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Zu Beginn des Schuljahres wurde erneut eine beträchtliche Kritik hinsichtlich des Lehrkräftemangels an österreichischen Bildungseinrichtungen laut, wobei der vermehrte Einsatz von Studierenden im Lehramtsstudium sowie Quereinsteigenden als notwendig erachtet wurde. Trotz der unmittelbaren Relevanz dieser Thematik für mich als Studierende im dritten Semester des Lehramts, soll der vorliegende Beitrag nicht allein auf diese Angelegenheit fokussieren. Mein Wissen, dass mich ein frühzeitiger Berufseinstieg durchaus treffen kann, hat mich dazu motiviert, außerhalb meines Orientierungspraktikums in diesem Semester praktische Erfahrungen zu sammeln und meine pädagogische Praxis zu vertiefen. Seit September arbeite ich als Deutsch-Lernbegleiterin an der VHS im Rahmen der Wiener Lernhilfe und erwerbe sowohl dort als auch während meines Praktikums im Rahmen meines Studiums (an einer Polytechnischen Schule) Erfahrungen sowie Einsichten, die ich im Folgenden gerne beschreiben möchte. Damit will ich nicht nur zeigen, welche Herausforderungen neue Lehrkräfte (meistens allein) bewältigen müssen, sondern will auch darauf hinweisen, welche positiven Seiten das Lehrer-Dasein hat und wie liebenswert diese Berufung wirklich ist. 

Das erste Mal keine Schülerin mehr 

Meine Studienkollegin und ich betreten also die Schule. Ein bisschen unbeholfen komme ich mir schon vor. Aber ich bin froh, wenigstens nicht allein zu sein. Wir lernen unsere Mentorin kennen. Sie ist jung, Deutsch und Biologie-Lehrerin, und wir verstehen uns sehr gut. Das erleichtert schon mal viel und lindert die erste Nervosität ein bisschen.
Thema der ersten Stunde: Bewerbungsschreiben. Noch während ich in der Klasse sitze, überlege ich mir schon einmal eine grobe Konzeption, wie meine erste Stunde zu diesem Thema ausschauen würde. Auch wenn sich der Gedanke daran, vor der Klasse zu stehen, doch noch recht fremd anfühlt. Die Stunde verläuft ruhig, die Schüler:innen fallen nicht „unangenehm“ auf, die Lehrkraft unterrichtet. Nur eine Sache verwundert mich: Eine Schülerin, die die ganze Stunde nur am Tisch den Kopf in die Hände gestützt da liegt, wird kein einziges Mal darauf angesprochen. Sollte man sie nicht wenigstens darauf aufmerksam machen? Die Erklärung, die von meiner Mentorin danach erfolgt, macht mir gleich einmal bewusst, dass ein dickes Fell in diesem Beruf sicher nicht schadet. Die Schülerin hat Probleme mit ihrer psychischen Gesundheit. Die Eltern wissen Bescheid, die Schulpsychologin ist eingeschaltet und anscheinend bekommt das Mädchen angemessene Hilfe. Nur unsere Mentorin scheint als Lehrkraft doch recht hilflos zu sein. Damit zweifle ich nicht ihre Fähigkeiten als Lehrkraft an, sondern schlichtweg das Fehlen von Möglichkeiten, wie man helfen könnte. Man versucht das Mädchen zwar so gut es geht in den Unterricht miteinzubeziehen, ermöglicht ihr, die Aufgabenstellungen allein zu bearbeiten, um ihr das Lernen zu erleichtern. Und so kann man wenigstens das Schulische ein wenig vereinfachen. Nur bei ihrem Problem richtig zu helfen, entpuppt sich als ziemlich schwierig.
Vielleicht liegt es daran, dass ich in meiner Schulzeit mit solchen Problemen nicht konfrontiert war und daher in Bezug auf dieses Thema sehr naiv in die Praxis gestartet bin. Aber zu sehen, dass man als Lehrkraft ab einem gewissen Punkt doch relativ machtlos ist, hat mir einen kleinen Dämpfer versetzt. Sicher auch meiner Naivität verschuldet, hatte ich viele Schattenseiten, oder vielleicht auch einfach „nur“ alltägliche Hürden die mir als Lehrkraft begegnen können, nicht so sehr im Blick. Noch die ganze Woche nach diesem Vorfall, habe ich mir die Frage gestellt, warum man nicht mehr tun kann und warum man vielleicht auch nicht jedem helfen kann. Selbst wenn man das gern würde. Meine Praxis in dieser Schule und auch andere Vorfälle in den VHS-Kursen, die ich jetzt hier nicht alle vorhabe zu schildern, haben den dünnen Schleier, der doch noch die „theoretische Schule“ von der „realen Schule“ getrennt hatte, verblassen lassen. Und das ist auch gut so. Jetzt gilt es nur zu lernen, diese Hürden zu überwinden und Wege zu finden, am besten damit umzugehen. 

Auch erste gute Erfolge

Aber zum Glück hat mir meine bisherige Praxis nicht nur ihre Schattenseiten der Schule gezeigt, sondern vor allem auch die schönen. Besonders in den Deutsch-Kursen der VHS die ich leite, zeigt sich oft, dass sich die Bemühungen der Schüler:innen und auch meine, fast immer bezahlt machen:
Die erste Stunde meines Kurses ist vorbei. Und ich fühle mich nur eins: überfordert und unsicher. Ich habe vor allem Zweifel daran, ob meine Erklärungen für die Schüler:innen auch verständlich und angemessen waren. Entsprechen die Übungen überhaupt dem Lehrplan? Was verlangt der Lehrplan eigentlich? In welcher Schulstufe schreibt man jetzt noch einmal einen Bericht?
Ich gab mir Mühe die Materialien und Übungen so aufzubereiten, dass sie für die Kinder und Jugendlichen angemessen waren. Und trotzdem hinterfragte ich jedes Mal, ob meine Vorbereitung passt, die Übungen machbar sind und vor allem, ob sie den Schüler:innen helfen. Aber die Unsicherheit schwindet nach der Zeit. Man lernt nicht nur die Kinder besser kennen, sondern auch sich selbst und den eigenen Lehrstil. Und nach ein paar Wochen bekam ich die erste Bestätigung, dass sich mein Einsatz bezahlt macht:
An einem Donnerstag kam ein Junge, mit dem ich die Wochen zuvor für seine Deutsch-Schularbeit gelernt hatte, grinsend in meinen Kurs. Ich war noch mit einer anderen Schülerin beschäftigt, erklärte ihr die Übung zu Ende und sah erst dann auf. Der Junge grinste mich noch immer an und sagte: „Frau Lehrerin, die Schularbeit ist ein Zweier!“. Den Tag konnte mir so schnell keiner mehr vermiesen! Ich begann auch zu Grinsen, lobte ihn und gratulierte ihm zu seiner Note. Das erste Mal zu hören, dass sich nicht nur meine Bemühungen, sondern vor allem die der Schüler:innen auszahlen hat mir gezeigt, wie schön es ist, stolz auf deren Erfolge zu sein. Denn wenn man früher die eignen Erfolge bei Prüfungen in der Schule gefeiert hat, feiert man jetzt die der Kinder. Obwohl ich auch, und das denke ich auch zurecht, stolz auf mich war. Ich hatte ihm ein Stück weit weitergeholfen, da hinzukommen, wo er hinmöchte. Und das, obwohl zu Beginn so viel Unsicherheit in meinem Handeln lag. Und genau das ist es, was ich unter „Lehrer:in-Sein“ verstehe. Den Kindern eine Stütze zu sein und bei Hürden weiterzuhelfen. 

Und jetzt? 

Nun selbst Einblicke in die Schulen und das Arbeiten mit Schüler:innen zu bekommen, zeigt mir nicht nur, dass ich den richtigen Beruf für mich gewählt habe, sondern auch, welche Herausforderungen noch auf mich zukommen werden. Nun einen ungefilterten Blick hinein werfen zu können, lässt mich nicht nur den Job noch mehr lieben, sondern zeigt mir auch, dass ich noch viel zu lernen habe. Nicht nur im Studium, sondern auch bei meinen Praktika heißt es beobachten, reflektieren, ausprobieren und verbessern. Auch wenn meine ersten Einheiten in der Schule ziemlich gut verlaufen sind, (dazu in einem folgenden Beitrag mehr) habe ich auch Dinge erkannt, die ich zuvor nicht so im Blick hatte, die es aber auch noch zu überwinden gilt. Wie mir das gelingen mag und wie’s mir dabei geht, wird sich noch zeigen. Ich werde auf alle Fälle berichten! Nur, was ich jetzt schon mal sagen kann: Das Lächeln der Kinder zu sehen, wenn sie Erfolge feiern, übertrifft eindeutig die schwierigeren Dinge!

Anna Lemmerer ist Autorin bei Schulgschichtn und Lehramtsstudentin im dritten Semester.

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Schule als ein zentraler Ort der Sozialisation und Wissensvermittlung trägt maßgeblich zur Bewusstseins- und Wissensbildung von Kindern bei. Zudem ist sie neben den Bezugspersonen und den Peer-Groups die wichtigste Quelle für sexuelle Aufklärung. Angesichts der Autorität der Schule und der Lehrer:innen verfügen die ausgewählten Lernmittel zur Wissensvermittlung und (sexuellen) Aufklärung nicht nur über mehr Gehör, sondern auch über mehr Gewicht. Wie Lehrer:innen über geschlechtliche und sexuelle Norm(alität) sprechen hat daher hohe soziale Wirkmacht und Normalisierungsgrad.

Hier setzt der vorliegende Beitrag an. Er versteht sich als ein Appell für eine queere Pädagogik, die mit Ungewissheit und Heterogenität umzugehen weiß und fähig ist, sexuelle und geschlechtliche Subjektivität als unabgeschlossenen und selbstbestimmten Prozess zu begreifen. Die Würde und die Selbstbestimmung des Menschen und der Diskriminierungsschutz sind die leitenden Grundprinzipien des vorliegenden Beitrags.

Der Philosoph Paul B. Preciado bezeichnet Schule als ersten Ort, an welchem Kinder zu sagen lernten, wir, die Jungen, seien nicht wie sie, die Mädchen. Die binäre Vergeschlechtlichung verfestige sich durch die an der Schule dominante Sprache, die Sprache der „heimlichen und dumpfen Gewalt der Norm“. Ihrem Anschein nach asexuell und neutral, habe sich die Schule als Disziplinaranstalt der Normalisierung von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität verschrieben. Paul B. Preciado hat die Auffassung, dass in Bildungseinrichtungen daher Vorkehrungen getroffen werden müssten, die der „konstitutive(n) Beziehung zwischen Pädagogik, Gewalt und Normalität“ ein Ende setzen.

Das teile ich. Daher schlage ich mit Paul B. Preciado vor, der Einzigartigkeit und der Vielfalt menschlicher Existenz und Körper mehr pädagogische Beachtung zu schenken. Dafür schlage ich eine queere Pädagogik vor, die von folgenden Annahmen geleitet ist.

Die Annahme der Zweigeschlechtlichkeit als Naturtatsache bildet den vermutlich härtesten Stabilitätskern des Alltagswissen. Queere Literaturdidaktik rüttelt über die Textwahl und Aufbereitung eben daran. Dadurch öffnet sie Denk- und Vorstellräume, um über den eignen Körper, über Zugehörigkeiten und eigene sowie fremde Kategorisierungen und Erwartungshaltungen zu reflektieren. Sie beleuchtet das Nichtgesagte der Aufforderung: „Sei du selbst“, wo stets der Anhang verschwiegen wird, dass du nur du selbst sein kannst, solange du dich innerhalb der sozialen Normen von „männlich“ und „weiblich“ bewegst. Verlässt du sie, bist du schnell „zu viel“ bzw. nicht intelligibel. Vermittelst verschiedener sozialer Ächtungsmethoden werden queere Menschen diszipliniert. Sie erfahren für das ausgelöste Unwohlsein von Beschämung bis hin zu (tödlicher) Gewalt alles. Statt sich ihrem eigenen Unwohlsein zu stellen, projizieren verunsicherte Menschen ihre ausgelöste Angst und Wut auf die auslösende Person.

Bauen Menschen ihre Geschlechtsidentität überwiegend auf der sozialen Identität/Kategorie „Mann“/“Frau“ auf, fühlen sie sich durch queere Menschen in ihrem Selbstverständnis als „Mann“ verunsichert bis hin zu bedroht. Diese subjektive Wahrnehmung von Bedrohung ruft Vorurteile und diskriminierendes Verhalten hervor, selbst wenn sich die wahrgenommene Bedrohung allein auf symbolische Ressourcen wie Normen, Werte oder Moralvorstellung bezieht. Nicht-geschlechterkonforme Menschen widersprechen der Heteronormativität. Ergo irritieren sie traditionelle Normen. Je stärker nun die Bedrohung der eigenen Gruppe wahrgenommen wird, desto negativer die Einstellungen und das Verhalten. Eine starke Selbstkategorisierung als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe (z.B.: „Mann“) kann zu einer De-Personalisierung führen. Dabei wird das eigene Verhalten nicht mehr durch individuelle Normen und Werte, sondern überwiegend durch Normen und Werte der Gruppe geleitet. Unterschiede in der eigenen Gruppe werden geringer gemacht, wohingegen Unterschiede zur anderen Gruppe als stark wahrgenommen werden. So kann ein Kind selbst unter Ausgrenzung und Beschämung leiden, in einer subjektiven Bedrohungswahrnehmung dennoch selbst an Beschämung und anderen Gewaltformen beteiligt sein. Die teils paranoische Bedrohungsagitation verdeutlicht in meinen Augen, eine größere Verhaftung innerhalb der sozialen als der persönlichen Identität.

Gleichwohl offenbart sie die Fragilität und Zerbrechlichkeit sozialer Normen. Geschlechtsidentität offenbart sich als komplexe Inszenierung, die einer immerwährenden Wiederholung, eines ständigen Zitierens ihrer selbst bedarf. Sie ist als soziales Normierungsverfahren (Kategorisierung) aufzufassen, die lediglich produziert, was sie deklariert. Nichtsdestotrotz ist unsere Existenz an soziale Normen gekoppelt, weil wir ohne Anerkennung nicht zu existieren vermögen und so auf eine Selbstverhaftung an soziale Normen angewiesen sind. Normen haben in sich die Unmöglichkeit des Erfüllens eingeschrieben. Sie sind für jede:n unerreichbar. Setzen wir uns mit der Norm(alität) in Bezug, so bemerken wir schnell, dass ihre Annahmen in unterschiedlichster Art und Weise auf uns zu treffen. Anders gesagt: Die Annahme eine klare Zuordnung, wann ein „Mann“ ein „Mann“ und eine „Frau“ eine „Frau“ sei, ist nicht so einfach zu treffen, wie oft behauptet wird. Genitalien, Muskeln, Haare, Hormonstatus, Körper im Allgemeinen treten in vielfältigen Variationen auf. Geschlecht wird im Alltagsverständnis unterschätzt, denn Geschlecht ist nicht binär. Unsere Vorstellung von einer einfachen, unstrittigen Einteilung in Mann und Frau ist schlichtweg falsch. Genauso wie die Annahme das Genital allein sei für die Geschlechtsidentität ausschlaggebend. Es gibt über 2000 intergeschlechtliche Variationen, die häufig bis ins höhere Alter oder das ganze Leben unentdeckt bleiben können. Körper sind einzigartig und Geschlecht ein Kontinuum und somit hat Geschlecht mehr Schattierungen, als die schwarz-weiße Malerei behaupten möchte. Abschließend möge folgendes Zitat als Anregung dienlich sein: „Definitionen definieren denjenigen, der definiert, nicht diejenigen, die definiert werden.“

Eine queere Pädagogik eröffnet die Möglichkeit darüber ins Reden zu kommen. Sie stellt Kreativität vor Normativität und ermutigt Kindern selbstbestimmtes Handeln und Denken. Indem sie sich mit sozialen und familiären Erwartungshaltungen sowie sozialen Kategorisierungen auseinandersetzt, ermöglicht sie Geschlechtszugehörigkeiten nicht länger als Körperdeterminiert anzusehen, sondern die normative Kausalitätskette Köper – Geschlecht – Begehren aufzulösen. Sie dekonstruiert den Glauben, dass es nur die Opposition „Mann“ und „Frau“ gäbe, dass „Männlichkeit“ nur für „Männer“ und „Weiblichkeit“ nur für „Frauen“ wäre und dass dies die einzigen Optionen für Selbstausdruck und Selbstverständnis wären.

Queere Pädagogik ist von der Frage geleitet, ob jede:jeder wirklich sie:er selbst sein darf? Sie möchte der Angst vor dem Unbekannten, dem Komplexen und der menschlichen Vielfalt mit Kraft und Zuversicht begegnen. Denn das Unbekannte stellt das, was wir über uns zu wissen glauben, immer wieder in Frage. Das ist gut, weil es Selbstreflexivität und Offenheit gegenüber Transformationen fördert. Und das sollte etwas zum Feiern und nicht zum Fürchten sein. Dadurch verhelfen wir Kindern eine starke, selbstkritische und vorurteilsbewusste persönliche Identität aufzubauen, die sich an der Würde jedes Menschen, der Selbstbestimmtheit und dem Diskriminierungsverbot orientieren.

Jonathan Herkommer

 

Quellen:

Paul B. Preciado. Ein Apartment auf dem Uranus. Berlin 2020. S. 196. und S. 198

 Vgl.Daniel Geschke. Vorurteile, Differenzierung und Diskriminierung – sozialpsychologische Erklärungsansätze. 16.04.2012. bpb.de (https://t1p.de/egx6e)

 Vgl. Alok Vaid-Menon. Beyond The Gender Binary. New York 2020. 17-36.

 Francesca Melandri. Alle außer mir. Berlin 2018. S. 285.

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Ich habe letztes Jahr mit meinem Lehramtstudium begonnen, weil ich Lehrerin werden will. Und weil ich mir sicher bin, diese Aufgabe gut meistern zu können. Irgendwie klar, sonst hätte ich das Studium ja auch nicht gewählt. Trotzdem will ich bestmöglich auf meine spätere Aufgabe vorbereitet werden, um dann dieser auch gewachsen zu sein. Vorab: Ja, ich bin erst im zweiten Semester und stehe vor meinem ersten Praktikum des Studiums. Doch ganz ehrlich? Unserem Lehrplan und dem Feedback der „frisch fertig gewordenen“ Lehrer:innen zufolge, bezweifle ich immer mehr, nach dem Studium dieser Aufgabe auch gewachsen zu sein. 

Was ist das Problem?

Stellt man mir die Frage, ob ich mir vorstellen kann, später einmal Lehrerin zu werden, lautet meine Antwort definitiv JA. Fragt man mich aber, ob ich glaube, nach meinem Studium dieser Herausforderung gewachsen zu sein, muss ich widerwillig mit NEIN antworten. Ja, ich stehe erst ganz am Anfang meines Studiums, und vielleicht ändert sich meine Meinung diesbezüglich auch noch. Und klar, ich habe noch zu wenige Erfahrungen und Skills, die mich in meinen Ausübungen sicher fühlen lassen. Nur stehen die Aussichten, diese wichtige praktische Erfahrung in den nächsten Jahren auch wirklich zu sammeln, ziemlich schlecht. 

Allein in meinem vier-jährigen Bachelorstudium – das mich berechtigt in einer Unterstufe zu unterrichten – habe ich insgesamt nur drei Praktika. Zusätzlich dazu pro Semester maximal zwei Vorlesungen oder Seminare zu bildungswissenschaftlichen und pädagogischen Themen, und fast keinerlei praktische Erfahrungen. Allein in den ersten zwei Semestern steht ein:e Lehramt-Student:in keine einzige Stunde vor einer Klasse oder kann durch andere praktische Prüfungen seine:ihre Fertigkeiten erweitern. Die ein bis zwei Vorlesungen mit bildungstheoretischem Inhalt sind zudem nicht mal anwesenheitspflichtig und werden von Studierenden meisten auf Gut-Glück mit Zusammenfassungen-Lernen geschrieben. Also auch nicht sonderlich weltbewegend. 

Ich stelle mich also nach vier Jahren Studium und einem Bachelor of Education vor eine sechste Klasse: Ich kann ihnen bildungshistorische Grundlagen erklären, erzählen welche verschiedenen Entwicklungsstufen ein Mensch durchgehen muss und wer in welchem Jahrhundert welche Bildungstheorie aufgestellt hat. Ich weiß aber nicht, wie ich mit gesellschaftskritischen Themen umgehe, geschweige denn weiß ich, wie ich mit verhaltensauffälligen Kindern & Jugendlichen zurechtkomme (von Dingen wie Diskriminierung oder Rassismus ganz zu schweigen). Ich muss mich also wirklich fragen, ob ich nach einem vierjährigem Lehramt-Studium wirklich qualifiziert dazu bin, eine Klasse zu unterrichten.
Kommen dann noch Faktoren wie Multikulturalität, fachfremder Unterricht, keinerlei Vorerfahrungen, Teamteaching und viel zu wenig grundlegendes didaktischen Wissen hinzu, kann ich es Kolleg:innen nicht verdenken, wenn sie überfordert sind. 

Das Problem mit den Lehrinhalten 

Damit will ich gar nicht sagen, dass bildungshistorische Lehrveranstaltungen oder psychologische Grundlagen unwichtig für unser Studium sind. Im Gegenteil, um später praktisch richtig, oder zumindest angemessen, handeln zu können, sind theoretische Grundlagen sehr essenziell. Aber nur dann, wenn andere, zeitgemäße Umstände auch behandelt und gelehrt werden. Denn was bringt es mir für einen Vorteil, zu wissen wie viele verschiedene Kompetenzmodelle es gibt und wie ich richtige Unterrichtsforschung betreibe, wenn ich mit z.B. Mehrsprachigkeit in Klassen nicht umgehen kann? Das bringt mir einzig und allein Vorteile bei den Prüfungen an der Uni, aber sicher nicht später beim Unterrichten. 

Das Ganze mal aus einer anderen Perspektive betrachtet: Stellt man das Verhältnis von bildungswissenschaftlichen und fachspezifischen Lehrveranstaltungen in einem Semester, oder des ganzen Studiums, gegenüber, lässt sich eine eindeutige Tendenz in die fachspezifischen Bereiche erkennen. Von ca. zehn Lehrveranstaltungen in einem Semester sind mindestens acht davon fächerspezifisch zuordenbar. Und davon sind viele nicht mal mit ein bisschen didaktischem Wissen verknüpft. Und dabei ist klar, dass man, um Lehrinhalte vermitteln zu können, auch über Wissen in diesem Gebiet verfügen muss. Nur wenn ich nicht lerne, wie dieses Wissen richtig vermittelt werden kann, bringt mir meine umfassende Ausbildung als Lehrkraft auch recht wenig. 

Was ist also nötig? 

Mehr Praxis! Mehr didaktische, aktuelle Lehrveranstaltungen und bessere Bedingungen! 

Wenn doch schon seit Jahren Lehrer:innenmangel herrscht, darf man doch das Lehramtstudium nicht noch unattraktiver gestalten. Es gehören mehr Praktika in die Curricula (Lehrpläne) mit zusätzlichen Fokus auf mehr (auch gerne fachspezifisches) didaktisches Wissen. Es darf nicht einfacher und meistens auch besser sein, als Quereinsteiger:in zum Lehrberuf zu kommen. Es mangelt nicht an den motivierten Menschen. Sondern an den Umständen des Lehrer:innenalltags. 

Die Infrastrukturen des Studiums sollten also nicht nur die Student:innen bei ihrem Studium unterstützen, sondern auch beim den oft schon möglichen Unterrichten nebenbei. Angehenden Lehrer:innen das Unterrichten neben dem Studium durch unvorteilhaft koordinierte Curricula zu erschweren, ist aufgrund des bestehenden Lehrer:innenmangels sicher auch nicht im Sinne der Bundesregierung. 

Ich wünsche mir wenigstens den Versuch, mehr auf die späteren Aufgaben zu achten und auf dem basierend das Curriculum aufzubauen. Und an alle die gerade in derselben Lage wie ich stecken: Ich hoffe, euch liegt dieser Beruf genau so sehr am Herzen, und ihr versucht, genau diesen wieder attraktiver werden zu lassen.

Anna Lemmerer ist Lehramtsstudentin und Praktikantin bei Schulgschichtn

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Ein Gespenst geht um in der Bildungslandschaft… und nennt sich ChatGPT, you.com oder Bard – die Rede ist von KI, von künstlicher Intelligenz und ob, wenn es sie jetzt gibt, wir überhaupt noch Lehrer:innen brauchen. Wahr ist, dass dieser Chatbot alles (?) schneller und besser kann als wir. Wahr ist auch, dass er weniger Fehler macht und vor allem objektiv ist – er oder sie kann ja weder Emotionen noch Präferenzen haben – das ist der „künstlichen“ Seite inhärent. Im Positiven wie im Negativen. Was er/sie nicht kann: Kinder beaufsichtigen, empathisch agieren, Klassenklima erfassen und entsprechend handeln, … aber zurück zu den Vorteilen:

Ja, er oder sie schwächelt noch etwas, wenn es um Quellenangaben geht und auch ist seine/ihre mathematische Kompetenz etwas fragwürdig. Wörter zählen und so gelten noch nicht als seine/ihre Stärken. Was er oder sie aber kann, das ist auf das Wissen von mehreren Terabyte an Texten zugreifen – und das in einer Geschwindigkeit, die uns nur staunen lässt. Vor allem in der neuen Payversion, die es seit letzter Woche um 20€/Monat gibt. 

Was ist also zu tun? Verbieten wir das Zeug, weil wir es nicht kontrollieren können? Dies war ein Ansatz in New York. Er war ähnlich erfolgreich wie die Prohibition von 1920. 

Bitten wir die Schüler:innen, es einfach nicht zu nutzen, weil wir haben es ja auch ohne geschafft und wer braucht schon so neumodernes Dings? 

Oder hoffen wir einfach stillschweigend, dass sie nichts davon erfahren und es wenn, es dann eh nicht bedienen könnten? 

Als ich 2009 meinen Segelschein machte, gab es schon die ersten GPS Navigationsgeräte, die für den privaten Gebrauch erschwinglich und bedienbar waren. Nun gab es auch hier die Diskussion: Sind diese für die Prüfung erlaubt? Oder Navigieren wir lieber mit Sternen, Karten und Zirkeln?

Die Regel war einfach: Alles, was an Bord ist kann und muss verwendet werden! Und so ist es auch im Bildungswesen: Alles, was es im „normalen Leben“ gibt, muss, kann und soll auch in der Schule verwendet werden. Das ist die Essenz unseres Bildungsauftrages. 

Ja, ChatGPT erleichtert das Unterrichten ungemein. Ich kann schnell Stundenplanungen erstellen lassen, Texte differenzieren, Schüler:innenarbeiten korrigieren und mit Kommentaren versehen. Ich kann in kürzester Zeit Motivationsschreiben erstellen lassen – für die ca. 100 Bewerbungen, die meine SuS in der 4. Klasse schreiben müssen, und auf die sie möglicherweise nur drei Einladungen erhalten. Ich kann individualisiertes Feedback schreiben lassen und muss hierzu nur wenige Wörter für einen sinnenhaften „Promt“ verwenden. Ganz ehrlich – ich wäre schön doof, wenn ich dies nicht nutzte. Meine Herausforderung: Wie stelle ich Aufgaben – in einer rein outputorientierten Lernumgebung – die diese KI nicht für die SuS lösen kann?

Ganz einfach: Ich beziehe die Kinder in den Arbeitsprozess mit ein. Nehmen wir das Fach Mathematik: Ich stelle verschiedenen Aufgaben. Manche löst die KI korrekt, bei anderen rechnet sie/er weniger korrekt. Die Kinder müssen nun herausfinden, welche richtig sind und welche falsch. Wie kommt die KI zu den falschen Lösungen? Im Bereich Sprachen: Wir schreiben eine Inhaltsangabe zu einer Kurzgeschichte, welche wir im Unterricht gelesen haben. Die Kinder erstellen zu Hause eine Lösung mit der KI. Dann vergleichen wir. Übernehmen die guten Formulierungen. Erstellen gemeinsam eine „perfekte“ Variante. Wir lassen den Text in andere Sprachen übersetzen und schauen uns mögliche Übersetzungsfehler an. Wir lassen uns Outlines für Erörterungen erstellen, die wir dann in der Stunde anhand dieser in Textform verfassen. Wir suchen nach den richtigen Quellenangaben, überprüfen von der KI erstellte Texte auf Richtigkeit. Das bedeutet aber, dass wir uns mit dem Thema gut auskennen sollten! Wir versuchen Fake News aufzudecken und zu erkennen, ob Texte nur abgeschrieben wurden. Dann lassen wir sie mit verschiedenen Stimmen vorlesen und drehen ein Video dazu. Wir ändern Schreibstil und Adressaten. Wir lassen eine KI Bilder dazu kreieren und malen dann im Kunstunterricht selbst welche zu diesem Thema. Wir erstellen Rollenspiele und fächerübergreifende Projektarbeiten, die wir dann mit den SuS durchführen. 

Nein, der Weg ist nicht das Verbot, der Weg ist auch nicht das Ignorieren neuer Technologien – die genau genommen so neu auch nicht mehr sind. Der Weg in einer digitalen Gesellschaft ist, die Kinder auf deren Möglichkeiten und Gefahren hinzuweisen. Auch das ist nicht neu. 

Ja, wir alle navigieren mit Google Maps – aber fahren wir nach links, wenn die Brücke, die dort mal stand, offensichtlich zusammengebrochen ist? 

Zurück zu meinem Segelschein. Wir verwendeten also die Karte, verglichen diese mit dem GPS Gerät – und fuhren dennoch fast auf eine Insel! Wie wir das verhinderten? Wir sind an Deck gegangen und haben nach Vorne geschaut. Und da lag sie. Die Insel. Deutlich sichtbar im Mondschein. Das GPS war auf einen zu kleinen Maßstab eingestellt, weswegen wir sie nicht rechtzeitig sahen. Bei der Karte hatten wir uns um einen Millimeter verrechnet. 

Nein, wir fuhren nicht dagegen. Wir legten den Rückwärtsgang ein – Aufstoppen nennt man das in der Segelsprache – und brachten das Schiff kurz vor der Kollision zum Stehen. 

Versuchen wir dies doch auch in der Bildungslandschaft. Mit Augenmaß und der nötigen Vernunft. Und ja, manchmal muss man rückwärtsfahren, um vorwärts zu kommen. Aber nach Vorne schauen – das hilft immer!

Franziska Haberler, Lehrerin an der MS Staudingergasse und lörn.at Autorin, die neue digitale Bildungsplattform (es gibt hier auch einen ChatGPT Kurs für Einsteiger:innen)

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Neuer Tag, neues Glück denke ich mir, als ich durch das Schultor trete. Ich gehe direkt ins Lehrer:innenzimmer, der kleinen paradiesischen Insel mitten im stressigen Schulalltag – sollte man meinen – und lausche einem Gespräch zwischen zwei Kolleginnen.  „Und stell dir vor, besitzt der doch tatsächlich die Frechheit, nicht mal zu grüßen. Wo kommen wir da hin?“ „Ja, die Kinder werden immer frecher, nicht mal die normalsten Dinge kann man mehr erwarten“, folgt sogleich die Erwiderung. Noch etwas müde höre ich zu und mein noch nicht ganz einsatzfähiges Gehirn versucht zu erkennen, was gerade das Problem ist. Ah, M. war anscheinend kurze Augenblicke davor an meiner Kollegin vorbeigegangen, ohne guten Morgen zu sagen, was ihm offenbar als Kapitalverbrechen angerechnet und als absolute Verrohung der Jugend gewertet wird. 

„Vielleicht war er einfach noch müde?!“, merke ich an. „Tz, müde, der hat mich direkt angeschaut und ist einfach weitergegangen.“ Ein Gedanke schießt mir ein und mein immer noch schläfriges Gehirn gibt leider zu schnell die Freigabe zu sprechen: „Wenn es dir so wichtig ist, hättest du doch auch zuerst grüßen können.“ Stille, gespenstische Stille. 

Okay, großer Fehler, bemerke ich schnell, als ich die entsetzten Blicke meines Gegenübers spüre. Zuerst grüßen, einen Schüler, geht anscheinend gar nicht. Schnell verzupfe ich mich, die bohrenden Blicke meiner Kolleginnen im Rücken und gehe in meine Klasse. 

Das Gespräch beschäftigt mich weiterhin. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass es eine gottgegebene „Grüßordnung“ gibt, dass es unabdingbar ist, dass meine Schüler:innen mich zuerst grüßen müssen. Oft kommt mir ein freudiges „Guten Morgen“ schon von Weitem entgegen, manchmal grüße ich einfach zuerst, weil mich das Kind nicht gesehen hat und manchmal gibt es auch Situationen, in denen ich eine freundliche Begrüßung von mir gebe, aber überhaupt nichts zurückkommt. Ich habe nie hinterfragt, dass das eine böse Absicht oder gar Respektlosigkeit sein könnte. Meine Gedanken zu dem Thema werden durch das Läuten gestoppt, der Tag beginnt. 

„Du bist doch schon was. Du bist Türke.“

Wir haben einen Workshop zum Thema Rassismus und Mehrsprachigkeit. Ein sehr wichtiges Thema wie ich finde, gerade bei unseren Kindern, die mit ihren 13-14 Jahren schon unzählige rassistische Erfahrungen in ihrem Alltag machen mussten. In ihrem Alltag, so dachte ich bis jetzt, also nach der Schule, in ihrer Freizeit. Nach und nach kommen aber auch Geschichten aus der Schule ans Licht. 

Der Workshopleiter erklärt den Unterschied zwischen Rassismus und rassistischen Äußerungen, erklärt, dass jeder von uns sich rassistisch äußern kann und noch lange kein Rassist sein muss. Meine Schüler:innen nennen keine Namen und ich merke wie ich mich verkrampfe, weil ich Angst habe, dass auch mir vielleicht einmal eine rassistische Äußerung herausgerutscht sein könnte. Die Kinder hören gespannt zu, immer wieder kommen Geschichten von ihnen. „Meine Volksschullehrerin hat mich damals die Schulordnung schreiben lassen, weil ich mit meiner Freundin auf Türkisch geredet habe“, erzählt I. „Zu mir hat mal ein Lehrer gesagt, dass so wie ich Deutsch rede, nie was aus mir wird. Geht gar nicht!“ „Aber du bist doch schon was, du bist Türke Bro!“ Der Bro lächelt stolz. 

Bei all den Erzählungen spüre ich ein drückendes Gefühl auf der Brust. Wie klein sie sich oft fühlen müssen, wie verletzend Sprache sein kann, gerade von uns als Lehrpersonen. Eine unbedachte Äußerung, die beim Gegenüber aber tiefe Spuren hinterlässt. 

Ich biete an, den Workshop zu verlassen, damit die Kinder wirklich frei erzählen können und warte vor der Türe. Während der Wartezeit denke ich an Dinge, die ich zu den Kindern gesagt habe, Dinge, die vielleicht nicht mal böse gemeint waren, aber verletzend ankommen könnten und beschließe, zukünftig noch mehr darauf zu achten, was meine Worte bewirken können. Während mein perfektionistisches Ich mich innerlich zum Scheiterhaufen für Lehrpersonen führt, läutet es und die Kinder stürmen aus der Klasse. Einige setzen sich zu mir und erzählen vom Workshop. 

Mein schlechtes Gewissen bedrückt mich. „Kinder, tut mir leid, wenn ich auch schon mal etwas gesagt habe, dass euch verletzt hat. Ich hoffe ihr wisst, dass das nicht mit Absicht war.“ 

„Machst du eh nicht Frau Lehra. Dir sagen wir es eh gleich.“ „Haha, ja, bei dir geht das.“ „Ja, so wie das eine Mal, da haben Sie gesagt ich bin eine Zicke – geht gar nicht. Aber ich bin eh nicht mehr böse.“ Puh, Glück gehabt, denke ich, mein Lehrer-Ich hat also doch nicht vollständig versagt. 

Danke, aber wofür eigentlich?

Nach vier Stunden ist der Workshop aus und ich setze mich für eine kurze Nachbesprechung mit dem Workshopleiter K. zusammen. „War ein guter Vormittag. Anstrengend, aber gut.“ Ich muss grinsen, ja anstrengend ist es hier immer, aber immerhin haben alle überlebt, niemand hat sich umgebracht und sie haben sogar motiviert mitgemacht, in meiner Welt ist das ein voller Erfolg. 

„Ich wollte dir noch etwas sagen. Sie respektieren dich sehr, das merkt man und du sie auch“, sagt K. „Ja, diesen Respekt spür ich eh immer wieder, wenn sie machen, was sie wollen“, erwidere ich – allerdings lächelnd. „Nein im ernst! Danke, dass du so zu ihnen bist.“ 

Gerührt aber auch irgendwie irritiert schaue ich K. an. Danke? Aber wofür? Das ist doch mein Job. Ein Job, bei dem ich die meiste Zeit das Gefühl habe, dass ich ihn nicht mal besonders gut mache und nur irgendwie den Alltag überlebe. Ein Job, der mich tagtäglich an meine Grenzen bringt, bei dem regelmäßig Dinge vor meinen Füßen landen, die durch die Klasse geflogen kommen, ein Job, bei dem ich tagtäglich Regeln einfordere, damit sie am nächsten Tag wieder vergessen werden. Aber auch ein Job, der einem tolle Momente mit jungen Menschen beschert. Respektvoller Umgang? Ein Muss meiner Meinung nach, denn wenn nicht wir, wer dann soll es den Schüler:innen vorleben. Es ist okay für mich, meine Schüler:innen zuerst zu grüßen, weil sie es vielleicht an diesem Tag nicht können, weil sie vielleicht müde sind, in Gedanken versunken oder irgendwelche Sorgen haben. Es ist okay für mich, wenn mal eine pampige Antwort kommt, weil er oder sie in der Situation vielleicht nicht anders aus kann. Es ist okay für mich, wenn meine Schüler:innen in ihrer Erstsprache, ihrer für mich Herzenssprache, miteinander sprechen, weil sie sich so vielleicht wohler fühlen. Genau solche Situationen sind es über die man dann sprechen, sie nächstes Mal besser oder anders machen und aus ihnen lernen kann und genau dafür ist doch Schule da, zum Lernen. 

Meine Schüler:innen verlassen freudig das Schulhaus. „Schönen Nachmittag!“, rufe ich ihnen nach. „Tschüüüüüß Frau Lehra!“, tönt es zurück. 

Und ich muss lächeln. Nein, es stört mich nicht, mich zuerst zu verabschieden, denn Respekt ist keine Einbahnstraße. Respekt ist nichts, das wir Lehrpersonen einfach so bekommen, sondern das wir auch zurückgeben müssen. Respekt ist auch nichts, das sich Kinder und Jugendliche erst verdienen müssen, denn jeder Mensch, egal wie alt, egal welcher Herkunft hat Respekt verdient und wenn meine Schüler:innen das in den vier Jahren bei mir lernen, dann habe ich vielleicht doch nicht alles falsch gemacht. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien