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Den Wunsch Lehrer zu werden, sehe ich als eine Art Berufung. Auch wenn sich dies jetzt komisch anhört, kann ich nur von meiner Erfahrung sprechen. Die Schule war für mich immer ein wunderbarer Ort. Ich konnte dort meine Freunde treffen, jeden Tag gab es Abwechslung und meine Neugier wurde gestillt. Ich hatte wirklich nette Lehrerinnen und Lehrer, die mich unterstützten und mir in allen Lebenslagen halfen. Es war ein Ort zum Wohlfühlen, zum Lernen, zum Wachsen und zum Erwachsen werden. Mein Wunsch Lehrer zu werden begann in der Oberstufe und wurde durch nichts ersetzt, es gab nur einen Weg für mich: das Lehramtsstudium zu absolvieren und Lehrer zu werden. Ich wollte zu einer von den Personen werden, die mich unterstütz, mir die Welt erklärt und mich vor allem zu dem gemacht hatten, was ich heute bin, zu einem gewissen Teil jedenfalls. Also zwei Fächer wählen, die man gerne unterrichten möchte und von denen man eine gewisse Ahnung hat, gepaart mit Pädagogik und ein paar Praktika und mein Traum in der Klasse zu stehen und Lehrer zu sein würde sich erfüllen. Dachte ich jedenfalls.

Fachwissen statt Pädagogik und Didaktik

Schnell erkannte ich, dass ich hier nicht das Unterrichten meiner Fächer lernen würde, sondern die Fächer selbst. Viele Germanistik-, Philosophie- und Psychologiestudierende waren in meinen Seminaren, und auf meine Frage, ob ich mich im richtigen Raum befand, nickte man nur und sagte, es sei normal, dass Lehramtsstudierende und reine Fachstudierende gemeinsam in einem Seminar sind. Nun gut, dachte ich mir, mehr Wissen kann mir ja nicht schaden, und ich hatte selbst großes Interesse an diesen Fächern. Doch schnell merkte ich, dass ich Dinge lernte, die ich in meinem Unterricht nie brauchen würde. Eines der schwierigsten Seminare war „Einführung in das Mittelhochdeutsche“. Ein ganzes Semester mühte ich mich durch diese Sprache, lernte Grammatik, Lesen und Sprechen. Der Aufwand wurde mit 3 ECTS belohnt, und ich fragte mich, wozu mir das nützen sollte, wenn ich vor einer Schulklasse stehe. 

Ausbildung nicht praxisrelevant

Das Studium gab mir leider nicht die nötige Ausbildung, die ich gebraucht hätte, was mir nach einem Jahr Arbeit an einer Mittelschule in Wien klar wurde. Bevor man jedoch in die Schule darf, muss man noch fünf Tage an der sogenannten Induktionsphase teilnehmen. Diese umfasst eine Einführung in Themenbereiche wie Recht, Strukturen des Schulwesens, Professionsbewusstsein und Kommunikation. Warum hat man solche Inhalte nicht ausführlich und während des Studiums vermittelt, anstatt sie in einem fünf Tage langen Schnellverfahren abzuhandeln? Dann ging es los in die Schule, und plötzlich passierten tausend Dinge gleichzeitig. Ich erfuhr, dass ich Co-Klassenvorstand (Co-KV) einer Klasse werde – aber was ist ein Co-KV? Ich kannte nur den Klassenvorstand. Außerdem sollte ich in eine I-Klasse kommen. Was ist eine I-Klasse? Und natürlich hatte ich auch noch einen AO-Schüler in meiner Klasse. Was bitte sind AO-Kinder? Meine wenigen Vorlesungen und Seminare in Pädagogik hatten mir darüber nichts erzählt. Doch als ein Kind auf mich zukam und mir zwei Wörter sagte, wusste ich, was gemeint war: „Arabisch, Toilette.“ 

Fächer und Fachbegriffe

Ich hatte auch sechs Integrationskinder in der Klasse. Also durfte ich Unterricht planen – für ein AO-Kind, das nur zwei Wörter Deutsch sprach und mich nicht verstand. Gleichzeitig musste ich für die I-Kinder planen, die ihre eigenen individuellen Schwächen hatten. Ohne die Unterstützung der I-Lehrerin wäre ich überfordert gewesen. Ach ja, und natürlich gab es den anderen Unterricht auch noch. Insgesamt hatte ich drei verschiedene Unterrichtspläne zu erstellen. Da es keine Psychologie oder Philosophie in der Unterstufe gibt, unterrichtete ich außerdem Textiles Werken, Bildnerische Erziehung, Soziales Lernen sowie Lern- und Betreuungszeit. Nicht nur weil ich an einer verschränkten Ganztagsschule arbeite, gehören auch solche Aufgaben zu meinem Alltag.

So viele Fragen

Mein Jahr begann mit vielen Fragen, und ich war froh, ein nettes und hilfsbereites Kollegium zu haben, denn es tauchten ständig neue Fragen auf. Doch ich konnte mich nicht immer auf diese Fragen konzentrieren, weil ich gleichzeitig unterrichten musste. Obwohl ich einige Praktika absolviert hatte und versucht hatte, so viel Praxiserfahrung wie möglich zu sammeln, fühlte ich mich auf das, was mich erwartete, nicht vorbereitet. In meinen ersten Wochen hatte ich den Eindruck, dass es nur verhaltensauffällige Kinder in meiner Klasse gab.  Die Schüler schienen das Konzept von Unterricht nicht verstanden zu haben: Sie standen mitten im Unterricht auf, waren laut und lenkten sich gegenseitig ab. Es wirkte, als hätten manche von ihnen noch nie eine Schule besucht.

Kontrolle und Konsequenzen

Zuerst musste ich die Klassen unter Kontrolle bringen und ihnen die grundlegenden Verhaltensregeln beibringen, bevor an Unterricht überhaupt zu denken war. Es folgte viel Erziehungsarbeit, bei der ich mir Unterstützung von Expertinnen und Experten und dem Kollegium holte. Ein langer Weg lag vor mir: Elterngespräche – worüber an der Universität nie gesprochen wurde –, Konsequenzen setzen und Beziehungsarbeit. Einer der größten Kämpfe war das Smartphone, an dem die Kinder regelrecht klebten. Zielsetzungen waren ein Schlüssel für guten Unterricht, denn viele der Kinder wussten nicht, warum sie überhaupt in der Schule waren oder warum sie etwas lernen sollten. Viele träumten davon, Influencer, Profifußballspieler, Youtuber oder Rapper zu werden. Als diese Illusion der Realität weichen musste und die Kinder erkannten, dass ihre Chancen auf diese Berufe nicht sehr groß waren, war das ein Schock für sie. Doch genau dafür kämpfe ich: für Chancengerechtigkeit, für Bildung und dafür, dass jedes Kind seine Ziele erreichen kann – realistische Ziele. Mein Traum als Lehrer ist in Erfüllung gegangen, und auch wenn die andere Seite der Klasse viel mehr Nerven und Geduld benötigt als gedacht, bin ich froh, diesen Weg gegangen zu sein. Kein Job könnte mir mehr Sinnhaftigkeit, Erfüllung und Spaß bereiten, als mit Schülerinnen und Schülern zu lernen die Welt zu verstehen, menschlich eine Beziehung aufzubauen und die Gesellschaft etwas besser zu machen.

Michael Murauer, Lehrer an einer Wiener Mittelschule.

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Ich gehe um ca. 8:30 Uhr durch den Haupteingang und fahre mit dem Lift hinauf in den 3. Stock. Ich nutze meine Zugangskarte, um die Tür zu öffnen und gehe die paar Schritte zu meinem Büro. Ich bin als erstes hier, alles ist noch still. So mag ich das. Ich setze mich an meinen Platz und drehe den Computer auf. Dann stehe ich auf und hole mir aus der Küche einen Krug Wasser und einen Löffel für mein Joghurt, das ich morgens immer in der Arbeit esse. Ich schaue auf meinen Kalender und die To Dos für den Tag: unser wöchentliches Jour fixe im Team, Anrufe und Mails beantworten, ein paar administrative Aufgaben, ein paar inhaltliche Aufgaben, später noch ein Meeting. Ich ziehe meine Schuhe aus und lege los.

Vor ein paar Jahren war das noch anders. Vor ein paar Jahren wäre ich um diese Uhrzeit in einem Raum mit 25 Jugendlichen gestanden, hätte womöglich gerade Formulare eingesammelt oder ausgeteilt, Unterschriften im Mitteilungsheft kontrolliert, die Woche besprochen. Montag eben. Mein Arbeitstag hätte schon eine gute Stunde früher begonnen, mit einem hektischen Last-Minute Anstehen am Kopierer, um die Arbeitsmaterialien für die 5. Stunde noch zu kopieren, weil ich in meiner freien Stunde supplieren müsste und bis dahin keine Pause mehr hätte. Oder mit einem Gespräch mit einem Elternteil. Oder vielleicht hätten wir im Klassenzimmer auch Musik aufgedreht und auf das Eintrudeln der Schüler_innen gewartet.

Zwischen meinem alten und meinem neuen Arbeitsalltag liegt eine Elternkarenz. Sicherlich hat meine Elternschaft auch meinen Blick auf mein Arbeitsleben verändert: Wo liegen meine Prioritäten? Was will ich schaffen, was ist mir wichtig? Wo sind meine Energien gut eingesetzt?

Die Entscheidung, nicht mehr in den Lehrberuf zurückzugehen, war vor allem eine sehr persönliche. Die Gründe sind vielschichtig und lassen sich nicht einfach in ein paar Stichpunkten zusammenfassen. Trotzdem möchte ich hier einen Versuch wagen. Denn obwohl meine Entscheidung sehr persönlich war, die Gründe, die dazu führten, sind es nicht (alle).

Die mental load – “Ich kann einfach nicht mehr”

Es mag sicher Lehrer:innen geben, die eine ruhige Kugel schieben, wie man so schön sagt. Mir sind davon nicht sehr viele untergekommen. Klar, nach zig-Dienstjahren ist man sicher routinierter und nimmt manches leichter oder weiß schon, wie man am besten damit umgeht. Meiner Erfahrung nach war die Zeit an der Schule alles andere als eine „ruhige Kugel”. Den vielen verschiedenen Ansprüchen gerecht werden (nicht zuletzt den eigenen!), Wissen zu vermitteln, Schüler_innen bei diversen Problemen zuhause zu unterstützen, Konflikte in der Klasse bearbeiten, Konflikte im Kollegium bearbeiten, Konflikte mit Eltern bearbeiten. Schüler_innen beim Formulare-Ausfüllen helfen (wissend, dass es teilweise um Ansuchen geht, wo die Existenz der Familie am Spiel steht). Schüler_innen, die mitten im Schuljahr neu dazukommen und andere, die plötzlich nicht mehr da sind. In meiner Zeit als Lehrerin brauchte ich nach meinem Arbeitstag oft noch mehrere Stunden, um den Tag zu verdauen. Um mit Menschen in meiner Umgebung Gespräche nochmal durchzugehen, Lösungen durchzudenken. Es war viel, oft zu viel. Damit komme ich auch schon zu Punkt 2 –

Die fehlende Unterstützung

Alle oben genannten Punkte sind machbar, müssen ja auch bearbeitet werden. Doch Lehrpersonen alleine, denen darüber hinaus die Ausbildung in vielen Bereichen schlicht fehlt, können das nicht schaffen. Es braucht Sozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen, Schulärzt:innen, Jugendcoaches, Muttersprachenlehrer:innen, Lehrer:innen zur Deutschförderung, zur Alphabetisierung, Supervision für Lehrer:innen, administrative Unterstützung an den Schulen. Und allem voran: eine bessere Durchmischung. Denn manche Probleme sind in ihrer Menge nicht bewältigbar, manche Konflikte spitzen sich zu, weil es zu viele verschiedene Konfliktherde gibt. Zu viele Belastungen. Irgendwann geht es nicht mehr.

Die Verantwortung – zu viel und zu wenig

Verantwortung hatte ich genug. Verantwortung für 25 Jugendliche und deren Lernerfolg, deren Zukunft, deren Wohlergehen. Und trotz all der Überforderung schlich sich manchmal auch ein Gefühl der Unterforderung ein. Wie kann ich mich beruflich weiterentwickeln? Welche Möglichkeiten habe ich, strukturell Verantwortung zu übernehmen? Macht es beruflich überhaupt einen Unterschied, wenn ich Fortbildungen absolviere? Natürlich kann ich immer weiterlernen, mich weiterentwickeln – und das ist super für mich persönlich und für meine Schüler_innen. Wer berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sucht, ist falsch an der Schule. Wer nicht gleich Direktor_in werden möchte, hat keine anderen Möglichkeiten. Und selbst wenn ich zur kompetentesten Lehrperson des Landes werde, so bringt mir das im System nichts, was mich zum nächsten Punkt bringt:

Das Gehalt

Sicher, Lehrpersonen kurz vor der Pension verdienen super. Außerdem hat man viele Ferien und dadurch sicherlich einen höheren Stundenlohn. Trotzdem verdiene ich jetzt in einem Teilzeitjob so viel wie an der Schule in Vollzeit*. Am frustrierendsten aber fand ich: Meine Kollegin, die mit Ende 50 nur noch das Nötigste macht, verdiente das doppelte und dreifache von dem, was ich mit all meinem Einsatz und meiner Motivation verdiente. Konsequenzen gibt es dafür natürlich keine  – weder für meinen Einsatz noch für den Mangel an Einsatz bei meiner Kollegin. Und ich meine hier auch nicht nur finanziell. Es machte überhaupt keinen Unterschied in der Art und Weise, wie wir vom “System” gesehen wurden.

Das Prestige

Ja, hier kommt jetzt zum Schluss vielleicht noch ein bisschen mein Ego zu Wort. Wenn ich Bekannten erzählte, was ich mache, war die Antwort meist eine von zweien:

“Boah, arg. Das könnte ich nicht!”

oder

“Aha.”

Lehrer:in, das wird man doch nur wegen Juli und August. Dienstag Z’Mittag mach ich Schluss. Demgegenüber Horror-Stories aus den Wiener Mittelschulen. “Kulturkampf.” Nein. Keines von beiden. Ich will mich weder rechtfertigen müssen noch als einfältig abgestempelt werden, nur aufgrund eines Jobs.

Denn was ich hier alles nicht sage, ist, dass ich es auch vermisse. Nicht all das, was oben im Text steht, aber das, was jetzt kommt: Die Arbeit mit den Schüler_innen. Es gibt nichts Schöneres, als junge Menschen beim Erwachsenwerden zu begleiten. Zu sehen, wie mein Input ankommt, wie sie lernen, sich kritisch mit sich und ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Wie man zusammenwächst und so viel gemeinsam schafft. Wie viel ich in Diskussionen von meinen Schüler_innen lernen konnte. Wie oft ich stolz war auf sie. Wie unglaublich bereichernd der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen sein kann. Schule ist ein eigener Mikrokosmos. Mit Herausforderungen, mit Höhen und Tiefen, mit wunderbaren Kindern und Jugendlichen. Und das vermisse ich auch. Also, liebe Politik, tut was, damit dieser Job auch wieder so geleistet und gelebt werden kann, wie er das verdient, wie sich das unsere Schüler_innen verdienen!

*Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass sich das Lehrer:innendienstrecht mittlerweile geändert hat und das Einstiegsgehalt für neue Lehrpersonen nun etwas höher ist; die Gehaltskurve flacher. Da man das Dienstrecht allerdings nicht wechseln darf, bringt mir diese Neuerung leider nichts.

Die Autorin war mehrere Jahre Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

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Erst kürzlich habe ich mit einem Bekannten übers Studium gesprochen. Ganz allgemein, was jeder von uns beiden macht und wie es uns dabei geht. Ganz normaler Small Talk. Bis ein Satz gefallen ist, den man als Lehramt-Student:in nicht selten hört: „Lehramt studiert man doch eh nur für die Ferien und wegen der Bequemheit oder?“ Und zack! sind wir wieder beim Lehrer:innen-/ Lehamtstudent:innen-Image. Nicht nur deswegen, weil das Bild von Schule und Lehrkräften im Allgemeinen schon so ist wie es nun mal ist, sondern auch, weil gerade jetzt zu Schulbeginn, wieder vermehrt darüber gesprochen wird, was nun Vorteile und Nachteile an dem Beruf Lehrer:in sind. Daher ist es mir ein Anliegen, aus meiner Sicht zu schildern, warum ich dennoch den Lehrberuf ergreifen will. 

Das Image kennen wir ja alle – aber!

Mit welchem Image sich die Personen rumschlagen müssen, die in Österreichs Schulen tätig sind, ist wohl jedem bekannt. Und die meisten, die das hier lesen werden, haben bestimmt schon des Öfteren versucht, anderen zu erklären, dass Lehrer:in-Sein eben nicht nur Vormittag-Bespaßung von Kindern und Jugendlichen ist oder neun Wochen Sommerferien bedeutet. Es ist viel mehr als das. Und das wissen wir alle. Nur wird das teilweise nur sehr wenig anerkannt. Und jetzt so ganz ehrlich: Ich habe nicht mal mehr Lust, jedes Mal in Gesprächen nach Argumenten zu suchen, die mein Lehramt-Studium und meinen späteren Beruf aufwerten. Weil er das erstens nicht nötig hat und zweitens weil ein „ich-Lehrerin-sein-will“ doch reichen muss. Ohne dass einem unterstellt wird, man würde es wegen der Ferien oder der nicht vorhandenen Berufsvorstellungen studieren. 

Ich will Lehrerin werden. Punkt. Weil ich Schüler:innen eine Möglichkeit bieten will, sich selbst weiterzubilden und ihnen die Hand reichen will, wenn es darum geht, eigene Grenzen zu erweitern. Weil das meine Lehrer:innen auch getan haben. Ich will deswegen Lehrerin werden, weil ich für meine Fächer brenne und diese Begeisterung auch in meinen Schüler:innen wecken will. Und selbst wenn das nicht gelingt ,(weil sind wir ehrlich, nicht jeder kann sich für alle Fächer begeistern, egal wie sehr man es versucht) will ich ihnen das Wissen mitgeben, das sie brauchen, um in der Gesellschaft später dort zu stehen, wo sie später stehen wollen. Ich will Lehrerin werden, weil ich so viele Kinder und Jugendliche kenne, die ihr Potenzial manchmal selbst nicht erkennen und jemanden brauchen, der ihnen zeigt, wie sie es finden. Wenn ich also sage, dass ich Lehramt studiere, bin ich stolz darauf. Und das sollte jede:r sein, der/die den gleichen Weg einschlägt oder eingeschlagen hat. Lehrer:in sein zu wollen, erfordert nicht nur Begeisterung und Durchhaltevermögen, sondern auch Mut. 

Lehrer:innenmangel, Gehalt, System…

Gerade zu Schulbeginn wird das System rund um Schule verstärkt diskutiert. Viele Stimmen werden laut, die über das Gehalt, den Schuleinstieg, oder die zunehmenden Belastungen schon in den ersten Wochen ihre Meinung öffentlich machen. Oft entsteht dadurch nicht gerade ein gutes Bild von Schule. Selten hört man: „Der Schulbeginn war gut.“ Und das schreckt natürlich ab. Nicht nur Lehramt-Student:innen, die sowieso immer mit Systemlücken zu tun haben und in den letzten Jahren auch immer schon dafür eingesetzt wurden, diese zu schließen. Sondern auch potenzielle Maturant:innen, die vor ihrer Studienwahl stehen, werden nicht gerade auf den Geschmack kommen Lehrer:in zu werden, wenn man sich diese Berichterstattung anschaut. Deswegen auch hier: Diese negativen Aspekte sind nur eine Seite des Berufes.

Die Berufswahl oder Studienwahl ist nie einfach. Meistens versucht man seine Interessen in einem Berufsbild zu finden und dieses dann folglich auch auszuführen. Lehrer:in zu sein vereint ziemlich viele meiner Interessen. Nur sind es eben nie Interessen allein. Gehalt wird immer wichtiger. Das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen werden immer essenzieller und die Work-Life-Balance darf man sowieso nicht außer Acht lassen. Unter Einbeziehung dieser Faktoren, verliert der Lehrer:innen-Job dann doch nochmal ein paar Sympathiepunkte. Etwas, das man durchaus nachvollziehen kann. Und auch ich bin mir noch nicht sicher, ob ich später auch wirklich an einer Wiener Schule unterrichten will oder ob ich nicht doch wieder zurück nach Oberösterreich gehe. Weil wir auch hier Unterschiede merken. Nur daran gezweifelt, ob ich den Lehrberuf doch gar nicht antrete, habe ich trotzdem noch nie. Ich bin der Meinung, dass man in jedem Beruf Aspekte finden wird, die nicht so gefallen. Und in jedem Beruf, wird es auch immer Hürden geben, die man überwinden muss. So eben auch hier. Und klar, ich verstehe, wenn jemand sagt, er oder sie will sich den Lehrberuf in solchen Zeiten nicht antun. Und das ist auch verständlich. Ich will jedoch wirklich von ganzem Herzen in der Klasse stehen, den Kids etwas beibringen und ihnen zuschauen, wie sie erwachsen werden. Wenn mir also wer sagt, das Schulsystem in Österreich habe da und dort diese und jene Probleme, dann sag ich: „Ja, stimmt. Diese Probleme sehe auch ich. Ich will trotzdem Teil davon werden und so dazu beitragen, genau diese Probleme zu lösen.“ 

Der einfache Grund, warum ich also Lehrerin werde, ist, weil ich es werden will. Und ja, ich sehe die Probleme und Herausforderungen. Mir liegt der Job, die Zukunft und die Bildung der Schüler:innen so sehr am Herzen, dass ich das System verbessern will. Das tue ich, indem ich Teil davon werde und mich dafür einsetzte. Also an alle angehenden Lehrer:innen: Steht auf und seid stolz drauf, den Beruf gewählt zu haben!

Die Autorin ist noch keine Lehrerin – aber Studentin für Lehramt.

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Raten Sie mal! Raten Sie mal wieviel ECTS für Elternarbeit in der Primarlehrer:innenausbildung benötigt werden, wenn diese insgesamt 280 erwerben müssen, fragt Claudia Leditzky von der PH Wien auf dem 10. Netzwerktreffen: Frauen-Flucht-Gesundheit am 04.06. im Wiener Rathaus. Schwerpunktthema der Veranstaltung ist „Elternbildung &Elternarbeit“

Die Antwort ist EINEN! So viele ECTS erwerben Studierende im Rahmen ihrer Lehramtsausbildung für eine der wichtigsten und oft auch schwierigsten Tätigkeiten ihres Berufslebens. 

Daran, aber auch an dem komplett fehlenden Interesse der Politik und der Öffentlichkeit auf dieser Veranstaltung merkt man deutlich das Desinteresse für das dritte Standbein der Pädagog:innen. Das Dreieck: Lehrer:innen, Schüler:innen, Eltern ist schon lange geläufig nachhaltig aktuell. Dass sich das gerade in Wien mit den vielen Sprachen der Eltern oftmals als zeitintensiv und manchmal auch mühsam gestaltet ist zwar Fakt, aber keineswegs Grund aufzugeben. Durch das Angebot der Stadt Wien für Wiener Volks- und Mittelschulen von montags bis freitags 07-19:00 Uhr gratis eine:n Adhoc Videodolmetscher:in per livestream zuzuschalten, ist es zumindest den digital kompetenteren Lehrpersonen aber dennoch ein Leichtes, ihre Aufgaben in diesem Bereich zu erfüllen. Denn nicht das Ziel ist es, Eltern zu bevormunden und ihnen von oben herab zu erklären, welche Sprache sie wann zu erwerben hätten sondern vielmehr ist es ein ganz pragmatischer Weg, die Kommunikationspflicht zu erfüllen, wie Ali Dönmez auf eben dieser Veranstaltung erklärt. 

Und es gibt so viele weitere Mittel und Wege. Auf dieser Veranstaltung waren: 

Die ELTERNWERKSTATT – Verein im Dienst von Kindern, Eltern, Pädagog:innen 

Der Verein Integrationshaus – Elternarbeit 

Verein NACHBARINNEN in Wien – Individuelle Elternarbeit auf Augenhöhe 

Verein Wiener Jugendzentren / Respekt: gemeinsam stärker 

Elternarbeit & Extremismusprävention der Kinder- und Jugendhilfe Wien – Stabsstelle Extremismusprävention

Institut für Frauen- und Männergesundheit: NEDA und FEM Elternambulanz  

ProSoz – Familientraining – Sozialpädagogische mobile Arbeit mit Familien mit Sprachunterstützung von Peers (im Auftrag der MA11) 

Soziale Arbeit mit geflüchteten Familien in der Wiener Kinder- und Jugendhilfe 

Diakonie Flüchtlingsdienst und Diakonie Sozialdienst

All diese wunderbaren Menschen arbeiten professionell und mehrsprachig mit Eltern und Schulen, mit Schüler:innen und Pädagog:innen zusammen, um sich gemeinsam an das neue Leben, das neue Land, die neuen Umstände zu gewöhnen. 

Gerade jetzt mit dem Familiennachzug über den alle stöhnen und der ja „nicht schaffbar“ sei, gerade jetzt wäre es für Pädagoge:innen so wichtig, sich mit den vielfältigen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die es seitens der Stadt Wien gibt. Gerade jetzt sollte man sich alle mögliche Fundamente schaffen, um diese Kinder, die so selten gerne und so oft unfreiwillig zu uns kommen, rechtzeitig aufzufangen und zu begleiten. Und dazu gehört der regelmäßige Austausch mit den Eltern. 

Wunderbar durch den Nachmittag geführt hat übrigens Maynat Kurbanova – mit viel Wortwitz und einer Herzlichkeit, die allen Anwesenden – mehrheitlich Frauen – sehr gut getan hat. Sie hat auch die Frage nach denjenigen Eltern gestellt, die sich vor dem Jugendamt fürchten. Nicht erst einmal hat man als Lehrkraft den Satz gehört: „Wenn Sie das Jugendamt informieren, dann nehme ich meine Kinder und fahre weg.“

Eine sinnvolle Zwischenlösung und Alternative bietet hier das Schulkooperationsteam an, die sich intensiv mit den Familien beschäftigen, Unterstützung anbieten, aber die gesamte Kooperation auf Freiwilligkeit basiert. Sie arbeiten ebenfalls mit der MA!11 zusammen und wenn es wirklich Grund zur Sorge gäbe, würden sie auch intern eine Meldung machen. Aber dadurch geraten die Lehrkräfte nicht in die Schusslinie und die Lehrer:innen – Eltern-Beziehung wird nicht gefährdet.

Nicht, oder wenig anwesend, waren allerdings auch Lehrkräfte. Nicht, oder wenig anwesend waren Eltern. Also vermutlich hatten einige der Anwesenden Kinder, aber die anwesenden Eltern waren nicht die Eltern, über die wir oft sprechen aber denen wir selten zuhören.. Wir haben im Rahmen des Elternarbeitsschwerpunktes bei Schulgschichtn versucht, Stimmen aus der „Migra-Elternszene“ zu bekommen. Haben Eltern angesprochen, haben Vereine angesprochen – aber die Eltern möchten nichts sagen. Sie möchten auch nichts schreiben. Zu groß ist die Angst der Benachteiligung  ihrer Kinder durch die Lehrkräfte. Was haben sie schon erlebt?

Zu groß ist auch die Angst, etwas Falsches zu sagen und vielleicht ausgelacht zu werden. Denn – Hand aufs Herz – wer von Ihnen, werte Leser:innen kann in einer weiteren Sprache über Feststellungsprüfungen, SPF, Wiederholungsprüfungen und AHS Standard Einstufungen fehlerfrei sprechen und schreiben? Und das ewige Argument, welches dann immer kommt: Aber ich lebe ja auch hier und nicht woanders – schauen Sie sich die Welt an! Wer garantiert Ihnen, dass es Sie nicht auch mal trifft? Die Ukrainer:innen konnten sich bis zum 23. Februar 2022 auch nicht wirklich vorstellen, dass sie nun schon seit über zwei Jahren in einem anderen Land gelebt haben würden. 

Franziska Haberler, Redaktionsmitglied Schulgschichtn und Podiumsteilnehmerin – in Koopertion mit den Veranstalterinnen.

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Zwischen Studentin und Lehrkraft – wie bin ich wann?

Ich denke jede:r Lehramt-Student:in hat zu Beginn des Studiums ein eigenes Bild von sich als Lehrkraft vor Augen. Man möchte später die eine Lehrperson sein, die alle Schüler:innen mögen, die lehrreiche Stunden mit lustigen und aufregenden verbinden kann und die die Klassen dazu motiviert, immer wieder über sich selbst hinaus zu wachsen. Doch spätestens nach den ersten Praxis-Erfahrungen wird einem klar, dass dieses lockere Lehrer:in-Dasein doch nicht so schnell und einfach geht, wie man sich das anfangs vorgestellt hat. 

Im Laufe des Studiums lernt man unzählige Wege kennen, die einem ans Ziel bringen. Wie dieses Ziel genau aussieht, hängt von der jeweiligen Problemstellung ab. Nur fällt einem sehr schnell auf, zumindest war das bei mir der Fall, dass nicht jeder Weg der beste für einen ist. Wie so oft im Leben geht es darum, herauszufinden, wo seine Grenzen liegen, wie weit man diese vielleicht auch verschieben sollte und welche Bedingungen für einen selbst bestehen müssen, um so agieren zu können, wie man es sich von sich selbst erwartet. Was will ich also damit sagen? Im Studium muss und soll es auch darum gehen, herauszufinden, wie das eigene Lehrerbild von sich selbst aussieht. Und zwar nicht die Person, die man sich vorstellt, wenn man aus Schüler:innen-Sicht eine „coole Lehrperson“ beschreiben müsste. Sondern es geht um die eigene Person. Die, die weiß, welche Bedingungen in der Klasse herrschen müssen, um die Ziele, die es natürlich auch noch zu definieren gilt, zu erreichen. Man muss versuchen, die Sichtweise zu ändern. Weg von der Schüler:innen-Sicht hin zur Lehrer:innen-Sicht und der Zukunft, in der man trotz gesetzten Grenzen und Regeln, noch die Lehrperson sein will, an die Schüler:innen nach der Schulzeit ohne Bauchschmerzen und Traumata zurückdenken. Mal davon abgesehen, dass ich sowieso der Meinung bin, erst diese Lehrkraft sein zu können, wenn eben das eigene Bild von einem Selbst definiert und gefestigt ist. 

Ein konkretes Beispiel: Eine meiner allerliebsten Lehrer:innen war meine ehemalige Mathematiklehrerin in der Oberstufe. Jap, Mathe. Definitiv nicht mein Lieblingsfach und auch sicher keine unentdeckte Stärke von mir. Sieht man aber von den Fächerinhalten ab, kann ich viel Gutes über den Unterricht berichten. Denn im Gegensatz zu anderen Fächern, in denen ich zwar sehr liebenswerte, aber manchmal zu chaotische Lehrkräfte hatte, schaue ich heute auf einen nicht nur sehr harmonischen und lustigen Mathe-Unterricht zurück, sondern auch auf sehr strukturierte und fokussierte Unterrichtseinheiten. Meiner Meinung nach konnte dieser stimmige, lustige, irgendwo vielleicht auch lockere Unterricht aber nur dann bestehen, wenn gleichermaßen Regeln eingehalten und das Ziel im Auge behalten wurde. Was das Ziel war, welche Regeln in der Klasse herrschen sollten und wo die Grenzen waren, legte hierbei die Lehrperson fest. All diese Dinge hatte meine ehemalige Lehrerin zuvor für sich definiert, für sich Ziele festgesteckt und auch Anforderungen an uns gestellt. Diese Umstände waren sowohl ihr als auch uns klar. Und solange all diese Dinge eingehalten wurden und funktioniert haben, konnte der geplante Unterricht auch manchmal etwas abweichen, und das Lernerlebnis wurde nicht nur schöner, sondern auch viel persönlicher und entspannter. So war Mathe zwar nie mein Lieblingsfach, die Mathe-Matura hingegen aber eine der Prüfungen, für die ich am besten vorbereitet war. Und das ist nicht nur meiner natürlich sehr stark vorhandenen Lernmotivation zu verdanken. ;) Sondern auch meiner ehemaligen Mathe – Lehrerin. 

Was ich damit andeuten will, ist Folgendes: Viele Faktoren nehmen darauf Einfluss, ob ein Unterricht gut oder weniger gut ist. Und zu wissen, wer und wie man als Lehrperson ist, ist einer davon. Neben den ganzen fächerspezifischen und pädagogischen Inhalten im Studium gilt es für Lehramt-Student:innen also auch eins: Sich selbst weit ein Stück weiter kennen zu lernen. Zu definieren, wer man wann sein möchte und zu lernen, sich auch als Lehrkraft akzeptieren zu können. Denn um später einen Unterricht abhalten zu können, der schüler:innenorientiert, unterhaltsam und persönlich ist, ist es wichtig, den eigenen Erwartungshorizont festzulegen und zu wissen, welche Bedingungen herrschen sollen, um auch von sich als Lehrperson das Beste rausholen zu können. Denn ist man sich im eigenen Auftreten und Können sicher, kann man genau dieses Vertrauen in sich selbst auch an die Schüler:innen weiter geben. Schließlich sind auch wir später einmal Vorbilder für unsere Klassen. Und mal ehrlich, wir wollen doch alle einmal, dass unsere Schüler:innen positiv über uns denken. 

Anna Lemmerer ist Autorin bei Schulgschichtn und Lehramtsstudentin im dritten Semester.