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Ein Gespenst geht um in der Bildungslandschaft… und nennt sich ChatGPT, you.com oder Bard – die Rede ist von KI, von künstlicher Intelligenz und ob, wenn es sie jetzt gibt, wir überhaupt noch Lehrer:innen brauchen. Wahr ist, dass dieser Chatbot alles (?) schneller und besser kann als wir. Wahr ist auch, dass er weniger Fehler macht und vor allem objektiv ist – er oder sie kann ja weder Emotionen noch Präferenzen haben – das ist der „künstlichen“ Seite inhärent. Im Positiven wie im Negativen. Was er/sie nicht kann: Kinder beaufsichtigen, empathisch agieren, Klassenklima erfassen und entsprechend handeln, … aber zurück zu den Vorteilen:

Ja, er oder sie schwächelt noch etwas, wenn es um Quellenangaben geht und auch ist seine/ihre mathematische Kompetenz etwas fragwürdig. Wörter zählen und so gelten noch nicht als seine/ihre Stärken. Was er oder sie aber kann, das ist auf das Wissen von mehreren Terabyte an Texten zugreifen – und das in einer Geschwindigkeit, die uns nur staunen lässt. Vor allem in der neuen Payversion, die es seit letzter Woche um 20€/Monat gibt. 

Was ist also zu tun? Verbieten wir das Zeug, weil wir es nicht kontrollieren können? Dies war ein Ansatz in New York. Er war ähnlich erfolgreich wie die Prohibition von 1920. 

Bitten wir die Schüler:innen, es einfach nicht zu nutzen, weil wir haben es ja auch ohne geschafft und wer braucht schon so neumodernes Dings? 

Oder hoffen wir einfach stillschweigend, dass sie nichts davon erfahren und es wenn, es dann eh nicht bedienen könnten? 

Als ich 2009 meinen Segelschein machte, gab es schon die ersten GPS Navigationsgeräte, die für den privaten Gebrauch erschwinglich und bedienbar waren. Nun gab es auch hier die Diskussion: Sind diese für die Prüfung erlaubt? Oder Navigieren wir lieber mit Sternen, Karten und Zirkeln?

Die Regel war einfach: Alles, was an Bord ist kann und muss verwendet werden! Und so ist es auch im Bildungswesen: Alles, was es im „normalen Leben“ gibt, muss, kann und soll auch in der Schule verwendet werden. Das ist die Essenz unseres Bildungsauftrages. 

Ja, ChatGPT erleichtert das Unterrichten ungemein. Ich kann schnell Stundenplanungen erstellen lassen, Texte differenzieren, Schüler:innenarbeiten korrigieren und mit Kommentaren versehen. Ich kann in kürzester Zeit Motivationsschreiben erstellen lassen – für die ca. 100 Bewerbungen, die meine SuS in der 4. Klasse schreiben müssen, und auf die sie möglicherweise nur drei Einladungen erhalten. Ich kann individualisiertes Feedback schreiben lassen und muss hierzu nur wenige Wörter für einen sinnenhaften „Promt“ verwenden. Ganz ehrlich – ich wäre schön doof, wenn ich dies nicht nutzte. Meine Herausforderung: Wie stelle ich Aufgaben – in einer rein outputorientierten Lernumgebung – die diese KI nicht für die SuS lösen kann?

Ganz einfach: Ich beziehe die Kinder in den Arbeitsprozess mit ein. Nehmen wir das Fach Mathematik: Ich stelle verschiedenen Aufgaben. Manche löst die KI korrekt, bei anderen rechnet sie/er weniger korrekt. Die Kinder müssen nun herausfinden, welche richtig sind und welche falsch. Wie kommt die KI zu den falschen Lösungen? Im Bereich Sprachen: Wir schreiben eine Inhaltsangabe zu einer Kurzgeschichte, welche wir im Unterricht gelesen haben. Die Kinder erstellen zu Hause eine Lösung mit der KI. Dann vergleichen wir. Übernehmen die guten Formulierungen. Erstellen gemeinsam eine „perfekte“ Variante. Wir lassen den Text in andere Sprachen übersetzen und schauen uns mögliche Übersetzungsfehler an. Wir lassen uns Outlines für Erörterungen erstellen, die wir dann in der Stunde anhand dieser in Textform verfassen. Wir suchen nach den richtigen Quellenangaben, überprüfen von der KI erstellte Texte auf Richtigkeit. Das bedeutet aber, dass wir uns mit dem Thema gut auskennen sollten! Wir versuchen Fake News aufzudecken und zu erkennen, ob Texte nur abgeschrieben wurden. Dann lassen wir sie mit verschiedenen Stimmen vorlesen und drehen ein Video dazu. Wir ändern Schreibstil und Adressaten. Wir lassen eine KI Bilder dazu kreieren und malen dann im Kunstunterricht selbst welche zu diesem Thema. Wir erstellen Rollenspiele und fächerübergreifende Projektarbeiten, die wir dann mit den SuS durchführen. 

Nein, der Weg ist nicht das Verbot, der Weg ist auch nicht das Ignorieren neuer Technologien – die genau genommen so neu auch nicht mehr sind. Der Weg in einer digitalen Gesellschaft ist, die Kinder auf deren Möglichkeiten und Gefahren hinzuweisen. Auch das ist nicht neu. 

Ja, wir alle navigieren mit Google Maps – aber fahren wir nach links, wenn die Brücke, die dort mal stand, offensichtlich zusammengebrochen ist? 

Zurück zu meinem Segelschein. Wir verwendeten also die Karte, verglichen diese mit dem GPS Gerät – und fuhren dennoch fast auf eine Insel! Wie wir das verhinderten? Wir sind an Deck gegangen und haben nach Vorne geschaut. Und da lag sie. Die Insel. Deutlich sichtbar im Mondschein. Das GPS war auf einen zu kleinen Maßstab eingestellt, weswegen wir sie nicht rechtzeitig sahen. Bei der Karte hatten wir uns um einen Millimeter verrechnet. 

Nein, wir fuhren nicht dagegen. Wir legten den Rückwärtsgang ein – Aufstoppen nennt man das in der Segelsprache – und brachten das Schiff kurz vor der Kollision zum Stehen. 

Versuchen wir dies doch auch in der Bildungslandschaft. Mit Augenmaß und der nötigen Vernunft. Und ja, manchmal muss man rückwärtsfahren, um vorwärts zu kommen. Aber nach Vorne schauen – das hilft immer!

Franziska Haberler, Lehrerin an der MS Staudingergasse und lörn.at Autorin, die neue digitale Bildungsplattform (es gibt hier auch einen ChatGPT Kurs für Einsteiger:innen)