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Als ich begonnen habe zu unterrichten, hat mich die Geschichte von Naela besonders berührt. Es hat ein wenig gedauert sie besser kennenzulernen, denn sie ist ein introvertiertes und schüchternes Mädchen. Naela kam immer zu meiner Nachmittagsaufsicht, obwohl sie nicht mal dafür angemeldet war, und bat mich, ob sie länger bleiben dürfe, denn ihre Eltern arbeiten beide in einem Restaurant und kommen erst um 22:00 Uhr nach Hause. Sie wollte einfach nicht länger zuhause alleine und einsam sein.

Genau das Problem erleben wir als Lehrkräfte in der NMS immer wieder und ich kenne viele solche Geschichten von Schüler*innen, die sich in ihrer Freizeit langweilen. Ihre Eltern arbeiten oftmals viel, so dass sie sich nur abends um ihre Kinder kümmern können. Ähnlich sieht es aus, wenn die Schüler*innen von ihren Ferien erzählen sollen. Sie haben meist wenig erlebt, erzählen von ähnlichen Abläufen und Langeweile. Während Jugendliche in den Wiener Gymnasien oftmals im Freizeitstress untergehen und vom Klavierunterricht zum Chor zum Tanzkurs hetzen, sieht es bei meinen Schüler*innen am Nachmittag leider anders aus. Die meisten chillen zuhause vor dem Smartphone oder treffen sich mit Freunden in Einkaufszentren oder auf der Straße. Es ist so weit gekommen, dass sie sich 2018 gegenseitig mit „Oida, bist du hobbylos?“ beschimpft haben.

Dazu kommt, dass 300.000 Kinder in Österreich armutsgefährdet sind, und, dass Freizeitkurse in der Regel mit hohen Kosten verbunden sind. Genau das trifft diese Kinder besonders stark. Die eigentliche Ungleichheit passiert außerhalb der Schulzeit, denn 50% der Tage im Jahr sind schulfrei und da ist die Freizeit am Nachmittag noch gar nicht mit eingerechnet! Wie man als Kind seine Freizeit verbringt, prägt stark. Wenn ich mich beim Sport auspowere, bin ich ausgeglichener, kann mich besser konzentrieren und bin lernfähiger. Arbeite ich bei einem Gruppenkunstwerk mit, lerne ich neben sozialen Kompetenzen wie Teamarbeit, Geduld und Einfühlsamkeit, auch kreative Prozesse in meinem Gehirn anzukurbeln.

Weil ich aber fest daran glaube, dass eine sinnvolle Freizeitgestaltung kein Privileg in unserer Gesellschaft sein darf, habe ich mit vier Kolleg*innen die Vienna Hobby Lobby gegründet. Wir bieten kostenlose Freizeitkurse im 10. Wiener Gemeindebezirk an. Wir sind überzeugt, dass jedes Kind ein Recht auf eine ausgeglichene und inspirierende Freizeit hat, egal wie viel Geld und Unterstützung die Familie aufbringen kann.

Copyright: Vienna Hobby Lobby

Naela hat im letzten Semester einen Yogakurs bei uns besucht und war sehr glücklich damit.

Anfang Oktober starteten wir wieder in eine neue Kursphase mit 12 verschiedenen Angeboten. Selbstverständlich wieder kostenlos, so dass Jugendliche wie Naela Zugang dazu haben.

Die Autorin war bis 2019 Lehrerin an einer NMS in Wien.

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