Lesezeit: 2 Minuten

Seien wir an dieser Stelle wieder einmal ein wenig ehrlich, liebe Lehrerkolleg*innen: Ein großer Teil unserer hoffnungsvollen Schüler*innen gehört der Spezies der Smartphone-Zombies an.

Positiv formuliert könnte man sagen, dass die Kinder und Jugendlichen „Digital Natives“ seien, die einfach die moderne Technologie mit einer Selbstverständlichkeit zu nutzen wissen, die uns Gruftnäheren nur sehr schwer zu eigen sein kann. Wir sind halt noch mit Münzfernsprechern, Postämtern, Pocketkameras, Kassettenrecordern und Bibliotheken aufgewachsen, nicht mit einem allzeit bereiten Minicomputer, der all dies und noch einiges mehr elegant zu ersetzen vermag.

Ein verschämtes Eingeständnis

Gar nicht wenigen von uns fehlt einfach die vielgepriesene digitale Kompetenz.

Das ist ein momentan verdächtig beliebtes Schlagwort, das zwar allgegenwärtig, aber für viele – auch Lehrer*innen – nur schwer fassbar erscheint. Was soll denn das nun sein?

Eine gängige Definition bezeichnet sie als den sicheren und kritischen Umgang mit den gesamten digitalen Technologien, die für die Information, Kommunikation und die Problemlösungsstrategien in allen Lebensbereichen genutzt werden.

Klingt anspruchsvoll, ist es auch.

Immerhin ist laut offiziellen Stellen die digitale Kompetenz von annähernd der Hälfte der EU-Bevölkerung auf einem unzureichenden Niveau. Und fast ein Viertel aller EU-Bürger nutzt das Internet überhaupt nicht.

So verwundert es auch nicht, dass der Terminus „digitale Kompetenz“ im Schulbereich zwar verordneterweise momentan in aller Munde ist, aber in so manchen Lehrer*innenzimmern entweder für

  1. verhaltenen Zuspruch,
  2. ratloses Kopfschütteln oder
  3. beamtentypisches Ignorieren sorgt.

Auch Mischformen können von aufmerksamen Beobachter*innen beobachtungsweise beobachtet werden. Nur frenetische Begeisterungsstürme bleiben aus.

Doch wieso?

Wohl wahrscheinlich deshalb, weil ein großer Teil von uns pädagogisch Tätigen sich die digitale Welt einstmals mehr oder minder mühsam selbst erarbeiten hat müssen. Viele von uns sind ja noch vollkommen analog groß geworden.

Das Digitalste, das wir in jungen Jahren haben erleben dürfen, sind unsere Uhren gewesen. Sie wissen schon, die mit den monochromen LCD-Anzeigen.

Für manche von uns ist das Internet bis heute ein etwas unheimlicher Raum voller krimineller Machenschaften und pornografischer Versuchungen. Dass hier auch so etwas wie sinnvolle Kommunikation oder wirklicher Wissenserwerb stattfinden kann, scheint uns nicht auf den ersten Blick ersichtlich.

Manche von uns Lehrmumien sind der Meinung, die heutigen Kinder würden das Denken in Zusammenhängen verlernen, weil sie nur noch hektisch tippen, klicken und wischen, ohne länger gedanklich bei einer Sache zu bleiben. Statt einem sorgfältig aufbereiteten Wissensmenü mit allen notwendigen Gängen bekämen sie ja ständig nur noch zusammenhanglose Informationskrümel serviert. Verflucht sei Tante Google!

Gefahr und Chance

Auch wenn das alles recht pessimistisch klingt, es steckt tatsächlich ein Körnchen Wahrheit darin. Eine umfangreiche deutsche Studie aus dem Jahr 2017 macht etwa deutlich, dass bei täglicher Smartphone-Nutzung das Risiko von Konzentrationsstörungen bei Acht- bis Dreizehnjährigen sechsmal höher als üblich ist. Trotzdem denke ich, dass es lebensfern und daher falsch wäre, unsere Schüler*innen krampfhaft von den neuen Technologien fernzuhalten.

Wichtig wäre, ihnen beizubringen, wie sie das Internet auf verlässliche Informationen hin durchsuchen können.

Wichtig wäre, ihnen die Werkzeuge in die Hand zu geben, die sie befähigen, Wissen von Propaganda zu unterscheiden.

Wichtig wäre, sie zu kritischen und selbstständig denkenden Menschen zu erziehen. Wenn die Erziehung zu digitaler Kompetenz genau dies bedeutet, so halte ich sie für tatsächlich essentiell und unbedingt vermittelnswert.

Sollte es allerdings lediglich bedeuten, unsere Schüler*innen dazu auszubilden, das Werkzeug Computer im Dienste ihrer zukünftigen Arbeitgeber*innen möglichst produktiv einzusetzen, so halte ich dies für zu kurz gedacht.

Willfährige Bildschirmsklav*innen zu produzieren, läge mir nämlich fern. Sehr, sehr fern.

Der Autor ist Lehrer an einer NMS in Niederösterreich.

1 Kommentar
  1. Brigitta Mayr
    Brigitta Mayr sagte:

    Danke für diesen Beitrag! Spitze analysiert. Unsere Kinder müssen Dinge be- und angreifen können, damit sie sich in ihren Synapsen im Hirn zu Erfahrungen verbinden können. Wischen bringt da leider nix.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert