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Die letzte Novemberwoche, vierte Klasse Mittelschule, 18 Jugendliche – davon 14 bereits im neunten Schuljahr, mitten in der Findungsphase: „Was mache ich nach diesem Schuljahr?“ Diese Frage hing wie ein unsichtbares Plakat über unseren Köpfen. Die Antworten? Durchwachsen. Acht wollten eine weiterführende Schule besuchen, drei eine Lehre beginnen, und sieben hatten ungefähr so viel Plan wie ein Blatt im Wind.

Wer in die Zukunft schaut, stellt oft fest, dass der Horizont manchmal eher wie eine dicke Nebelwand aussieht. Für viele meiner Schüler*innen gilt das ganz besonders. Das österreichische Bildungssystem ist ihnen oft so fremd wie die Oberfläche des Mars. Warum? Ihre Eltern, oft aus anderen Ländern zugezogen, kennen die Strukturen hier nicht, und in ihrem Umfeld gibt es nur wenige Vorbilder, die ihnen Perspektiven aufzeigen könnten. Kein Wunder also, dass sich die Jugendlichen kaum für eine Laufbahnplanung begeistern können.

Umso wichtiger waren in meinen Augen die Berufspraktischen Tage (BPT). Ein paar Tage, in denen die Jugendlichen Einblick in die Arbeitswelt bekommen konnten – und nicht nur das: Sie sollten eine Grundlage für Entscheidungen schaffen, die ihr Leben prägen werden.

Selbst ist der Schüler

Die Verantwortung für die Organisation ihrer Praktikumsplätze übertrugen wir den Schüler*innen und ihren Eltern. Ein Wagnis? Vielleicht. Aber was dann geschah, überraschte uns positiv. Mit beachtlichem Engagement machten sich die Jugendlichen auf die Suche – oft ohne Netzwerke, auf die sie zurückgreifen konnten. Während manche Kinder von „Onkel Karl“ in den Betrieb eingeladen werden, hieß es bei meinen Schülern: „Anpacken und selbst erledigen.“

Ein Beispiel: Zwei Schüler zogen an vier Freitagen nachmittags nach der Schule los. Sie klapperten einen Supermarkt nach dem anderen ab, fragten direkt vor Ort nach einem Praktikum. Ihre Hartnäckigkeit wurde schließlich belohnt – ein Penny-Markt öffnete die Türen.

Und dann kam der erste Praktikumstag. 7:30 Uhr klingelte mein Handy. Die beiden Schüler: „Wir sind wieder nach Hause geschickt worden. Letzte Woche gab es hier einen Praktikanten, der eine Schlägerei angefangen hat. Der Filialleiter hat gesagt, er nimmt keine Praktikanten mehr.“

Nach einem Telefonat mit dem Filialleiter konnte ich die Sache klären. „Geben Sie den beiden eine Chance. Ich kenne sie – die machen sicher keine Schwierigkeiten.“ Am Nachmittag beim Besuch vor Ort traf ich denselben Filialleiter, der morgens noch skeptisch war. Begeistert berichtete er: „Die sind wirklich super. So engagiert, so höflich!“

Ein Blick in die Vielfalt

Die Praktikumsplätze spiegelten eine beeindruckende Bandbreite wider: Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeheime, IT-Firmen, ein großer Telekom-Provider, eine KFZ-Werkstatt, ein Krankenhaus, Anwaltskanzleien – sogar die UNO-City in Wien war dabei.

Die Rückmeldungen der Schüler*innen und der Betriebe waren überwiegend positiv. Natürlich gab es auch Stimmen wie: „Das war schon sehr anstrengend. Für mich ist das nichts.“ Aber dann gab es auch diese Aha-Momente:

  • Eine Schülerin, die bei einer Gerichtsverhandlung dabei sein durfte, erklärte: „Ich werde Anwältin. Das ist sicher!“
  • Ein Schüler, der ursprünglich IT ins Auge gefasst hatte, kam zurück und sagte: „Ich weiß jetzt, dass ich Elektrotechnik machen will.“
  • Ein Anruf zwei Wochen nach den BPT: „Ihr Schüler war bei mir schnuppern. Er interessiert sich so für Gaming und hat echt Talent. Sagen Sie ihm, er soll sich bei mir melden – ich habe da eine Idee, welche Schule er machen könnte.“

Leuchtende Ziele

Die schönste Erinnerung an diese Woche verdanke ich einem Schüler, der während seiner Praktikumszeit an einem Projekt der UNO-City beteiligt war. Der australische Künstler Fintan Magee hatte ein riesiges Wandbild geschaffen, das die Bedeutung der UN-Nachhaltigkeitsziele thematisiert. Bis Ende November war dieses Kunstwerk nachts unbeleuchtet – bis unser Schüler tatkräftig mitarbeitete, um das zu ändern.

Sein Beitrag ging weit über die technische Umsetzung hinaus. Er wurde selbst zu einem Botschafter für die Nachhaltigkeitsziele. Dieses Bild, das nun nachts in strahlendem Licht erstrahlt, ist für mich das stärkste Symbol dafür, wie wichtig es ist, mit jedem einzelnen Kind an seiner Zukunftsperspektive zu arbeiten.

Fazit: Ein klarerer Blick in die Zukunft

Zwei Monate nach den Berufspraktischen Tagen ist vieles klarer: Alle, die eine weiterführende Schule besuchen wollen, wissen nun genau, welche Schule es sein soll – und vielen von ihnen haben sich (vor-)angemeldet. Konkrete Bewerbungen auf Lehrstellen laufen. Nur drei Schüler*innen sind noch unentschlossen, aber auch sie haben deutlich mehr Orientierung als zuvor.

Berufspraktische Tage leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Entscheidungsfindung. Sie können Türen öffnen, Perspektiven schaffen und den Horizont klären. Es liegt an uns, den Jugendlichen diese Chance zu geben. Wer weiß – vielleicht steckt hinter einem Praktikum im Penny-Markt der nächste große Schritt in eine leuchtende Zukunft.

Autor: Markus Neuherz ist Quereinsteiger/Teach for Austria Fellow im ersten Unterrichtsjahr in einer Mittelschule in Wien.

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Stellensuche

Die berufspraktischen Tage in der 4. Klasse stellen für viele Schüler*innen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dar, wohin es nach dem Mittelschulabschluss geht. Die Planung dafür beginnt bereits am Ende der 3. Klasse. Die Schüler*innen müssen sich eine Stelle suchen, wo sie vier Tage im darauffolgenden Schuljahr unentgeltlich arbeiten. Während dieser Zeit sind sie vom Unterricht freigestellt. 

Die Stellensuche verläuft dabei ganz unterschiedlich: Manche Schüler*innen wissen genau, welchen Beruf sie während der Tage ausprobieren wollen, andere eher weniger. Hilfreich ist bei der Suche wie so oft ein gutes Netzwerk – oftmals helfen die Eltern, der Onkel oder die Tante bei der Vermittlung. Schüler*innen, die erst seit kurzem in Wien sind, tun sich erfahrungsgemäß deutlich schwerer, einen Betrieb zu finden. Natürlich gibt es auch motivierte Schüler*innen, die selbst die Initiative ergreifen und beim Wunschbetrieb anrufen oder vorbei gehen und nachfragen. Ist ein Betrieb gefunden, wird ein Vertrag unterzeichnet.

Die Bandbreite der approbierten Berufe ist erfahrungsgemäß vielfältig: Vom Bankkaufmann zum Konditor, Zahnarzthelfer, Tischler zur Drogistin bis hin zur Kindergartenassistentin, Friseurin oder zum KFZ-Mechaniker, um einige der Berufe zu nennen. 

Vorbereitung

Vorab werden mit den Schüler*innen grundsätzliche Dinge besprochen. Dazu zählen beispielsweise das Auftreten, die Pausengestaltung, die Kleidungswahl – also welche Kleidung in einer Bank respektive einer KFZ-Werkstatt oder in einem Kindergarten erforderlich ist -, die Pünktlichkeit oder was im Falle einer Krankheit zu tun ist. Befindet sich die Stelle räumlich weiter weg bzw. nicht in der Nähe der Schule, ist die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes in der Vorbereitungsphase ein wesentlicher Punkt. Dabei lernen die Schüler*innen sich selbstständig in Wien zurecht zu finden und neue Wege zu erkunden, was für den weiteren Aus-/Bildungsverlauf von enormer Bedeutung ist. Auch die Arbeitszeiten, welche natürlich von den Unterrichtszeiten abweichen, werden besprochen.

Vorgesehen ist, dass den Schüler*innen vor Ort eine Betreuerin bzw. ein Betreuer zugeteilt ist. Diese Person ist die erste Ansprechpartnerin bzw. der erste Ansprechpartner bei Unklarheiten, Herausforderungen und Problemen. Im Vertrag muss diese Person extra ausgewiesen werden – leider wird dies in manchen Fällen ausgelassen und es ist nicht eindeutig klar, wer vor Ort zuständig ist.

Erfahrungen der Schüler*innen

Während der vier berufspraktischen Tage werden die Schüler*innen unserer Schule täglich ein Mal von einer Lehrperson besucht. Dabei wird nach dem Wohlergehen der Schüler*innen gefragt und Feedback von den Betreuer*innen eingeholt. 

Am aufregendsten ist für die meisten Schüler*innen der erste Arbeitstag. Oft wird berichtet, dass viele Schüler*innen überpünktlich am Arbeitsplatz erscheinen, aus Angst davor, den Weg nicht zu finden und in Folge zu spät zu kommen. 

Was die Schüler*innen während der vier Tage machen dürfen, hängt ganz vom gewählten Beruf und den dafür notwendigen Vorkenntnissen, dem eigenen Engagement sowie dem Einsatz der Betreuerin / des Betreuers ab. Dies kann das Schleifen einer Türe in der Tischlerei sein, das Spielen mit Kindern im Kindergarten, Zuschauen beim Anlegen einer Zahnspange beim Zahnarzt, das Wechseln von Autoreifen in einer KFZ-Werkstätte oder das Abheben und Einzahlen von Geld in einer Bank sein. Jährlich entscheiden sich viele Schüler*innen in einem Supermarkt zu arbeiten. Sie verbringen die meiste Zeit mit Regale einschlichten und sortieren, Waren im Regal nach vorne räumen sowie Kartons pressen. 

In den meisten Fällen zeigt sich sehr schnell, ob den Schüler*innen der approbierte Beruf gefällt. Manche wollen gar nicht mehr zurück in die Schule und empfinden die Tage als die besten in ihrer Schulzeit. Endlich können sie machen, was sie wirklich interessiert. Andere hingegen können es kaum erwarten, dass die Zeit vorbei geht und sie wieder zurück in die Schule können. Beispielsweise wird das viele Stehen im Einzelhandel oder der frühe Dienstbeginn in Werkstätten als furchtbar anstrengend empfunden.

Am Ende der vier Tage wird vom Betrieb ein Feedbackbogen ausgefüllt, den die Schüler*innen bei Bewerbungen beilegen können. Erweisen sich die Schüler*innen als besonders fleißig und engagiert, kommt es ab und an auch vor, dass sie ein Taschengeld als Dank für ihre wertvolle Arbeit erhalten.

Fazit

Im Idealfall enden die berufspraktischen Tage damit, dass die Schüler*innen wissen, was sie nach der 4. Klasse machen wollen oder zumindest nicht machen wollen. Immer wieder gibt es auch Schüler*innen, denen eine Lehrstelle in dem Betrieb angeboten wird, wo sie die berufspraktischen Tage verbracht haben. Allerdings kommt es in manchen Fällen auch dazu, dass die vier Tage vorzeitig beendet werden, weil etwa die Arbeitseinstellung von Seiten der Schüler*innen nicht passt. 

Aus Lehrerinnen Sicht ist es spannend, die Schüler*innen einmal in einem anderen Setting zu erleben. Es ist wunderschön zu sehen, wie manche in dem gewählten Beruf aufblühen und am liebsten dort bleiben würden. Andere brauchen hingegen aufmunternde Worte, um die Tage durchzustehen. Sie blicken anschließend stolz darauf zurück, die berufspraktischen Tage zu Ende gebracht zu haben. 

Bei manchen Schüler*innen ändert sich nach dieser Erfahrung die Einstellung zur Schule: Arbeiten ist anstrengender als gedacht! Sie versuchen in der verbleibenden Schulzeit ihre Noten zu verbessern, um an weiteführenden Schulen genommen zu werden. In die Schule zu gehen, ist offenbar doch ganz schön.  

Die Autorin in Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.