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Raten Sie mal! Raten Sie mal wieviel ECTS für Elternarbeit in der Primarlehrer:innenausbildung benötigt werden, wenn diese insgesamt 280 erwerben müssen, fragt Claudia Leditzky von der PH Wien auf dem 10. Netzwerktreffen: Frauen-Flucht-Gesundheit am 04.06. im Wiener Rathaus. Schwerpunktthema der Veranstaltung ist „Elternbildung &Elternarbeit“

Die Antwort ist EINEN! So viele ECTS erwerben Studierende im Rahmen ihrer Lehramtsausbildung für eine der wichtigsten und oft auch schwierigsten Tätigkeiten ihres Berufslebens. 

Daran, aber auch an dem komplett fehlenden Interesse der Politik und der Öffentlichkeit auf dieser Veranstaltung merkt man deutlich das Desinteresse für das dritte Standbein der Pädagog:innen. Das Dreieck: Lehrer:innen, Schüler:innen, Eltern ist schon lange geläufig nachhaltig aktuell. Dass sich das gerade in Wien mit den vielen Sprachen der Eltern oftmals als zeitintensiv und manchmal auch mühsam gestaltet ist zwar Fakt, aber keineswegs Grund aufzugeben. Durch das Angebot der Stadt Wien für Wiener Volks- und Mittelschulen von montags bis freitags 07-19:00 Uhr gratis eine:n Adhoc Videodolmetscher:in per livestream zuzuschalten, ist es zumindest den digital kompetenteren Lehrpersonen aber dennoch ein Leichtes, ihre Aufgaben in diesem Bereich zu erfüllen. Denn nicht das Ziel ist es, Eltern zu bevormunden und ihnen von oben herab zu erklären, welche Sprache sie wann zu erwerben hätten sondern vielmehr ist es ein ganz pragmatischer Weg, die Kommunikationspflicht zu erfüllen, wie Ali Dönmez auf eben dieser Veranstaltung erklärt. 

Und es gibt so viele weitere Mittel und Wege. Auf dieser Veranstaltung waren: 

Die ELTERNWERKSTATT – Verein im Dienst von Kindern, Eltern, Pädagog:innen 

Der Verein Integrationshaus – Elternarbeit 

Verein NACHBARINNEN in Wien – Individuelle Elternarbeit auf Augenhöhe 

Verein Wiener Jugendzentren / Respekt: gemeinsam stärker 

Elternarbeit & Extremismusprävention der Kinder- und Jugendhilfe Wien – Stabsstelle Extremismusprävention

Institut für Frauen- und Männergesundheit: NEDA und FEM Elternambulanz  

ProSoz – Familientraining – Sozialpädagogische mobile Arbeit mit Familien mit Sprachunterstützung von Peers (im Auftrag der MA11) 

Soziale Arbeit mit geflüchteten Familien in der Wiener Kinder- und Jugendhilfe 

Diakonie Flüchtlingsdienst und Diakonie Sozialdienst

All diese wunderbaren Menschen arbeiten professionell und mehrsprachig mit Eltern und Schulen, mit Schüler:innen und Pädagog:innen zusammen, um sich gemeinsam an das neue Leben, das neue Land, die neuen Umstände zu gewöhnen. 

Gerade jetzt mit dem Familiennachzug über den alle stöhnen und der ja „nicht schaffbar“ sei, gerade jetzt wäre es für Pädagoge:innen so wichtig, sich mit den vielfältigen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die es seitens der Stadt Wien gibt. Gerade jetzt sollte man sich alle mögliche Fundamente schaffen, um diese Kinder, die so selten gerne und so oft unfreiwillig zu uns kommen, rechtzeitig aufzufangen und zu begleiten. Und dazu gehört der regelmäßige Austausch mit den Eltern. 

Wunderbar durch den Nachmittag geführt hat übrigens Maynat Kurbanova – mit viel Wortwitz und einer Herzlichkeit, die allen Anwesenden – mehrheitlich Frauen – sehr gut getan hat. Sie hat auch die Frage nach denjenigen Eltern gestellt, die sich vor dem Jugendamt fürchten. Nicht erst einmal hat man als Lehrkraft den Satz gehört: „Wenn Sie das Jugendamt informieren, dann nehme ich meine Kinder und fahre weg.“

Eine sinnvolle Zwischenlösung und Alternative bietet hier das Schulkooperationsteam an, die sich intensiv mit den Familien beschäftigen, Unterstützung anbieten, aber die gesamte Kooperation auf Freiwilligkeit basiert. Sie arbeiten ebenfalls mit der MA!11 zusammen und wenn es wirklich Grund zur Sorge gäbe, würden sie auch intern eine Meldung machen. Aber dadurch geraten die Lehrkräfte nicht in die Schusslinie und die Lehrer:innen – Eltern-Beziehung wird nicht gefährdet.

Nicht, oder wenig anwesend, waren allerdings auch Lehrkräfte. Nicht, oder wenig anwesend waren Eltern. Also vermutlich hatten einige der Anwesenden Kinder, aber die anwesenden Eltern waren nicht die Eltern, über die wir oft sprechen aber denen wir selten zuhören.. Wir haben im Rahmen des Elternarbeitsschwerpunktes bei Schulgschichtn versucht, Stimmen aus der „Migra-Elternszene“ zu bekommen. Haben Eltern angesprochen, haben Vereine angesprochen – aber die Eltern möchten nichts sagen. Sie möchten auch nichts schreiben. Zu groß ist die Angst der Benachteiligung  ihrer Kinder durch die Lehrkräfte. Was haben sie schon erlebt?

Zu groß ist auch die Angst, etwas Falsches zu sagen und vielleicht ausgelacht zu werden. Denn – Hand aufs Herz – wer von Ihnen, werte Leser:innen kann in einer weiteren Sprache über Feststellungsprüfungen, SPF, Wiederholungsprüfungen und AHS Standard Einstufungen fehlerfrei sprechen und schreiben? Und das ewige Argument, welches dann immer kommt: Aber ich lebe ja auch hier und nicht woanders – schauen Sie sich die Welt an! Wer garantiert Ihnen, dass es Sie nicht auch mal trifft? Die Ukrainer:innen konnten sich bis zum 23. Februar 2022 auch nicht wirklich vorstellen, dass sie nun schon seit über zwei Jahren in einem anderen Land gelebt haben würden. 

Franziska Haberler, Redaktionsmitglied Schulgschichtn und Podiumsteilnehmerin – in Koopertion mit den Veranstalterinnen.

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