalität gewesen, die bei Spielen zwischen den Mädchen und den Jungs entstanden ist. Teilweise hat diese auch in gehässigen Kommentaren resultiert, die ich schnellstmöglich unterbunden habe. Das zeigt wiederum auch, dass Lehrer*innen nicht nur für die fachliche Wissensvermittlung zuständig sind, sondern eine bedeutende Rolle in der Erziehung spielen. Oftmals vergisst man das, da der Fokus im Studium auf dem fachlichen Wissen liegt. Wir sind wichtige Bezugspersonen für unsere Schüler:innen; unser Aufgabenbereich umfasst so viel mehr als nur das Unterrichten.

In der zweiten Woche sind wir bereits eine zusammengeschweißte Klasse gewesen und haben effektiv arbeiten können. Die Lernenden haben fleißig mitgemachten, sind engagiert gewesen und haben manchmal sogar ein wenig Spaß am Unterricht gehabt. Ich habe auch Einblicke in ihr Privatleben erhalten dürfen, was mir klar gezeigt hat, wie sehr sie mir nach dieser kurzen Zeit bereits vertrauten. Ich sage nicht, dass es keine negativen Zwischenfälle gabt, immerhin handelt es ich um Schüler:innen, die gerne die Grenzen austesten, aber es ist immer eine schnelle, friedliche Lösung gefunden worden. 

Die Tage sind schnell verstrichen und der Abschied ist uns allen schwergefallen. Die Zeit als bloße Studentin ohne jeden Tag früh aufstehen zu müssen und unterrichten zu dürfen sind mir fast unwirklich erschienen. Ein Teil von mir hat sich über die zurückgewonnenen Freiheiten gefreut, der andere Teil hat jetzt schon die Kinder vermisst und sich gefragt, was sie wohl nach der Sommerschule erwartet und ob sie zurechtkommen werden. Schon nach einem derart kurzen Zeitintervall hat sich ein Band zwischen mir und meiner Klasse entwickelt, das eindeutig unter Beweis stellt, dass dieser Beruf der einzig richtige für mich ist und dass ich mich trotz all der Hürden definitiv richtig entschieden habe. 

Ich gebe zu, die zwei Wochen sind anstrengend gewesen, sehr anstrengend sogar, aber ich empfehle jeder zukünftigen Lehrerin und jedem angehenden Lehrer an der Sommerschule teilzunehmen. Es gibt nämlich nichts Erfüllenderes als diesen Kindern bei der Entwicklung und beim persönlichen Wachstum zu helfen und zuzusehen. Egal was einen dazu veranlasst bei diesem Projekt mitzuwirken, bereits nach wenigen gemeinsamen Unterrichtsstunden sind es garantiert die richtigen Gründe. 

Allen Schüler:innen, die selbst noch unentschlossen sind, was sie später werden wollen und/oder unsicher sind, ob sie zur Lehrerin/zum Lehrer geeignet sind, kann ich nur sagen, traut euch! Es gibt nichts Schöneres.

Die Autorin ist Lehramtsstudentin und hat an einer Wiener Mittelschule im 20. Bezirk an der Sommerschule unterrichtet.

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Die Sommerferien sind vorbei, der Schulalltag hat uns alle wieder. Jetzt ist es an der Zeit über die Sommerschule zu berichten, die in diesem Sommer zum zweiten Mal stattgefunden hat. Zu Wort kommen eine Mutter, ein Lehrer und Mittelschul-Schüler*innen, die die Sommerschule besucht haben.

Medine, Sarah, Enes, Osman, Marco, Hadja, Liviana und Elisabeth*

Warum wart ihr in der Sommerschule?

„Meine Eltern haben mich gezwungen. Ferien sind besser.“

„Meine Eltern haben gesagt, wenn du willst, geh. Ich bin gegangen, weil ich meine Noten verbessern will.“

„Ich muss lernen!“

„Ich kann nicht gut Deutsch.“

Was habt ihr gelernt?

„Der Lehrer hat gefragt, wo ich Schwierigkeiten habe. Ich habe Deutsch gemacht, Mathe ist eh einfach. Ich habe Märchen und Geschichten geschrieben.“

„Wir haben Englisch und ein bisserl Mathe gemacht.“

„7 bis 11 Uhr lernen und dann eine Stunde Turnsaal.“

„Ich hatte die Artikel vergessen, also der die das, jetzt weiß ich es wieder.“

„Wir haben gelernt und manchmal gespielt.“

„Wir haben in Deutsch gut gelernt.“

Was gibt es sonst noch zur Sommerschule zu sagen?

„Sommerschule war eh chillig, besser als zu Hause sitzen oder nur im Park sein.“

„Eine Woche ist genug, nur Deutsch und Mathe.“

„Beim Seilziehen haben die Mädchen gewonnen, sie waren mehr.“

„Nächstes Jahr würde ich gehen, wenn es nur eine Woche ist.“

„Am Donnerstag haben wir was gebacken, das haben wir dann gegessen. Am letzten Tag waren wir im Prater.“

„Am ersten und zweiten Tag waren wir alle schüchtern. Am dritten Tag sind wir wieder normal gewesen. “

„Es waren alle urverrückt, die waren wie unsere Klasse.“

„Manche haben geschlafen die letzten zwei Wochen. Und wir sind so um sechs oder sieben Uhr aufgestanden. Wir haben Glück, dass wir früher begonnen haben, vor dem Schulbeginn.“

Frau Berger

Frau Berger ist Mutter von drei Kindern, ihre beiden Töchter wollten oder sollten die Sommerschule besuchen.

„Zwei meiner drei Kinder wurden oder waren in der Sommerschule angemeldet, wie immer man das nennen möchte. Bei der Älteren ist es gleich schiefgegangen, entweder hat sie die Anmeldung nicht direkt abgegeben oder sie ging tatsächlich „verloren“. Ich hatte als Mama jetzt nicht direkt eine Handhabe/Kontrolle darüber. Dafür ist sie jetzt für einen Haufen Geld in einem renommierten Nachhilfeinstitut, sie hat zwei Nachprüfungen. Bei der Jüngeren kam die Teilnahmebestätigung nach laaaaaaanger, absoluter informationsloser Funkstille am 16. Juli daher. Und nun hatten wir das Pech, dass sie in der dritten August-Woche unerwartet ins Krankenhaus musste. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, meine Tochter fünf Tage nach dem Krankenhausaufenthalt gleich wieder in die Schule zu schicken. Ich habe sie krank gemeldet. Jetzt kann sie gar nicht mehr hingehen, weil das Konzept offenbar auf „alles oder nichts“ ausgerichtet ist. Es müssen alle zwei Wochen besucht werden, weil es angeblich ein projektbezogener Unterricht sei. Prinzipiell verstehe ich das schon, aber für meine Tochter ist diese Situation mehr als doof. Ich wollte, dass sie, ob ihrer Zensuren, zumindest eine Art Update in der Sommerschule bekommt. Die Alternative ist, dass sie, so wie ihre Schwester auch die Dienste des Nachhilfeinstituts, wieder für einen Haufen Geld, im Gegenstand Mathematik in Anspruch nehmen muss.

Mein Fazit ist, organisatorisch ist es mit der Sommerschule eher mühsam und undurchsichtig. Fast habe ich den Eindruck, man möchte Menschen dafür strafen, dass sie ein Gratis-Angebot in Anspruch nehmen wollen. Online gibt es kaum Informationen. Auf meine schriftliche Anfrage, wie denn die Vorbereitung auf eine Nachprüfung erfolgen würde, kam eine unbrauchbare Antwort zurück. Als schwierig hat sich die Korrespondenz im Allgemeinen herausgestellt. Bei sämtlichen Mails musste ich zuerst einmal unendlich lang scrollen, bis ich zur eigentlichen Antwort gelangt bin. Es gäbe sicher die Möglichkeit, das Ganze auch über eine Online-Plattform übersichtlich und damit benutzerfreundlicher zu gestalten. Schließlich sollte doch die Ambition sein alle Familien, unabhängig vom Bildungshintergrund, zu erreichen. Was uns bleibt, ist das Nachhilfeinstitut, das uns das Gefühl vermittelt, man würde sich um unsere Anliegen kümmern. Warum das die öffentliche Hand nicht schafft, frage ich mich schon. Vielleicht soll Eltern vermittelt werden, dass sie selbst an schulischen Problemen ihrer Kinder schuld seien. Für uns war es das dann mit Sommerschule, fürchte ich.“

Benjamin ist BHS-Lehrer in Wien

Sommerschule. Eine interessante Erscheinung der Coronapolitik. Angedacht, um Schüler*innen eine zusätzliche Lernmöglichkeit angesichts des Corona Lockdowns im Frühjahr zu bieten. Letztes Jahr wurde sie an unserer Schule (HAK) von Studierenden durchgeführt. Dafür bekamen sie ECTS Punkte. Sie konnten es als EC (Wahlfach) anrechnen lassen. Ich glaube, es war grundsätzlich ein smarter move vonseiten des Bundesministeriums. Günstigere Arbeitskräfte gibt es wohl kaum.

Heuer wurde sie von schuleigenen Lehrer*innen organisiert und gehalten, entgeltlich. Die Bereitschaft im Kollegium hielt sich in überschaubaren Grenzen. Einige wenige meldeten sich nach persönlicher Anfrage. Für die 1. und 2. Jahrgänge der HAS und der HAK wurden Kurse gestaltet. Deutsch, betriebswirtschaftliche Fächer und Mathe bildeten die Schwerpunkte. Schüler*innen erhielten je nach Jahreszeugnisnote und persönlichem Anraten der entsprechenden Fachlehrer*innen eine Einladung. Freiwilligkeit war das Stichwort. Mit Druck wurde sie erreicht. Einige nahmen es dankend an, andere sträubten sich stärker. Unmut gab es vonseiten der Schüler*innen vor allem hinsichtlich des Aufbaus. So mussten Schüler*innen die ganze Woche mehrere Fächer besuchen, obwohl sie nur in Rechnungswesen verstärkten Lernbedarf bzw. eine Einladung bekommen hatten.

Die Durchführung selbst verlief aus meiner Sicht gut. Das Angebot wurde von jenen, die kamen – und das waren doch 2/3 – wohlwollend und gut gelaunt angenommen. Auch meine Kolleg*innen berichteten von einem positiven Lernklima und einer sichtbaren Lernbereitschaft. Ob jedoch eine Woche mit je 4 Stunden Übungszeit entsprechende Wissenslücken schließen, stelle ich stark in Zweifel. Vielmehr ist es, wie so oft in der Bildungspolitik, ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Symptombekämpfung statt einer Systemänderung.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

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Vorbereitung auf die Sommerschule

Mitte Juli

Ich telefoniere mit dem Organisator der Sommerschule. Es sind nicht genügend Student*innen da, die in Zweiergruppen durchgehend die Kids unterrichten können. Wir Lehrkräfte werden also selbst auch unterrichten müssen, statt die Studierenden nur zu begleiten und ihnen Feedback zu geben.

Montag, 17.8.2020

Es gibt ein Vorbereitungstreffen mit dem Großteil der Studis (3 von 5) und dem Organisator der Sommerschule. Wir machen erste Planungen (Leserolle, Stempelpass) und besichtigen die Klassen und das Schulgebäude. Zur Kommunikation wird eine WhatsApp-Gruppe angelegt. 

Die Studis scheinen sehr motiviert, ihre Vorstellungen aber eher unrealistisch. Sie gehen davon aus, dass die Kids ein durchgehend gutes Deutschniveau haben. Wir bereiten sie auf große innere Differenz vor.

Unsere gemeinsamen Ziele lauten: ein positives Lernklima schaffen, die Kinder nicht stressen, uns nicht stressen, den Kids durch die Sommerschule vor allem positive Erfahrungen ermöglichen.

Donnerstag, 20.8.2020

Absprache mit den zwei Kolleg*innen, die in “meiner” Gruppe sind, über Zoom. Wir planen den ersten Tag (Organisatorisches, Kennenlern-Spiele).

Freitag, 21.8.2020

Der Organisator der Sommerschule meldet sich telefonisch bei mir und meint, es sei wieder alles anders, weil kein (zu wenig) Geld da sei. Eventuell müsse der Stundenplan umgestellt werden. Kurze Zeit später: Entwarnung, der Stundenplan bleibt.

Ich sitze in der Schule, Netzwerk, Internet und Drucker gehen zeitweise nicht, weil das WLAN verlegt wird (yay!).

Die Sommerschule beginnt, das sind die Rahmenbedingungen: 

Am 24.8.2020 begann die Sommerschule, die jenen Kindern zum Aufwärmen für den Unterricht dienen soll, die während des Distance Learnings den Anschluss verloren hatten. 

Der Auftrag lautet: Den Kindern eine positive Lernerfahrung ermöglichen.

Die Rahmenbedingungen: Weniger Lehramtsstudierende als erhofft, dafür mehr Kinder als erwartet, Lehrkräfte, die sich freiwillig melden, um zu unterrichten und ein großes Fragezeichen, was uns alle erwartet. Das ist das “Experiment” Sommerschule, über das hier aus der Sicht einer Lehrkraft berichtet wird.  

Montag, 24.8.2020

Der Tagesbeginn ist etwas chaotisch, Kinder warten in Gruppen mit Abstand vor dem Schulgebäude und werden einzeln eingelassen.
Um 8:30 Uhr sind endlich alle in der Klasse, schneller als angenommen. 55 von 75 Kindern sind da. Einige sind weggezogen, andere entschuldigt, andere kommen gar nicht. 

Schnell stellt sich heraus, dass es große Unterschiede zwischen den Gruppen gibt: Die Gruppe mit den Kids der 8. Schulstufe ist schwer zu motivieren, arbeitet nach Auskunft der Lehrerin (Studi) kaum mit. Im Gegensatz dazu sind zwei Lehramtsstudierende von der jüngsten Gruppe völlig überrascht, weil sie so wissbegierig und lerneifrig sind. Trotz der Verzögerung in der ersten Stunde konnten sie das Programm für vier Stunden in weniger als drei durchziehen. Es steht den KollegInnen der Schweiß auf der Stirn, als sie es mit leuchtenden Augen erzählen. 

Besonders stechen zwei Mädchen – Zwillinge – heraus, deren Mutter dachte, es sei bereits der Beginn des Regelunterrichts.  Sie wollte ihre Töchter vor allem in Mathematik gefördert sehen. Die Reaktion der Zwillinge: “Wir wollten zwar Mathe lernen, aber Deutsch ist auch super!”

Einige der Kids können sich sehr gut im Unterricht einbringen, sind wortgewandt und gewitzt. Andere tun sich noch sehr schwer, sich auszudrücken. Klar ist: Es wird eine Herausforderung, so zu differenzieren, dass alle etwas davon haben.

Die Studis schlagen sich am ersten Tag wacker, jene mit Erfahrung fühlen sich schon ganz wohl. Andere sind noch unsicher. Wir Lehrkräfte sind vorsichtig im Gespräch mit den Studis, um nicht arrogant und aufdringlich zu wirken, aber dennoch hilfsbereit zu sein. Ich versuche, den Studis, die zum Teil noch keine Erfahrung im Unterrichten haben, möglichst viel Raum zu lassen. Am ersten Tag überprüfen wir die Anwesenheit, machen Kennenlernspiele mit Kärtchen und Speed Dating, dann lassen wir sie auf einem Emoji-Spektrum bewerten, wie gern sie gewisse Dinge (Pizza, Schwimmen, TikTok, Capital Bra etc) haben, indem sie auf der Laufbahn zum richtigen Emoji laufen. Ich lasse die Kinder erzählen, damit sie merken, dass es hier um sie geht.

Danach werden Regeln gemeinsam erarbeitet, besprochen, aufgeklebt, eigene Wünsche noch platziert und das Regelplakat unterschrieben. Der Tag endet mit einer aufgeweckten Runde Tabu.

Nach Unterrichtsende am ersten Tag folgt dann die erste Nachbesprechung, in der das Kollegium die Erlebnisse reflektiert und einheitliche Regeln und Vorgangsweisen ausmacht.

Dienstag, 25.8.2020

Ein paar Schüler*innen, die am vorigen Tag noch nicht da waren, kommen neu dazu. Die Anrufe des Organisators haben Wirkung gezeigt. Eine Klasse ist voll, hat sogar eine zusätzliche Schülerin. Ich habe Begrüßungsdienst, sorge also vor Unterrichtsbeginn dafür, dass vor dem Schulgebäude der Abstand eingehalten wird und sich die Kinder gleich nach dem Schultor (dessen Griffe viel zu hoch für die Kinder und daher ungeeignet sind – aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden) die Hände desinfizieren. Ich frage sie, ob sie traurig sind, dass die Schule wieder beginnt. Nein, sagen sie. Zuhause sei es stinklangweilig.

Der Tag verläuft aufregend, vor allem die arbeitswütige Klasse stellt sich für die Student*innen als sehr herausfordernd dar. Sie haben zum Teil Mühe, die Kids im Zaum zu halten. Der Lärmpegel ist hoch, die Erschöpfung am Ende des Tages groß.

Mittwoch, 26.8.2020

Eine weitere Schüler*in trifft neu ein. Mehrere Kinder melden, dass sie gerne in die Sommerschule gehen. Eine Kollegin erhält bei den anonymen Rückmeldungen durchgehend positives Feedback von den Kindern. 

Der Lehramts-Kollege, der gestern aus Erschöpfung und Überforderung schon seinen Berufswunsch hinterfragt hatte, ist heute wieder hellauf begeistert und vermeldet, dass ein notorisch schwieriger Bursche mit ADHS verkündet hat: Zum ersten Mal in seinem Leben freue er sich auf die Schule. Bei einigen Lehramts-Studis ist bewundernswerte Zusammenarbeit erkennbar. Andere scheinen eher Einzelkämpfer*innen zu sein.

Eine Kollegin bemerkt kritisch, dass wir als teils einzige Lehrkraft im Unterricht in Gruppen von zwölf bis 15 Kinder nicht genügend auf die diversen Bedürfnisse der Kinder eingehen können. Wir setzen, um die Kinder zu motivieren und aufzubauen, auf das Thema Held*innen und Vorbilder. Als Endprodukt sollen sie eine “Leserolle” in einer verzierten Pringles-Dose haben, in der alle gemachten Arbeitsblätter enthalten sind. Zusätzlich arbeiten wir an einem Stempelpass, der Fortschritte auch in den Sozialkompetenzen dokumentieren soll. 

Donnerstag, 27.8.2020

Wie im normalen Schulalltag verfliegt auch hier die Zeit. “Was, schon wieder Donnerstag vorbei?” Am Beginn des Schultages kommt eine Mutter vorbei und bittet, mehr auf die Bedürfnisse ihres Sohns zu achten, der wegen Legasthenie vor allem bei der Groß- und Kleinschreibung Schwierigkeiten habe. Es sei ihr bewusst, dass das Niveau sehr unterschiedlich sei, weil viele Kinder mit geringen Deutschkenntnissen in der Klasse seien. Sie bittet dennoch, nicht auf jene Kinder zu vergessen, die andere Startvoraussetzungen haben. Wir sagen selbstverständlich zu, ihren Sohn gezielter zu fördern und überlegen uns zusätzliche Aufgaben für ihn. Diese weitere Differenzierung fällt bei der vielen Vorbereitungsarbeit kaum mehr ins Gewicht.

Freitag, 28.8.2020

Wie im Flug ist die erste Woche vergangen und wir planen bereits die Abschlusszeremonie. Eine kleine Zeitung soll produziert werden, um Eindrücke aus jeder Gruppe zu vereinen. Eine Kollegin übernimmt die Koordination und Produktion.

Die Kinder sind am letzten Tag der ersten Woche immer noch voller Energie. Wir haben zwar täglich mindestens ein Lernspiel mit Bewegung im Freien eingeplant, die Kinder wünschen sich aber trotzdem mehr Sport und Bewegung. Wir müssen sie bremsen, da wir wegen der Hygieneregeln einigen Einschränkungen unterliegen. Wir kommen überein, dass eines der Kinder einen Fußball mitnehmen soll und wir schauen, was wir damit machen. Elfmeterschießen in Verbindung mit Wortschatzübungen bietet sich an. Auch einen ganzen Tag Bewegung und Sport wünschen sich die Kinder. Auf der “Wünsche-Wand” kleben Post-Its mit Wünschen nach Fußball. Ich verspreche, mit den Kolleg*innen zu besprechen, was wir unter den gegebenen Umständen tun können. 

Und wie hat den Kindern die erste Woche gefallen? Das Feedback auf den bunten Notizzetteln spricht eine klare Sprache: “Die Woche war ganz super :)”, “Das war gut und hat Spaß gemacht”, “Es war schön”. 

Der Autor ist Lehrer an einer Sommerschule in Niederösterreich.

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Herr Professor, können wir nicht noch eine Stunde Geo machen? Das ist so wichtig.“ Das Thema: Rassismus. Die Umsetzung: Fotos, Eigenerfahrungen, ganz viel Gespräch – super reflektiert. „Herr Professor, es ist so schön… können wir nicht rausgehen?“ Sicher. Spaziergang. Die Straße entlang hin zum Wiederkehr. „Mein Normal: Unternehmen entlasten – Jobs schaffen“ ist am NEOS-Plakat bei der schulnahen Bushaltestelle plakatiert. Was bedeutet das? Warum hängt das? Durch welche Entlastung können welche Jobs geschaffen werden? Wie sehen es die anderen Parteien? Spazieren wir weiter. Information, Fragen, Debatte. Fazit: „Das hat so viel Sinn gemacht. Voll super.“ Und außerdem: „Ich hab über das Rassismus-Thema nachgedacht. Darf ich Ihnen nachher noch ein Video zeigen?“ Klar.

Dynamisches Lernen, gemeinsames Reflektieren und Diskutieren, Thematisierung gesellschaftspolitisch relevanter Phänomene – es macht Sinn und nach dem Unterricht wird im lebendigen digitalen Raum weiterdebattiert. Es beschäftigt und ermutigt. Die halbierte Klassenportion ist erfreut über die Möglichkeit nachzufragen und Meinung kund zu tun. Es geht leichter von der Hand für beide Seiten. Man fühlt sich gehörter denn je im Kleingruppenformat. Sacré bleu und quelle surprise.

Dass es so bleibt (weniger Schüler*innen je Lehrer*in in Kombination mit gesteigerter Diskussionsmöglichkeit im dem Wetter angepassten Outdoor-Unterricht): Illusion. Also zurück zum alten Schema ab September? Schema F: Notendruck, Lernzwang, zu viele Kinder auf zu wenig Raum. Doch kann es das geben? Eher zu wenig Lehrer*innen und zu wenig Raum. Änderungsbedarf, Investitionspflicht – Outdoorklassen, späterer Unterrichtsbeginn, gesünderes Angebot in der Schulkantine, interaktives Lernen in Kleingruppen, verbesserte Kommunikationsstruktur im analogen und digitalen Raum, gemeinsames Reflektieren über Erlebtes, Sinndebatte über die Reifeprüfung, individualisiertes Lernen statt kollektivem Schweigen – ein Aufschrei der verstummt. Denn, das was kommt, sei fördernd, innovativ und sozial, der Mehrwert sei unbestritten: die Sommerschule.

Geh bitte… da geht dir ja keiner freiwillig hin“, so der allgemeine Tenor im Konferenzzimmer (m)einer Wiener AHS. Also ab ins Schema F – mit den Eltern reden, ihnen vermitteln, dass das schwache Kind MUSS. Wir müssen sie zwingen und für die Notenschwäche bzw. die Inkompatibilität mit dem existierenden System bestrafen. Der vom Minister ausgeschickte Stundenplan für die Volksschule (wie sieht es für NMS und AHS aus?), liest sich verheißungsvoll: Förderung der Kreativität, Erkundung der Umgebung, Basteln, Bewegung, Sprachtraining… so macht (Sommer)-Schule Sinn. Was aus mir „spricht“, ist die tiefe Überzeugung, dass Lernen Freude bereitet und dass Kinder Sinnhaftigkeit und Freude erkennen, spüren und schätzen. Lasst uns mit den Kindern reden und sie davon überzeugen, vom Lernen mit Sinn, Freude und Variation – abwechslungsreich und vielfältig, bewusst und individuell.

Aber: Wenn schon, dann g’scheit.

Von einer, meiner AHS läge der nächste Sommerschul-Standort 40 Öffi-Minuten entfernt. Es gibt schlichtweg keine einzige Sommerschule im zweitgrößten Wiener Gemeindebezirk mit massenhaftem Förderpotenzial – auch im Sommer. Den Eltern wird nun sieben Tage vor Meldeschluss vermittelt, dass sie ihre nach den Anstrengungen der Corona-bedingten schulischen Neuerungen die Ferien herbeisehnenden Kinder anmelden können, wenn sie denn wollen. Schema F. Die unzähligen Eltern mit nicht-deutscher Muttersprache und mangelhaften Deutsch-Kenntnissen, die vielzähligen Eltern, die von der beruflich-familiär-sozialen Konstellation täglich bis an und über’s Limit gefordert werden, die hunderttausenden ambitionierten Kinder mit Gestaltungs-, Partizipations- und Lernmotivation werden mit einem formellen Schreiben allein gelassen, wenn nicht die Klassenlehrer*innen die Notwendigkeit erkennen, individuell, persönlich, empathisch, geduldig, motivierend mit denen zu reden, die bereit sind und wollen, wenn das Angebot stimmt: mit unserer Zukunft, unseren Kindern. 

Also dann: bitte g’scheit.

Der Autor ist Lehrer an einer AHS in Wien.