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Als Lehrerin und Klassenvorständin an einer Wiener Mittelschule bin ich regelmäßig mit den herausfordernden Lebensumständen der Schüler:innen konfrontiert. Viele Situationen lassen sich in einem oder mehreren Gespräch mit den Schüler:innen und Eltern klären. Allerdings gibt es auch Umstände, die eine sozialarbeiterische Expertise benötigen. 

Maria, Elif, David und Antonio*

So zum Beispiel bei Maria. Sie fehlte oft in der Schule und war, wenn anwesend, sehr still. Kam sie nicht in die Schule, meldete sich der Vater bei mir. Die Gründe für das Fernbleiben waren vielfältig: Ein verstauchter Knöchel, die kaputte Brille, Bauchweh, Kopfweh odg. Die Fehlstunden häuften sich und es erfolgte eine Meldung beim Schulkooperationsteam. Als Antwort kam, dass die Familie (Tochter und Vater, die Mutter war verstorben) bereits seit längerem engmaschig vom Jugendamt betreut wird, was mir nicht bekannt war. Die Konstellation zwischen Maria und ihrem Vater war sehr speziell, sodass diese für einen längeren Zeitraum durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt wurde. Schließlich übersiedelte Maria zu ihrer Tante und schloss erfolgreich die Mittelschule ab. 

Bei Elif verständigte ich das Schulkooperationsteam, da der Vater sie beim Elterngespräch aufs wüste beschimpft hatte. Sie war in der 4. Klasse, sprachlich sehr gewandt, jedoch blieben ihre schulischen Leistungen aus. Der Vater war derart frustriert, dass er mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte und sich so einer Verantwortung als Erziehender entziehen wollte. Da sein Bruder mit dem Jugendamt schlechte Erfahrungen gemacht hatte, war sein anfängliches Interesse für die Zusammenarbeit mit dem Schulkooperationsteam gering, konnten aber in einem Gespräch abgeschwächt werden. Elif und ihre Familie wurden ca. zwei Monate betreut und auch sie schloss erfolgreich die Schule ab. 

Manchmal kam es zum Kontakt mit dem Jugendamt, obwohl ich selbst keine Meldung vorgenommen hatet. Im Fall von David war dessen Familie aufgrund seiner zwei Brüder in Betreuung. Hier wurde bei mir telefonisch nachgefragt, ob bei David alles passt, was ich bejahen konnte. Ebenso bei Antonio, der regelmäßig in therapeutische Behandlung ging, wurde ich telefonisch nach dessen Wohlergehen kontaktiert. Gegen Ender der 4. Klasse berichtete er mir, dass er nun sein Abschlussgespräch mit dem Jugendamt hatte, da dieses nun nicht mehr notwendig sei.

Erst vor kurzem habe ich erneut eine Meldung vorgenommen, da Dario, 11 Jahre, bereits mehrere Polizeikontakte hatte. Darios Mutter fühlt sich überfordert. Gemeinsam mit dem Schulkooperationsteam wird nun versucht, dass Dario eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung findet.

Herausforderungen

Die geschilderten Fälle zeigen eine kleine Bandbreite an unterschiedlichen Situationen, mit denen ich als Lehrperson bisher konfrontiert wurde. Bevor eine externe Stelle kontaktiert wird, sollte aus meiner Sicht vorrangig mit der zuständigen bzw. dem zuständigen Schulsozialarbeiter am Standort Kontakt aufgenommen werden. Leider ist dieser Posten an meiner Schule schon seit längeren nicht besetzt, sodass eine wichtige Schnittstelle fehlt. Die Schüler:innen könnten so direkt an der Schule betreut werden und aus Lehrer:innen Sicht hätte ich vor Ort eine Person, die mich unterstützt. Denn öfters stehe ich vor der herausfordernden Frage, ob die Umstände derart gravierend sind, dass eine externe Stelle eingeschaltet werden soll oder nicht. Und wenn ja, ob ich gleich eine Meldung beim Jugendamt machen soll oder erstmals das Schulkooperationsteam einschalte. 

Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, dass die Eltern die Sozialarbeit nicht als Bestrafung sehen, sondern als Erleichterung bzw. Unterstützung. Sind diese von Anfang an dagegen, wird es schwer, sinnvoll zusammenzuarbeiten. Nützlich ist an dieser Stelle das Schulkooperationsteam, als vorgelagerte Stelle vom Jugendamt. Viele Eltern haben durch diverse Erzählungen große Vorbehalte gegenüber dem Jugendamt (beispielsweise der Vater von Elif) und glauben, dass ihnen sofort ihr Kind weggenommen wird. 

Herausfordernd ist, dass vergangene bzw. bestehende Kontakte mit dem Jugendamt bzw. Schulkooperationsteam mir als Lehrperson nicht immer bekannt sind, wie etwa in dem oben geschilderten Fall von Maria. Hier wäre es wünschenswert, wenn es zwischen den verschiedenen schulischen Institutionen einen besseren Austausch bzw. eine bessere Info-Weitergabe gäbe. Hätte ich bei Maria von Anfang an eine Ansprechperson gehabt, hätte ich diese viel früher kontaktiert und mir die Arbeit einer neuen Meldung sparen können. Aus Lehrer:innensicht wäre es auch hilfreich zu wissen, wie engmaschig die Betreuung ausfällt.

Vor der Arbeit des Jugendamtes bzw. des Schulkooperationsteams habe ich großen Respekt. Viele Fälle bringen einem zum Nachdenken und es ist nicht immer einfach, mit einem freien Kopf zum Unterrichtsalltag zurückzukehren. So gesehen ist es für mich eine enorme Erleichterung, wenn ich eine Meldung beim Jugendamt vornehme bzw. den Kontakt zum Schulkooperationsteam aufnehme und den Fall an Sozialarbeiter*innen übergeben kann. Es wächst damit die Hoffnung, dass sich die Situation zum Guten wendet und es entlastet im besten Fall auch den Alltag, sodass man sich wieder mehr aufs Unterrichten, aber auch auf andere Schüler*innen und deren Themen konzentrieren kann. 

*die Kinder heißen eigentlich anders

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

Lesezeit: 3 Minuten

In der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen stellen Schule und Familie in der Regel die zentralen Sozialisationsinstanzen dar. Wenn in einem dieser Systeme Spannungen, Überforderungen oder strukturelle Defizite auftreten, kommt Schulsozialarbeit ins Spiel – oft in enger Kooperation mit der Kinder- und Jugendhilfe. Die Tendenz ist steigend. Es gibt einige Schulen, die beinahe wöchentlich Gefährdungsmeldungen machen (müssen), weil das Kindswohl gefährdet, die Entwicklung nicht adäquat unterstützt und/oder die Lebensumstände zuhause prekär sind. 

Schulsozialarbeit: Prävention, Intervention und Beziehung

Schulsozialarbeit verfolgt das Ziel, Kinder und Jugendliche in ihrer persönlichen, sozialen und schulischen Entwicklung zu fördern. Sie arbeitet systemisch, vertraulich und freiwillig – und doch sehen sich viele Familien mit Misstrauen konfrontiert, sobald der Begriff „Sozialarbeit“ fällt. Zu groß ist die Sorge, in eine Schublade gesteckt oder gar pathologisiert zu werden – viele Eltern sind  des Weiteren der Ansicht, „das Jugendamt nehme ihnen die Kinder weg!“. 

Die Aufgabe der Schulsozialarbeit ist es zu vermitteln, zu begleiten und Brücken zu bauen– zwischen Schule und Elternhaus, zwischen pädagogischem Anspruch und sozialer Realität. Im Wiener Kontext bedeutet das oft, mit Eltern zu kommunizieren, deren Vertrauen in staatliche Institutionen historisch oder biografisch beschädigt ist – sei es aufgrund von Fluchterfahrungen, Armut, Rassismus oder generell fehlender Teilhabe.

Das Jugendamt: Partner oder Bedrohung?

In der öffentlichen Wahrnehmung ist das ehem. Jugendamt, heute Kinder- und Jugendhilfe Wien, vielfach mit einer gewissen Ambivalenz behaftet. Während es in seiner Aufgabe als Kinderschutzinstanz agiert und wichtige Unterstützungsleistungen bietet – von Familienbegleitung über Kriseninterventionen bis hin zu Fremdunterbringungen –, wird es von vielen Eltern primär als Kontrollinstanz erlebt. Gerade wenn Schule eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt initiiert, fühlen sich Erziehungsberechtigte häufig übergangen oder in ihrer Kompetenz infrage gestellt.

Diese Spannung kann nur durch transparente Kommunikation, niederschwellige Kontaktangebote und eine sensible, kulturbewusste Haltung aufgelöst werden. Schulsozialarbeiter:innen sind hier entscheidend: Sie können Übersetzer:innen zwischen Lebenswelten sein, Ängste abbauen und helfen, das Jugendamt nicht als Gegner, sondern als Ressource zu begreifen und hiermit eben auch Lehrkräfte unterstützen, die mit ihren pluralen Aufgaben oft an die Grenzen des menschlich Machbaren stoßen. 

Ganztagsschule: Chance und Herausforderung zugleich

Ganztägige Schulformen bieten grundsätzlich einen fruchtbaren Boden für nachhaltige sozialpädagogische Arbeit. Die erweiterte Verweildauer der Kinder in der Schule schafft Zeiträume für Beziehungsaufbau, kreative Angebote, sozial-emotionale Lernfelder und intensive Begleitung. Zugleich zeigen sich in Ganztagsschulen jedoch auch strukturelle Spannungen: Das pädagogische Personal steht oft unter hohem Druck, multiprofessionelle Teams arbeiten nicht immer reibungslos zusammen, und Eltern fühlen sich – besonders in sozial belastenden Situationen – häufig von Entscheidungen überrollt und/oder ausgeschlossen. Im schlimmsten Fall möchten Eltern schon nicht mehr mit der Schule kooperieren. „Das/ Der/ Die ist jetzt eure Aufgabe – ich möchte keine Beschwerden/Nachrichten mehr von Ihnen erhalten!“

Hier kann eine enge Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Schulsozialarbeit und Schulteam helfen, systemische Lösungen zu entwickeln: etwa durch gemeinsame Fallbesprechungen, Intervisionsformate oder die Entwicklung von Unterstützungskonzepten für Schüler:innen mit komplexen Problemlagen. Das Schulkooperationsteam ist hier ein erster Ansprechpartner. 

Elternarbeit: Beziehung statt Belehrung

Elternarbeit ist der Schlüssel zur Wirksamkeit schulsozialer Maßnahmen. Doch gerade in Zeiten, in denen denen Jugendliche und Kinder vermehrt mit psychischen Problemen und Unwohlsein zu kämpfen haben, ist diese Arbeit nicht trivial. Sprachliche Hürden, Scham, Erschöpfung oder lebensweltliche Differenzen erschweren den Dialog. Schulsozialarbeiter:innen müssen sich hier als Ermöglichende begreifen – nicht als Instanzen der Bewertung. Aufsuchende Formate, Elterntreffs in vertraulicher Atmosphäre, die Zusammenarbeit mit Community-Leader:innen und/oder Dolmetschdiensten können hier wirksame Mittel sein.

Ziel muss es sein, Eltern in ihrer Rolle zu stärken, statt sie zu korrigieren – und gleichzeitig das Wohl des Kindes im Blick zu behalten. Es gilt, Vertrauen nicht nur einzufordern, sondern aktiv herzustellen. Der Kinder- und Jugendhilfe ist es ein Anliegen ist, mit den Familien gut zu kooperieren – und dabei immer im Sinne des Kinderschutzes gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden.

Fazit: Eine gemeinsame Verantwortung

Die Herausforderungen, vor denen Wiener Mittelschulen stehen, sind strukturell, sozial und komplex. Niemand kann diesen komplexen Aufgaben allein begegnen. Was es braucht, ist ein echtes Zusammenspiel – auf Augenhöhe mit den Familien, mit offenen Kommunikationswegen, ausreichend Ressourcen und einer klaren gemeinsamen Vision: Alle Kinder verdienen die bestmögliche Unterstützung, unabhängig von Herkunft, Sprache oder sozialem Status.

Die Schule kann dabei ein Ort sein, an dem Bildung und Sozialarbeit nicht nebeneinander, sondern miteinander wirken – im Dienst der nächsten Generation.

D

Franziska Haberler, Lehrerin an einer Wiener Mittelschule – in Co-Autorenschaft mit Ingrid Pöschmann, Öffentlichkeitsarbeit der MA 11.

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Neue Chancen durch den Pflichtschulabschluss

Einmal im Monat kommen nachmittags 70 – 100 Erwachsene an unsere Schule. Die meisten sind aufgeregt, manche haben Mappen, andere Plakate in ihrer Hand. Dabei handelt es sich nicht um die Eltern von unseren Schüler*innen. Es sind junge Erwachsene (die meisten sind zwischen 20 und 25 Jahren), die an unserer Mittelschule in Form von Externistenprüfungen ihren Pflichtschulabschluss nachholen. 

AMS Jugendcollege

Die Vorbereitung erfolgt in sogenannten Jugendcolleges, die es in Wien seit kurzem gibt. Dabei handelt es sich um ein schulähnliches Angebot für 18 – 25-jährige Asylberechtigte und Subsidiär Schutzberechtigte mit dem Ziel, die Personen so rasch wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Teilnehmer*innen verbringen wöchentlich 32 Stunden im College, das in zwei Module (basic und advanced) gegliedert ist. Je nach Vorwissen und individuellen Bedürfnissen der Personen werden Alphabetisierungskurse, Finanzbildung, Praktika, sozialpädagogische Betreuung oder die Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss angeboten. Seit September 2024 stehen vom AMS Wien und der Stadt Wien jährlich rund 4 000 Ausbildungsplätze zur Verfügung. (vgl. Presse Service Rathauskorrespondenz, 07.02.2024)

Rechtlicher Rahmen

Bevor die jungen Erwachsenen an unsere Schule kommen, werden diese gezielt auf ihre Prüfungen vorbereitet. Gemäß der Rechtsvorschrift für Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz § 3 (1) umfasst diese Prüfung fünf Gebiete:

  • „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“
  • „Englisch – Globalität und Transkulturalität“
  • „Mathematik“
  • „Berufsorientierung“
  • sowie zwei der folgenden Prüfungsgebiete: „Kreativität und Gestaltung“, „Gesundheit und Soziales“, „Natur und Technik“

In Deutsch sowie Mathematik ist eine einstündige schriftliche sowie eine mündliche Prüfung verpflichtend, die an einem Tag hintereinander statt finden. In den anderen Gegenständen können die Prüflinge wählen, ob sie eine schriftliche oder mündliche Prüfung bzw. Präsentation haben wollen. 

Positive Überraschungen

Seit letzten Herbst werden auch an meiner Schule Externistenprüfungen für Schüler*innen des AMS Jugendcollege abgehalten. Die Freude darüber war anfänglich endend wollend. Viele Faktoren, wie etwa der Ablauf, der Zeitaufwand oder die Bezahlung waren unklar. Hilfreich war, dass andere Schulen bereits Erfahrungen mit dieser Prüfungsform hatten und diese an uns weitergaben.

Als Deutsch-Lehrerin durfte ich nun bereits mehrmals das Gebiet „Deutsch-Kommunikation und Gesellschaft“ abprüfen. Der Großteil der Prüflinge ist männlich und kommt aus Syrien. Besonders spannend ist die mündliche Prüfung. Dabei müssen sie sich vorstellen und zu ihren Zukunftsplänen reden sowie zu einem vorab ausgewählten Bild.  

Im Prüfungsgespräch werden die herausfordernden Lebensumstände deutlich: Der Großteil ist alleine nach Österreich gekommen. Die Familie lebt in Syrien, in der Türkei oder im Libanon und wurde schon viele Jahre nicht mehr gesehen. Manche haben bereits eine eigene Familie gegründet, jedoch lebt diese nicht immer in Wien. Esat hat beispielsweise eine 4-jährige Tochter in der Türkei. Er hofft, dass er diese bald sehen wird. Nassima ist schon mehrere Jahre in Wien. Sie hat einen 4-jährigen Sohn.

In vielen Fällen wurde die schulische Laufbahn mit 11/12 Jahren unterbrochen. Danach verlaufen die Bildungswege unterschiedlich. Dennoch haben die Prüflinge allesamt ein klares Ziel vor Augen: Sie wollen eine Ausbildung starten. Sei dies als Krankenpfleger, KFZ-Mechaniker, technischer Zeichner oder als Bürokauffrau. 

Manche haben in dem Bereich, in dem sie arbeiten wollen, bereits Berufserfahrungen gesammelt, wie beispielsweise Ahmed, der in Syrien als Schweißer arbeitete. Allerdings fehlt ihm ein formaler Abschluss, damit er den Beruf in Österreich auch ausüben darf.

Um beim Vorbereitungskurs für die Prüfung mitmachen zu dürfen, müssen gewisse Sprachkenntnisse vorgewiesen werden. Viele haben nach zwei Jahren in Österreich ein beeindruckendes Sprachniveau erreicht. Dennoch zeigen sich bei der mündlichen Prüfung Unterschiede. Da ist etwa Abdullah, der fließend Deutsch spricht und die Prüfung mit Bravour meistert. Er spielt in einem Cricket Team und ist stark in das Mannschaftsleben eingebunden. Nasim zeichnet sich durch seinen gewandten und humorvollen Sprachgebrauch aus. Er kellnerte etliche Monate in Wien. Deutlich wird einmal mehr, dass Sprache vor allem in der Anwendung mit Menschen, die die Sprache bereits gut sprechen, gelernt wird. 

Während der Prüfung wird auch über die Unterschiede zwischen dem Heimatland und Österreich gesprochen. Bei manchen ist dir Erinnerung an ihr Herkunftsland jedoch schon sehr verblasst, da dieses schon in sehr jungen Jahren verlassen wurde. 

Parallelen zur Matura

Die Stimmung während eines Prüfungsnachmittages in der Schule ist speziell. Man schaut in nervöse und aufgeregte Gesichter. Ich werde an meine Matura erinnert. Und tatsächlich gibt es Parallelen: Mit dem Pflichtschulabschluss geht ein Lebensabschnitt zu Ende und er ermöglicht neue Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Oft habe ich allerdings den Eindruck, dass die Wertschätzung des Pflichtschulabschluss gesellschaftlich nicht besonders hoch ist.

Nach einem Nachmittag mit Externistenprüfungen ändert sich meine Perspektive auf den Pflichtschulabschluss enorm. Der Großteil der Prüflinge ist gut vorbereitet. Die Kanditat*innen sind höflich und sie wollen zeigen, was sie können. Man merkt, wie bedeutend der Abschluss für die Prüflinge ist. Sie nehmen die Prüfungen ernst, denn sie haben ein klares Ziel vor Augen: Eine bessere Zukunft. 

In dieser Zukunft, so der Wunsch der Prüflinge, haben sie eine abgeschlossene Ausbildung und einen Job. Sie sind unabhängig. Sie haben in Österreich Freund*innen und können Österreich etwas zurück geben. Es ist erfüllend, ein kleiner Teil dieser „besseren“ Zukunft zu sein.  

https://presse.wien.gv.at/presse/2024/02/07/neues-jugendcollege-wien-bereitet-5-000-asylberechtigte-auf-arbeitsmarkt-vor (21.2.2025)

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007930 (21.2.2025)

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

Lesezeit: 5 Minuten

„Mittelschulen sind keine guten Schulen.“ oder „Diese Volksschule bei mir ums Eck ist keine gute Schule!“ sind Sätze, die man oft hört. Sie prägen unser Bild einzelner Schulen und ganzer Schultypen. Dabei weiß niemand in Österreich, welche Schule wirklich gut ist. 

Der Ruf und die Realität 

„Das Problem bei uns in Schwechat ist, dass die guten Schulen überlaufen sind. Die einzige Schule mit freien Plätzen ist die schlechte Schule, die Mittelschule.“ erzählte ein Elternvertreter letztes Jahr vor großer Runde im Rahmen eines gut besuchten Bildungsforums. Diese Aussage hat mich geärgert. Zum einen, weil sie symptomatisch ist für Bildungsdebatten in Österreich, die selten auf Daten und Fakten beruhen. Zum anderen, weil ich selbst vor einigen Jahren an dieser Mittelschule unterrichtet habe. Wir Lehrer:innen dieser Mittelschule haben damals, nach den jeweiligen Bildungsstandard-Testungen die Ergebnisse unserer Klassen bekommen. Fast jedes Mal waren die Leistungsergebnisse der Klassen über dem Erwartungswert, der für unsere Schule berechnet wurde. Da unterschiedliche Schulen unterschiedliche Voraussetzungen haben, wurde bei den Bildungsstandarderhebung (ebenso wie bei den jetzigen „ikm+-Testungen“) ein Erwartungswert für die jeweilige Schule kreiert. Wir haben also, im österreichweiten Vergleich mit ähnlichen Schulen, überdurchschnittlich gute Werte erreicht. 

Der Ruf „guter“ und „schlechter“ Schulen basiert in Österreich nicht auf Fakten, sondern auf Hörensagen und Erzählungen. Niemand kennt die tatsächliche Qualität einer Schule, also den Lernfortschritt bzw. Lernzuwachs den Schüler:innen an der Schule erzielen. Der Ruf einer Schule ergibt sich in Österreich viel eher aus dem Klientel der Schüler:innen, die die jeweilige Schule besuchen. Eine „gute Schule“ ist doch oftmals einfach jene Schule, wo die anderen die dort sind, ein bisschen so sind, wie man selbst. Das sagt aber wenig über die tatsächliche Qualität einer Schule.

Daten – intelligent und sinnvoll

Daten, die den Lernerfolg und den Lernfortschritt der Schüler:innen in gewissen Fächern beziehungsweise auch den Erfolg in ihrer weiteren Bildungskarriere zeigen, wären viel eher dazu geeignet zu definieren, was eine „gute Schule“ ist. Das Ganze ist klarerweise nicht trivial. 

Einerseits, weil nicht nur der akademische Lernfortschritt die Qualität einer Schule ausmacht, sondernd auch viele soziale Aspekte entscheidend sind. Eine „gute Schule“ muss sicherlich auch eine Schule sein, in der sich die Schüler:innen wohlfühlen, geschätzt und gesehen werden, ihre Stärken entdecken und sich dementsprechend entfalten können. Aber nur weil das schwierig zu messen ist, sollten wir nicht darauf verzichten jene Aspekte intelligent und transparent zu messen, die eine „gute Schule“ sicherlich auch ausmachen: den Lernfortschritt und Kompetenzerwerb der Schüler:innen. 

Eine zweite Schwierigkeit ist, dass absolute Vergleiche von Testergebnissen unterschiedlicher Schulen nie fair sein werden. Die absoluten (aggregierten) Testergebnisse von Gymnasien sind (sowohl bei PISA als auch den Bildungsstandards und bei den neuen ikm+ Tests) besser als jene von Mittelschulen. Klar. Das heißt aber noch nicht, dass Gymnasien die besseren Schulen sind. Ein Beispiel: Das Maximum eines Tests ist ein Index von 100. Ein Gymnasium startet mit Schüler:innen, deren Vorwissen im Schnitt bei 40 liegt, und bringt sie auf 80. Das ist ein Lernzuwachs von 100%. Die Mittelschule hingegen beginnt bei 20 und schafft es auf 60. Das ist ein Lernzuwachs von 200%. Welches Ergebnis beeindruckt mehr? Das Gymnasium hat, absolut gesehen, den besseren Wert, mehr Lernfortschritt (Verdreifachung statt Verdoppelung) hingegen hat die Mittelschule geschaffen. Trotzdem wird sie weiterhin als „schlecht“ abgestempelt, während das Gymnasium als „gute Schule“ gilt. Natürlich gibt es auch gewisse Anforderungen an absolute Ergebnisse und ich werde mich als Mittelschullehrer nie dafür aussprechen, dass von meinen Schüler:innen, weniger verlangt wird, aber ein Vergleich dynamischer Werte kann ein erster Schritt dabei sein, zu definieren, welche Schulen „gut“ sind.

Es braucht Daten und es gibt Daten

Die gute Nachricht ist, es gibt in Österreich teilweise schon Daten dazu. Die schlechte Nachricht ist, niemand darf sie sehen und sie werden nicht verwendet. Die ikm+ Testungen haben die Bildungsstandardüberprüfungen ersetzt. Diese Testung wird von allen Schüler:innen in der dritten und siebten Schulstufe durchgeführt und bietet ebenso wie die Bildungsstandards einen „fairen Vergleich“ also unterschiedliche Erwartungswerte für unterschiedliche Schulen. Diese Daten sind aber so geheim, dass sie nicht mal zur politischen Steuerung von Ressourcen oder zur Qualitätssicherung verwendet werden. 

Wir sollten in Österreich dynamische Daten erheben, also den Lernfortschritt der Kinder an ihrer jeweiligen Schule messen. Dann könnten wir tatsächliche die Aussage treffen, dass eine Volksschule, in der die Schüler:innen von der 1. bis zur 4. Klasse (relativ vom Ausgangsniveau) viel dazugelernt haben, eine gute Schule ist. Diese Daten können transparent und sinnvoll zur Systemsteuerung und Qualitätssicherung verwendet werden. So könnten wir auch sehen, dass Schule A überraschend gute Ergebnisse beim Lernfortschritt hat, während Schule B, mit einer ähnlichen Schüler:innenschaft schlechte Ergebnisse hat. Hier wäre es dann gerechtfertigt von „guten Schulen“ zu sprechen. Und, wir könnten alle voneinander und von Schule A lernen. 

Was wir von anderen lernen können

Ein Blick in andere Länder und Städte zeigt, dass das nicht nur möglich ist, sondern auch zu einem besseren und faireren Bildungssystem beiträgt.

In England, vor allem in London, ist der sogenannte Progress-8 score eine der wichtigsten Datengrundlagen. Diese Kennzahl ist doppelt dynamisch bzw. relativ und damit sehr gut geeignet die Qualität von Schulen zu bestimmen. Progress 8 misst nicht nur den Lernfortschritt den Schüler:innen in acht Fächern über einen Zeitraum von 5 Jahren an ihrer Schule erreicht haben, sondern setzt diesen Lernfortschritt auch in Relation zu dem jeweils für sie erwarteten Lernfortschritt. Der große Fokus auf diese Leistungsdaten im Vereinigten Königreich hat sicherlich auch negative Aspekte. Die Transparenz dieser fairen Vergleichswerte aber hat zu einem Umdenken geführt, welche Schulen als „gut“ gelten und welche Lehrer:innen die „beste“ Arbeit machen. Außerdem dienen sie als Grundlage zur Unterrichtsentwicklung. 

In Hamburg werden alle Schüler:innen in den Pflichtschuljahren sechs Mal mit den sogenannten KERMIT-Testungen getestet. Diese Testergebnisse stehen dann den Schulleitungen, der Schulaufsicht und den Lehrer:innen als Grundlage für die Schul- und Unterrichtsentwicklung zur Verfügung. Diese Datenerhebung war bei der Einführung 2012/13 sehr umstritten, mittlerweile ist sie sowohl Direktor:innen, als auch bei Lehrer:innen beliebt, um die Qualität von Schulen und Unterricht sicherzustellen. 

In Estland gibt es eine öffentliche Website des Ministeriums, auf der alle Daten zu jeder Schule einsehbar sind. Von der Größe der Klassenzimmer, der Ausbildung der Lehrer:innen, den Ergebnissen bei zentralen Testungen bis hin zu den Ergebnissen des jährlich „satisfacory survey„, in welchem alle Schülerinnen und Schüler gefragt werden, wie es ihnen geht und was sie sich wünschen, ist alles transparent einsehbar.

Diese Offenheit mit solchen Daten irritiert in Österreich meist sehr. Aber. London ist innerhalb Englands (und wohl auch innerhalb Europas) einer der besten Orte für sozio-ökonomisch benachteiligte Schüler:innen, eine Schule zu besuchen und faire Chancen zu bekommen. Hamburg war vor einigen Jahren eines der schlechtesten deutschen Bundesländer, ist derzeit auf dem dritten Rang und, nach dem Saarland, jenes Bundesland, das sich seit 2013 am meisten verbessert hat. Und, Estland hat in fast jedem Vergleich das beste und fairste Bildungssystem Europas.

Vielleicht ist meine Mittelschule besser als ein Gymnasium

Der Gedanke ist provokant: Vielleicht ist meine Mittelschule für den (relativen) Lernfortschritt ihrer Schüler:innen besser als das Gymnasium daneben? Welche Schule ist dann eine „gute Schule“? 

Wir haben in Österreich nicht definiert, was eine „gute“ Schule ist. Dennoch reden wir ständig von „guten“ und „schlechten“ Schulen. Eine wichtige Kenngröße sollte der Lernfortschritt der Schüler:innen sein. Erfolgreiche Bildungssysteme messen genau das und nutzen diese Daten, um Schwächen zu identifizieren, Verbesserungen anzustoßen und die Unterrichtsqualität zu entwickeln. Es ist an der Zeit, in Österreich die Debatte um „gute“ und „schlechte“ Schulen auf eine fundierte Basis zu stellen. Anstatt auf Hörensagen zu vertrauen, sollten wir transparente und dynamische Daten nutzen, um die Qualität von Schulen zu bewerten. Nur so können wir allen Schüler:innen faire Chancen bieten – unabhängig vom Schultyp oder sozialen Umfeld.

Felix Stadler, Mitgründer von Schulgschichtn und Lehrer an einer Wiener Mittelschule.

Lesezeit: 6 Minuten

Das Lehramtsstudium vermittelt einem, wie verschiedene Erdschichten aufgebaut sind und

welche chemische Zusammensetzung sie haben oder lässt einen Mittelhochdeutsch perfekt

verstehen. Doch über Themen wie Elternarbeit, administrative Aufgaben und tatsächliche

Herausforderungen in Wiener Schulklassen hört man kaum ein Wort. Es ist schon paradox, dass

einer der wichtigsten Berufe so lange studiert werden muss, während man gleichzeitig das

Gefühl hat, auf den eigentlichen Beruf überhaupt nicht vorbereitet zu werden.

Meine gesamte Schulpraxis während des Bachelorstudiums bestand aus sechs Team-Teaching-

Einheiten und drei Einzelstunden. In der Geografie-Praxis hielt ich die Teameinheiten sogar in

einem Viererteam ab. Ehrlich gesagt, weiter von der Realität hätte diese Erfahrung nicht entfernt

sein können.

Der Dienstantritt – Konfrontation mit der Realität

Nun habe ich mein erstes Dienstjahr an einer Wiener Mittelschule hinter mir und beginne gerade

das zweite. Die vielen Eindrücke und Erlebnisse, die ich gesammelt habe, könnten wohl ein

ganzes Buch füllen, doch ich werde versuchen, mich hier auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Erst mit dem Eintritt in den Schulalltag merkt man, wie viel man eigentlich nicht weiß. Das

Studium bereitet einen nicht ausreichend auf die Realität des Lehrberufs vor, und viele

Lehramtsstudierende erleben dann einen Schock, wenn sie zum ersten Mal vor einer Klasse

stehen. In den wenigen pädagogischen Veranstaltungen an der Universität wird man häufig von

Professor:innen unterrichtet, die nie selbst in einem Klassenzimmer standen. Ich erinnere mich

besonders an ein Seminar, in dem die Lehrkraft wiederholt gefragt wurde, wie sie in bestimmten

Unterrichtssituationen reagieren würde. Doch konkrete Antworten haben wir nicht bekommen.

„Das kommt immer darauf an“ oder „Das sehen Sie dann, wenn Sie unterrichten“ waren die

gängigen Antworten – und diese waren keine Einzelfälle.

Ich habe schnell gelernt, dass der Großteil des fachlichen Wissens aus der Uni im Alltag nicht

unbedingt von Bedeutung ist. Was jedoch viel problematischer ist, ist die fehlende Vorbereitung

auf die tatsächlichen Herausforderungen, die der Schulalltag mit sich bringt. Es scheint fast

normal geworden zu sein, dass man sich alles selbst beibringen muss, sobald man in den Beruf

einsteigt. Der Gedanke „das sieht man dann schon, wenn man unterrichtet“ wird immer

häufiger von den Universitäten übernommen.

Wenn man dann endlich nach mehreren Jahren Studium in der Schule steht und beispielsweise

das erste Elterngespräch führen muss, ist man oft völlig überfordert. Wie beginnt man so ein

Gespräch? Was ist angebracht und was vielleicht nicht? Diese Fragen hat man im Studium kaum

thematisiert.

Auch das Bild, das einem von einer Schulklasse vermittelt wird, könnte kaum weiter von der

Realität entfernt sein. Nein, es sitzen nicht alle Kinder ruhig da und hören interessiert zu. Und

nein, es gibt keine Klasse, in der es keine Schwierigkeiten gibt. Obwohl die Sprachvielfalt in Wien

oft zur Sprache gebracht wird, fehlt es im Studium an praktischen Hinweisen, wie man diese in

der Klasse bewältigt. Gerade im Germanistikstudium wäre das besonders hilfreich gewesen.

Das große Fragezeichen, das vielen Berufseinsteiger:innen im Kopf schwebt, ist das „WIE?“ Wir

wissen, dass es verhaltensauffällige Schüler:innen gibt, aber wie man mit ihnen umgeht, lernt

man kaum. Wir wissen, dass viele Kinder keine oder nur geringe Deutschkenntnisse haben, aber

wie wir ihnen im Unterricht helfen können, das wird kaum vermittelt.

Diese Unsicherheiten führen dazu, dass viele Lehrkräfte schon nach wenigen Wochen wieder

kündigen. An meiner Schule war dies letztes Jahr der Fall, und auch dieses Jahr haben wir

wieder Kolleg:innen verloren, die sich nicht ausreichend vorbereitet fühlten.

Ich persönlich hatte das Glück, mich durch die Erfahrungen meines Partners, der bereits vor

Jahren in einer Mittelschule tätig war, im Vorfeld etwas auf diese Herausforderungen einstellen

zu können. Dadurch konnte ich mir schon früh Gedanken darüber machen, wie ich in

verschiedenen Situationen reagieren würde, was mir den Einstieg sicherlich erleichtert hat.

Doch sollte dies wirklich als „Privileg“ gelten? Sollte nicht jede:r Lehramtsstudierende die

Möglichkeit haben, sich realistische Vorstellungen vom Beruf machen zu können, bevor er/sie

ins kalte Wasser geworfen wird?

Meine persönlichen Erfahrungen im ersten Dienstjahr

Nun, genug Kritik an der Universität Wien. Wie sah mein erstes Dienstjahr denn tatsächlich aus?

Es war geprägt von intensiven neuen Erfahrungen, vielen kleinen Erfolgen und einem steilen

Lernprozess. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich am ersten Tag in die Schule kam und

plötzlich mit vielen Begriffen und Abkürzungen konfrontiert wurde, die mir völlig neu waren.

Begriffe wie „KEL-Gespräche“ , „Sche-Bögen oder ao-Kinder waren mir zunächst fremd, aber

nach kurzer Zeit war ich überrascht, wie schnell man sich in diese neue Welt einfindet. Diese

neuen Herausforderungen haben mich nicht nur gefordert, sondern vor allem motiviert.

Eine der größten Lektionen im ersten Jahr war, dass jede noch so kleine Entscheidung oder

Handlung gefühlt unendlich viel Zeit in Anspruch nahm. Jede Entscheidung – sei es, wie ich eine

Sitzordnung gestalte, wie ich mit Schüler:innen in schwierigen Situationen umgehe oder wie ich

ein Elterngespräch beginne – wurde von mir anfangs lange überdacht. Im ersten Jahr wollte ich

immer alles richtig machen, und das führte dazu, dass ich mich oft selbst hinterfragte. Doch

genau diese intensive Beschäftigung mit den kleinen Details hat mich wachsen lassen. Im

zweiten Jahr merke ich nun, dass viele dieser Entscheidungen viel schneller und

selbstverständlicher getroffen werden. Man gewinnt Routine und das Vertrauen in die eigenen

Fähigkeiten.

Ein besonderer Moment in meinem ersten Jahr war, als mir angeboten wurde, Klassenvorstand

zu werden. Viele sehen darin nur zusätzliche Arbeit, aber für mich war es eine unglaubliche

Ehre. Ich war unglaublich dankbar für diese Möglichkeit, weil ich es als ein großes Vertrauen in

meine Arbeit empfand. Dieses Angebot hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und

dass meine Arbeit gesehen und wertgeschätzt wird. Als Klassenvorstand habe ich die

Möglichkeit, noch enger mit meinen Schüler:innen zusammenzuarbeiten und sie auf ihrem Weg

intensiver zu begleiten, was für mich eine der schönsten Aufgaben im Lehrberuf ist.

Zusätzlich zu dieser Rolle wurde mir auch die Chance gegeben, einige administrative Aufgaben

der Schule zu erlernen, für den Fall, dass es irgendwann nötig sein sollte

mitzuhelfen/einzuspringen. Auch das mag nach mehr Arbeit klingen, aber für mich war es ein

Zeichen, dass man mir viel zutraut. Ich empfinde es als große Ehre, schon im ersten Jahr so viele

Möglichkeiten zu bekommen. Ich habe dabei meine eigene Theorie entwickelt: Je mehr man am

Anfang lernt und je früher man „ins kalte Wasser geworfen wird“ , desto schneller wächst man in

die Rolle hinein und desto sicherer fühlt man sich im Schulalltag. Dieser Gedanke hat mir

persönlich sehr oft geholfen – besonders in stressigen Situationen.

Was mir bei all diesen neuen Aufgaben und Herausforderungen noch sehr geholfen hat, war das

großartige Team, in das ich aufgenommen wurde. Ich hatte großes Glück, an eine Schule zu

kommen, an der das Kollegium nicht nur professionell, sondern auch unglaublich unterstützend ist.

Gerade im ersten Jahr ist es enorm wertvoll, ein Team zu haben, auf das man sich verlassen

kann. Es gab viele Momente, die anstrengend waren, sei es ein anstrengender Unterrichtstag

oder eine schwierige Situation mit einem:r Schüler:in. Doch zu wissen, dass man sich immer mit den

Kolleg:innen austauschen kann, hat mir die Sicherheit gegeben, dass ich nicht allein bin.

In unserer Schule wird viel mit Humor gearbeitet, was gerade an stressigen Tagen eine große

Erleichterung ist. Es ist wichtig, dass man lernt, auch über schwierige Situationen zu lachen und

den Stress nicht zu ernst zu nehmen. Meine Schulleiterin und ihre Stellvertreterin waren in

diesem ersten Jahr eine große Stütze für mich. Sie haben mir bei vielen Unsicherheiten geholfen,

sei es bei organisatorischen Fragen oder bei der Korrektur von Schularbeiten. Es war beruhigend

zu wissen, dass ich immer auf ihre Unterstützung zählen konnte, und das hat mir gerade im

ersten Jahr sehr geholfen. Sie haben mir nie das Gefühl gegeben, dass es schlimm sei, etwas

nicht zu wissen – im Gegenteil, sie haben mir stets den Rücken gestärkt und mir das Gefühl

gegeben, dass Fehler ein Teil des Lernprozesses sind.

Und trotzdem ein Traumberuf?

Absolut! Trotz all der Kritik an der Ausbildung würde ich diesen Beruf immer wieder wählen. Es

mag sein, dass einige Punkte in diesem Text bislang eher negativ klangen, doch das bezieht sich

hauptsächlich auf die Ausbildung und die mangelnde Vorbereitung. Sobald man sich jedoch

eingelebt hat und den einen oder anderen Fehler gemacht hat, beginnt man, den Beruf wirklich

zu genießen.

Die Kinder sind das, worauf es ankommt. Sie sind der Grund, warum ich diesen Job so liebe.

Viele Lehrkräfte hören oft den Satz: „Bei der heutigen Jugend würde ich mir diesen Job nicht

antun.“ Doch für mich gibt es nichts Schöneres, als zu wissen, dass ein Kind etwas gelernt hat,

weil ich ihm dabei geholfen habe. Oder dass ein Kind mit einem Problem zu mir kommt, weil es

mich als Vertrauensperson ansieht.

Es sind diese Momente, die all die Mühen wert sind. Wenn Kinder einem private Dinge

anvertrauen oder sich an einen wenden, weil sie Hilfe oder Rat brauchen, spürt man, dass man

als Lehrkraft eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt. Man kann als Lehrkraft entscheidend für

die Entwicklung eines Kindes sein – und das gibt mir unglaublich viel Motivation.

Ich liebe diesen Job, weil ich sehe, wie ich das Leben der Kinder beeinflussen kann. Jeder kleine

Erfolg eines Schülers/einer Schülerin oder eine ehrliche Dankbarkeit für Hilfe macht den Stress

und die schwierigen Situationen wett. Solange man nicht vergisst, dass es letztendlich um die

Kinder geht, kann man auch über viele Schwächen im Bildungssystem hinwegsehen.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.