Out of the Box – Was die Zukunft braucht

Lesezeit: 3 Minuten

Jeden Montag beginnt eine neue Schulwoche, eine Woche voller Chancen und Möglichkeiten. Und doch ist es oftmals nur eine weitere ungenutzte Zeitspanne, die nach Schema F durchgestanden wird.

Es geht weiter mit dem Beschulen der Kinder, dem Wissensvermitteln, dem Belehren.

Wir Lehrer*innen kehren gemeinsam mit den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen wöchentlich zurück in ein Schulsystem, das die wenigsten ernsthaft hinterfragen. Kein Wunder, denn das wäre weder bequem für uns noch seitens der Obrigkeit erwünscht.

Arbeitskräfteproduzent*innen oder Pädagog*innen?

Es ist ein System, dessen Sinnhaftigkeit sich mir von Jahr zu Jahr weniger erschließt. Wir bilden – bedingt durch schulische Rahmenbedingungen, die teilweise zweihundert Jahre alt sind – in steter Gleichmacherei mehr oder minder funktionierendes Menschenmaterial heran. Wir schaffen „human resources“ für eine Wirtschaft, die nach wie vor nicht viel anders funktioniert als diejenige zur Zeit der Industriellen Revolution. Wir pressen die Schüler*innen in ein Einheitskorsett, von dem uns gesagt wurde, dass es das einzig passende für die Kinder sei. Und wir glauben das. Kein Wunder, denn die meisten von uns stecken auch längst in diesem Korsett, haben es als Schutzschild für sich entdeckt und fühlen sich wohl in seiner scheinbaren Klarheit und Sicherheit.

Wir sind zu Werkzeugen geworden, die aus Faulheit funktionieren.

Was die Schule wirklich lehrt

Doch ist es wirklich so erstrebenswert, den uns Anvertrauten radikale Anpassung an antiquierte Normen als höchstes Bildungsgut zu verkaufen?

Nach wie vor sind jene Schüler*innen am erfolgreichsten, die am besten verstehen, was die jeweilige Lehrperson von ihnen will. Die besten Noten haben nicht die kreativsten Köpfe, nicht die, die die höchste soziale Kompetenz entwickeln, nicht die, die eine unstillbare Neugier an den Tag legen, oder die, die außergewöhnliche körperliche Fähigkeiten zeigen. Nein, die Kinder mit den besonders guten Noten sind die, die alles so machen, wie es sich die Lehrkraft vorstellt. Ob ein*e Schüler*in sich für das Leben vergangener Generationen ernsthaft interessiert, ist längst nicht so wichtig wie der Umstand, ob sie oder er die ausgeteilten Arbeitsblätter in der richtigen Reihenfolge eingeordnet, ein paar Fachbegriffe auswendig gelernt und ein Deckblatt für die Geschichtemappe gestaltet hat.

Oberstes Gebot unserer Gesellschaft scheint zu sein: Übernimm die Vorstellungen deiner Vorgesetzten und setze sie schnell und sorgfältig um!

Ein notwendiger Wandel

Wir Lehrer*innen stützen allerdings auf diese Art und Weise ein System, dessen Ende meiner Überzeugung nach gekommen ist, auch wenn weder unsere (Bildungs-)Politik noch der Großteil der österreichischen Bevölkerung das sehen will.

Erzkonservativ halten wir an einer Schule fest, die einzig und allein dazu geeignet ist, Arbeitskräfte zu produzieren, die in naher Zukunft einfach nicht mehr benötigt werden.

Vieles, was heute noch immer von Menschen erledigt wird, wird bald ausschließlich automatisiert ablaufen. Geldtransfer, Warenfertigung, Ein- und Verkauf, Reparaturen, Analysen, Transport und Lagerverwaltung sind nur einige ausgewählte Beispiele von Tätigkeitsfeldern, für die in naher Zukunft kaum mehr menschliche Arbeitskräfte benötigt werden.

Doch genau für diese Bereiche bilden unsere Schulen stur und beharrlich aus.

Was die Wirtschaft hingegen mehr und mehr braucht, sind Menschen, die in ihrer Arbeit schöpferisch tätig sein können, die Zusammenhänge verstehen, die die Fähigkeit haben, über den Tellerrand zu sehen. Die Gesellschaft per se braucht dringend empathische Menschen, moralisch integere, sozial denkende Mitglieder, um Fehler der Vergangenheit nicht ständig wiederholen zu müssen und simplen politischen Parolen nicht wieder und wieder auf den Leim zu gehen.

Was unsere Aufgabe wäre

Diese kreativen Köpfe, Querdenker und Visionäre gibt es heute auch, keine Frage – aber sie sind es nicht wegen des Besuchs unseres Schulsystems, sondern trotz dessen.

Manchmal jedoch sind sie es wegen einzelner atypischer Lehrer*innen, die verstanden haben, was ihre Aufgabe ist:

eine Beziehung zu ihren Schüler*innen aufzubauen, die nicht durch Misstrauen oder Schlimmeres belastet ist.

Lehrer*innen, die ein Umfeld geschaffen haben, in welchem die Kinder ihre naturgegebene Neugier befriedigen können, in dem sie animiert werden, Fragen zu stellen, in welchem sie ohne Zeit- und Notendruck forschen können, kreativ sein können und sich (geistig wie körperlich) bewegen können.

Eine solche Schule zu kreieren, liegt in der Hand von uns Lehrer*innen sowie von den Eltern unserer Schüler*innen.

Auf Weisungen „von oben“ oder auf plötzliche Erkenntnisse der Politik zu warten, ist in diesem Zusammenhang sinnlos.

Das System wird sich nicht selber abschaffen.

Das müssen wir tun.

Fangen wir gleich morgen damit an.

Der Autor ist Lehrer an einer NMS in Niederösterreich.

4 Kommentare
  1. rahellyelli
    rahellyelli sagte:

    Eigentlich gebe ich dir Recht: das deutsche Schulsystem ist nicht immer ganz so sinnvoll und hat viele Fehler. Und auch nicht jeder Schüler/jede Schülerin, die schlechte Noten haben, sind per se dumm. Allerdings nervt es mich, wenn den SuS mit guten Noten ihre Intelligenz, ihre Kreativität und ihre Wissbegierde abgesprochen wird. Ich bin selber eine gute Schülerin – ich halte mich an die meisten Regeln, führe ein ordentliches Heft und behandle meine Lehrer*innen und Mitschüler*innen mit Respekt. Allerdings verbringe ich viel Zeit zu Hause mit Recherchen, um mehr über Themen zu erfahren, die mich interessieren. Ich halte dann Vorträge und bringe Vorwissen mit, um natürlich eine gute Note zu bekommen, aber ich mache das auch, weil ich selber wissbegierig bin. Und nur weil ich die eins habe, bin ich nicht unkreativer als der Schüler/die Schülerin mit der vier!

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    • Chris
      Chris sagte:

      Da hast du einen Punkt missverstanden: Nicht die Einserschülerinnen und -schüler werden in dem Text pauschal als unkreativ abgekanzelt, sondern es wird ein Schulsystem kritisiert, das es ermöglicht, durch unreflektierte Anpassung zu den Besten zu gehören.

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  2. Silvia Kreiner
    Silvia Kreiner sagte:

    Gratulation zu eurem Artikel „out of the box“.
    Ich stimme dem Autor zu, dass mehr so genannte soft skills gelehrt werden sollten, die einerseits ermöglichen können neue Wege einzuschlagen und einen Platz am Arbeitsmarkt zu finden, aber auch für ein gesundes und erfülltes Leben wichtig sind. Reines Faktenwissen braucht bald niemand mehr zu Zeiten von AI und Google. Aber so wie im Artikel besprochen, kreatives und kritisches Denken, Respekt und Toleranz, ein Gesundheitsbewusstsein was Ernährung und Bewegung und auch mentale Gesundheit betrifft – das sind die Dinge, die junge Menschen heutzutage brauchen.
    Aber man muss dafür bei den Wurzeln beginnen und die Lehrerausbildung verändern und LehrerInnen in diese Richtung ausbilden. Dann passiert diese Entwickling ganz von selbst. Es macht daher keinen Sinn einfach nur ein neues Bildungssystem zu entwerfen und LehrerInnen drüberzustülpen.
    Daher meine Bitte: setzt euch dafür ein, dass zukünftige LehrerInnen so ausgebildet werden. Und auch sie sollten Soft skills mitbekommen und nicht nur eine rein fachliche Ausbildung. Das Lehramtsstudium gehört komplett „umgekrempelt“ und am besten aus der Universität ausgekoppelt. Das Fachhichschulkonzept würde hier besser passen.

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  3. Maria Lodjn
    Maria Lodjn sagte:

    Jedes Wort unterschreibe ich! Die besten Zensuren haben jene, die sich am besten anpassen. Das ist jene Schulrealität, die mir meinen Beruf so unendlich schwer macht. Ich habe genau auf dieses System keine Lust mehr. Die, die sich nicht anpassen bleiben auf der Strecke. Die, die rebellieren werden jeden Tag aufs neue klein gemacht. Schule könnte so viel mehr sein.

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