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Warum berichten unsere Pädagogen*innen immer wieder von Überlastung? Mit dieser Frage ist eine Gruppe von Eltern vor nicht allzu langer Zeit an mich herangetreten. Sie haben eine Arbeitsgruppe gebildet und möchten sich mit diesem Thema beschäftigen. Ich selbst bin Arbeitspsychologin, Mama zweier Mädels an dieser Schule und im Rahmen meiner Elternmitarbeit begleite ich seit 6 Jahren das Team. Das Ziel meiner Arbeit: Pädagogen*innen an einer reformpädagogischen Schule, die gesund bleiben und mit Freude bei der Arbeit sind.

Auf die Frage der Eltern bin ich dann in mich gegangen, habe die Arbeit der letzten Jahre reflektiert und mich mit dem Team besprochen. Die Antwort ist eigentlich ganz klar: der größte Belastungsfaktor sind die Eltern – so traurig das auch klingen mag. Alle Teammitglieder sind einer Meinung: die Arbeit mit den Kids bereitet ihnen viel Freude und ist meistens auch energiebringend. Die Arbeit im Team passt auch sehr gut. Die eine oder andere Besprechung ist zu viel, es bleiben immer wieder spannende Projekte liegen, weil die Zeit fehlt und ab und zu stellt auch die Bürokratie eine Herausforderung dar. Alles part of the job und auch ok – wären da bloß nicht die Eltern.

Unsere Schule ist recht klein. Sie wird von rund 90 Schüler*innen zwischen 7 und 15 Jahren besucht. Auch wenn wir seit ein paar Jahren eine konfessionelle Schule sind, ist das Schulgeld, das monatlich zu bezahlen ist, doch recht hoch und mit der Höhe des Schulgeldes steigt wahrscheinlich auch der Anspruch der Eltern „etwas Besonderes“ – einen Mehrwert im Vergleich zur Regelschule zu bekommen. Immer wieder fällt die Aussage von Seiten der Eltern „wir zahlen ja dafür“. Und mit dieser Aussage üben sie, wenn auch nicht bewusst, Druck auf das Team aus.

Das Team ist sehr bemüht immer wieder Außergewöhnliches zu leisten. Manchmal scheint es so, als hätte das den gegenteiligen Effekt. Warum? Weil man es niemals allen recht machen kann und die Zielgruppe der Eltern, deren Kinder eine reformpädagogische Schule besuchen ist doch – auch wenn man sich das nicht erwartet – sehr heterogen. Manche Eltern wünschen sich einen sehr freien Schulunterricht. Andere wiederum sind stark verunsichert, wenn die Struktur fehlt. Manche wünschen sich Lernchecks, manche sogar Noten und andere wiederum am liebsten keinerlei offensichtliche Leistungsbeurteilung bis zum Ende der Schulpflicht. Und die Pädagogen*innen – die stehen dazwischen und mühen sich damit ab die Freude an der Arbeit nicht zu verlieren. Nebenbei bemerkt – alle diese Themen sind in einem verschriftlichten Schulkonzept festgelegt, das den Eltern schon vor dem Eintritt ausgehändigt wird – und dennoch führen sie immer wieder zu Diskussionen.

Nur kurz erwähnt, um nicht zu vergessen – der Redebedarf der Eltern. Der, so denken manche Eltern zumindest, in einer Schule, in der man zahlt, auch entsprechend lange gestillt werden sollte. Auch das kostet Zeit und erfüllt man die Erwartungen der Eltern nicht und hört sich ihre Sorgen nur unzureichend an, so gehen sie in den Widerstand und dann wird es erst recht anstrengend.

Gemeinsam mit dem Team haben wir die verschiedensten Varianten überlegt. Die Quintessenz: es sind immer nur ein eine Hand voll Eltern, die anstrengend sind. Die Zusammenarbeit mit dem größten Teil der Eltern ist fruchtbar und wertschätzend. Das Ziel: den Fokus auf jene Eltern zu legen die Energie bringen oder zumindest energieneutral sind.

Und zum Schluss noch ein paar Vorschläge für Eltern: 

  1. Auch wenn ihr eingeladen seid, im Unterricht zu hospitieren: Vielleicht reichen drei Mal im Jahr, um so einen groben Eindruck zu erhalten. Es muss nicht jede Woche sein.
  2. Überlegt vorher, wie wichtig die Kontaktaufnahme am Sonntagabend zu der Lehrperson ist. Und dann teilt die Wichtigkeit durch 25… denn soviel Schüler:innen betreut die durchschnittliche Lehrkraft. 
  3. Außer im Fußball gibt es vermutlich nirgends so viele Expertinnen wie im Bildungsbereich. Die Lehrkräfte wissen meist was sie tun und das was sie tun tun sie nach bestem Wisen und Gewissen. Sie haben sich den Beruf ausgesucht und machen ihn im Normalfall gut und gerne. Natürlich kann es Ausnahmen geben. Aber gerne einfach mal „the benefit of the doubt“ geben. 
  4. Und zu guter Letzt Rosegger – schließlich sind wir in der Steiermark: Wenn du wen gern hast, lege ihm alles zum Guten aus – dann hast du meistens recht. 

Die Autorin ist Arbetispsychologin und aktive Mitwirkende in der Elternarbeit in der Steiermark.

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ein Kommentar von Bernhard Lahner, er arbeitet in einer Förderklasse, Bildungsaktivist

In den letzten Wochen wurde oft über Gewalt an Schulen und den darauffolgenden bildungspolitischen Lösungen diskutiert. Für all jene, die im System sind, läuft dieser Diskurs leider in die falsche Richtung. Grund dafür ist, dass es zum Beispiel Förderklassen, also Kleingruppenklassen mit maximal 6 Schüler:innen und 2 Lehrer:innen, schon seit Jahrzehnten gibt und auch dieses Setting ist oft nicht mehr handlebar.

Die Genese der “SES – Schwersterziehbarenschule” und Förderklasse

Schon seit Jahrzehnten wurden Schüler:innen, die aufgrund sozial-emotionaler Beeinträchtigungen, Traumas, Misshandlungen oder psychischen Erkrankungen, die in einer Regelklasse mit 25 Mitschüler:innen überfordert waren, in Kleingruppen beschult. Ganz ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Eine Kommission aus Expert:innen berät regelmäßig über einzelene Schüler:innen, um ihnen die bestmögliche Bildung zu ermöglichen.

In diesem kleinen, fast schon familiären Setting, sollte es mehr Zeit für die individuelle Verarbeitung der eigenen Geschichte der Schüler:innen geben. Unterstützung kommt von Psychagog:innen (Lehrer:innen mit psychologischer Zusatzausbildung) und ein intensiver Austausch mit den Eltern ist Pflicht. Des Weiteren wurde, wenn nicht bereits geschehen, die Schulpsychologie herangezogen und es wird versucht, weitere außerschulische Beratungsangebote den Betroffenen und den Erziehungsberechtigten schmackhaft zu machen.

Damals gab es für Pädagog:innen, die in diesem Bereich arbeiteten, eine eigene Ausbildung an der Pädagogischen Akademie. Diese spezielle Ausbildung gibt es so nicht mehr und wird heute an den Hochschulverbünden individuell mit Schwerpunktseminaren angeboten.

Der Status quo

Wie die 90iger so waren, können sich die älteren unter uns noch vorstellen. Wir telefonierten heimlich mit unserem Crush mit dem Drehscheibentelefon der Großeltern und machten uns Dates bei der einen großen Linde im Wald aus. Ja, damals war alles besser. Natürlich nicht, aber es soll die Geschwindigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung zeigen, zu dem Zeitpunkt, als offenbar Bedarf für “Kleingruppenklassen” bestand.

Heute sind wir überfordert mit der technologischen Entwicklung von Computerspielen, Smartphones, KI und Co. bei gleichbleibendem Lehrplan. Hier wird laufend additiv ergänzt und den Schule alle möglichen Schwachsinnigkeiten aufoktroyiert.

Das wir gesellschaftlich seit Jahrzehnten einen immer schnelleren Wandel u.a. durch Innovationen und Technik erleben ist allseits bekannt. Das wir von einer Industriellen in eine Dienstleistungsgesellschaft schlittern, merken wir auch seit Jahren mit Blick auf veröffentlichte Jobangebote.

Erschwerend zur Entwicklung der kommenden Generationen kommen Finanz- und Gesundheitskrisen, Kriege und immer gewalttätigere Sprache im politischen Diskurs durch Rechtsextreme, die TikTok, Insta und Telegram bestens beherrschen.

Unsere, schon sehr vulnerablen Jugendlichen, springen auf diese Influencer nicht nur an, sie halten das Gesagte auch oft für das einzig Wahre und Richtige. Die Gründe sind vielfältig, aber was sich aus der Praxis beobachten lässt, ist, dass ein Großteil dieser Jugendlichen das Vertrauen in demokratische Institutionen schon verloren hat und auch keine Ressourcen für zusätzliche Informationsbeschaffung oder eine angemessene Reflexion hat. Angefangen in der Kindergruppe, in der sie mit ihrem “aufgeweckten” Verhalten auffallen, weiter in der Volksschule, in der sie bei erhöhten Bewegungsbedarf abgestraft und zum Sitzen gezwungen werden. Dann in außerschulischen Bereichen wie Gesundheitseinrichtungen, in denen sie lange durchgetestet werden, ein Befund ausgestellt wird und danach nichts mehr passiert. Die Schulen werden allein gelassen. Schon einzelne Kinder und Jugendliche können in der Volks- oder Mittelschule ganze Klasse “sprengen”. Mobbing und Gewalt ist oft die einzige Strategie, die bei psychisch vulnerablen Personen ins Außen kommt, um die inneren Dämonen bezwingen zu können. Jetzt beginnt die letzte Maßnahme, die Schule machen kann. Sie schützt die restlichen Kinder, indem sie den “Rabauken” suspendiert – und alleine lässt. In unserer veralteten Logik sperren wir “nicht-passfähige Personen”, wie auch Menschen mit Behinderungen, einfach weg und überlassen sie sich selbst.

Die Negativspirale dreht sich immer schneller und schneller, weil alle Beteiligten, also Eltern, Pädagog:innen und das betroffene Kind, in diesem System überfordert ist und es keinerlei Unterstützung gibt. Nach maximal 4 Wochen Suspendierung beginnen die Muster von Neuem oder werden schlimmer, weil der/die betroffene Schüler:in mit sich alleine gelassen wird oder sich mit anderen suspendierten Kindern im öffentlichen Raum trifft.

Wir brauchen ein “koste es was es wolle an den Pflichtschulen” – und zwar JETZT

Wirtschaft und Politik beklagen Fachkräftemangel und wir wundern uns, warum die Schere zwischen arm und reich größer wird und sich der “Mittelstand” in Luft auflöst.

Für die kapitalistische Kaufkraftstärkung und Wirtschaftsförderung werden Millionen, wenn nicht Milliarden in die Hand genommen und der soziale Bereich wird auf allen Ebenen vernachlässigt und sich selbst überlassen.

“Koste es, was es wolle” muss sofort für den Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich gelten. Wir brauchen in all diesen Bereichen interdisziplinäre und multiprofessionelle Teams mit kleinstmöglicher Bürokratie und größtmöglicher Hilfe. Mit FISCH (Familie in Schulen) wird seit wenigen Jahren, Schuleinsteiger:innen und deren Eltern bei Verhaltensauffälligkeiten bestmögliche Unterstützung angeboten. Psychisch kranke Kinder und Jugendliche, bei denen oft eine gute Diagnostik fehlt und Kleinkriminalität, Misshandlung und Gewalt an der Tagesordnung steht, werden allein gelassen, genauso wie die Professionellen in Krisenzentren, WGs, Parksozialarbeiter:innen, Pädagog:innen und außerschulische Bildungseinrichtungen.

Es braucht eine massive bildungspolitische Offensive im Bereich der sozial-emotionalen und psychischen Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Wege aus der Krise ist ein kleiner Puzzlebaustein, aber verpufft wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Förderklassen brauchen vor Ort Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Therapeut:innen, Ergotherapeut:innen, etc. Alle Professionist:innen, die auf Kinder und Jugendliche positiv einwirken können, um sie bestmöglich zu unterstützen und von Suchtkrankheiten, Gefängnis und Arbeitslosigkeit zu bewahren. Da müssen wir investieren und den Fokus legen.

Die Finger in die Wunde legen

Alle Entscheidungsträger:innen, alle im Sozialbereich tätigen, alle Betroffenen wissen das.

Jeder von uns kennt jemanden, in Lebenskrisen, in depressiven Verstimmungen, mit Persönlichkeitsstörungen, mit mentaler Ungesundheit. Wir alle kennen und wissen es. Und auch wir alle dulden diesen Zustand, sehen bewusst weg und putzen uns mit Glaubenssätzen wie, “das sind nur wenige Menschen”, etc. ab. Aber nein, es sind nicht wenige Menschen und es werden täglich mehr. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen, der nächsten Generationen. Wir müssen den Finger in die Wunde legen und uns als Gesellschaft an der Gesellschaft entschuldigen und endlich die richtigen und notwendigen Maßnahmen setzen.

Es ist 5 nach 12 und alle politischen Maßnahmen, Ideen und bereitgestellten Gelder sind zu wenig. Es braucht sofort einen nationalen Schulterschluss im Sozial, Bildungs- und Gesundheitsbereich. Es braucht Vernetzung, Austausch und konkrete Verbesserungen. Wir können nicht zulassen, dass die einzige Antwort gegenüber vulnerablen Gruppen das Wegsperren ist. Wir haben hier und jetzt die Verantwortung und müssen uns dieser bewusst sein.

Bernhard Lahner BEd, Förderklassenpädagoge im sozial-emotionalen Bereich, Bildungsaktivist

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Der Nahost-Konflikt, der zweite blutige Krieg innerhalb von zwei Schuljahren, prägt derzeit nicht nur die Nachrichten sondern oft auch Klassenzimmer und Schulhöfe. Was müssen, können, sollen und dürfen Lehrer:innen leisten? Was beschäftigt die Schüler:innen und wie kann man dem begegnen? Wir haben Lehrkräfte dazu befragt. Sie unterrichten an verschiedenen Wiener Mittelschulen und haben eigentlich andere Namen. 

1. Ist der Konflikt bei euch in der Schule ein Thema? 

Claudia: Ja, sogar ein sehr großes. In den 2., 3. und 4. Klassen hört man regelmäßig Getuschel darüber.

Martin: Der Konflikt ist bei uns soweit Thema wie wir es zulassen. Es kommen Aussagen von den SuS. Es ist nur so, dass diese zum Teil ignoriert werden oder von vorne herein als „radikal“ abgeschmettert werden. Und das wiederum checken die SuS. Sie reden dann eben nicht offen sondern tauschen sich über Social Media aus. 

2. Wie äußert sich das? Was sagen die Schüler:innen?

Claudia:  Aufgrund meines Aussehens werde ich meistens für muslimisch gehalten. Viele SuS fragen mich in der Stunde und am Gang „für wen“ ich in diesem Konflikt bin und hoffen als Antwort „Palästina“ zu hören.

Viele SuS verspüren starken Rede- und va. Äußerungsbedarf.

Die SuS, die darüber sprechen, sind zu 100 % gegen Israel, sehen in diesem Konflikt nicht die Hamas, sondern „Palästina“ als Kriegspartei und wissen oft gar nicht, dass es einen Terrorangriff der Hamas gab.

Martin: Ja klar, viele sind für die „Hamas“ ohne zu bedenken, dass diese ja nicht Palästina sind.

Mir haben SuS gesagt, dass man nicht alles glauben darf, was man im Fernsehen sieht. Und das finde ich insofern bedenklich, weil das klar macht, welcher Quellen sie sich bedienen.

Ein Mädchen hat mir gesagt, dass das alles gar nicht so stimmt. Und dass ihr Mutter gemeint hat, sie soll ihre Kette vom Hals geben. Es ist eine Kette auf der Palästina steht. Diese Kette trägt sie schon seit Schulbeginn. Aber, wie gesagt, die Mutter hat Angst.

Ein anderer Junge wollte wissen, für wen ich bin. Das war in der Straßenbahn und ich habe ihm erklärt, dass ich gerne rede, aber nicht in einer Situation, in der kein Diskurs möglich ist.

Prinzipiell wollen die SuS wissen, was wir denken. Und ich glaube, wir sind verpflichtet ihnen diesen Raum zu geben. Denn sie wollen, wie immer, gehört werden. Die Gefahr ist, wenn wir sie nicht hören, dann gehen sie dorthin, wo man ihnen vermeintlich zuhört, aber sie nur instrumentalisieren will.

Ich glaube, wenn sich Kolleg:innen nicht zutrauen darüber zu reden, dann muss man Expert:innen ins Haus holen. 

3. Behandelt ihr das Thema? Wenn ja: Warum – Wenn nein: auch warum?

Claudia: Ja, in den Geschichtestunden. Ca. 2h pro Klasse (3. Klassen)

Ich habe selbst einen Bezug, da ich ca. ein Jahr in Jerusalem gelebt habe und dort einige Freunde habe.

Das Thema Antisemitismus prägt bei uns den Schulalltag.

Wir haben  auch beim Thema Mittelalter gerade über Pogrome gesprochen.

Viele SuS fühlen sich als Muslime davon betroffen und haben Redebedarf.

Ich habe das große Bedürfnis, zumindest die Fakten zu klären um ein wenig gegen die vorhandene Einseitigkeit bei den SuS gegenzusteuern.

Ich möchte den SuS besser vermitteln, dass es nach solchen Aktionen und Kriegen, niemandem besser geht.

Ich versuche auch ein wenig Sachlichkeit in das Thema zu bringen: Historisch aufrollen: Was war dort vor Israel? Warum gibt es den Konflikt? Wo ist Gaza? Was ist die Hamas? Was ist eigentlich passiert? Welche Länder könnten involviert werden? Was tue ich, wenn ich Angst habe nach solchen Nachrichten?

Martin: Ich behandle das Thema, wenn der Bedarf danach ist, aus den Gründen, die ich oben erwähnt habe. Das kann in der Pause sein, oder in einer Stunde, auch in der Mathematikstunde. Wir reden viel über Frieden, und dass der Krieg viele von ihnen vertrieben hat. Dass Krieg der Grund ist, warum sie hier sind. Und dass Krieg nur Verlierer/innen hat und keine Sieger/innen. Auch wenn sie diese Aussagen manchmal belächeln, es macht etwas mit ihnen. Sie denken zumindest kurz nach. Abschließend möchte ich schon noch schreiben, dass gerade die Jugendlichen ihre Meinung im Internet bilden. Und dass oft die Eltern keine Ahnung haben, wo die SuS ihre Infos herhaben. Wie schon ganz oben erwähnt, viele Eltern haben Angst noch mehr ausgegrenzt zu werden, aufgrund ihrer Religion. 

Ein wichtiger Hinweis noch seitens der Redaktion: Wenn es Euch zu viel wird, ihr Hilfe und/ oder Unterstützung benötigt, dann gibt neuerdings es die Lehrer:innen-Telefonhotline: www.wirkt.eu/teachersupport des Vereins wirkt.

Unterrichtsmaterial zum Thema gibt es z.B. hier: 

https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/320826/nahostkonflikt/

https://www.erinnern.at/lernmaterialien/lernmaterialien/themenheft-fuer-paedagoginnen-nahost-geschichte-konflikt-wahrnehmungen

https://www.bildung-vbg.gv.at/service/schulinfos/nahost.html

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Im folgenden Text möchte ich über meine Erfahrung als Lehrende an der Sommerschule 2023 berichten. Die letzten beiden Wochen hinterlassen viele Eindrücke,  leider schwingt hauptsächlich die Realisierung mit, dass die Organisation und Administration des Projektes, sowie die unterstützende Begleitung von Lehramtstudierenden auf diesem Weg, komplett versagt hat.

Ich habe mit 1. September 2023, meinen Dienst im Rahmen der Sommerschule 2023 an einem Gymnasium im sechsten Bezirk beendet und schreibe aus Sicht einer Lehramtstudentin im Master, welche sich nach diesen zwei Wochen bezüglich der Organisation dieses Projekts deutlich vor den Kopf gestoßen fühlt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass der Hintergedanke der Sommerschule ein richtiger ist und halte auch den gewonnenen Erfahrungswert für Student:innen für nutzbringend. Allerdings finde ich es gleichermaßen wichtig, mitzuteilen, welche Zumutung die Organisation und Administration der Sommerschule in meinem Fall (und dem meiner Kolleg:innen) war. Gerade angesichts des derzeitigen Lehrer:innenmangels ist es meines Erachtens mehr als kontraproduktiv für alle Beteiligten, besonders auch für die Schüler:innen, so eine Arbeitsweise an den Tag zu legen.

 Holpriger Start der Sommerschule

Schon2 Wochen bevor die Sommerschule startete, schrieb ich eine Mail an die Standortleitung, ob es möglich wäre, die Schule zu besichtigen und meine Gruppengröße wie auch die Schulstufe zu erfahren. Laut dem FAQ auf der Homepage des Bildungsministeriums sollte es schließlich auch vor dem offiziellen Start eine standortspezifische Konferenz geben. Letztendlich fand die erste Kommunikation erst am Samstag (19.8), zwei Tage vor dem Start, statt. Dabei wurde auch nicht auf nähere Fragen eingegangen, es wurde nur ein Rundmail an alle Unterrichtenden ausgeschickt, zwar mit einer Klassenliste, jedoch war daraus nicht ersichtlich, welche Schulstufe man bekommt. In der Mail wurde bedauert, dass man nicht auf Anfragen eingegangen ist, die Standortleitung sei die letzten Wochen auf Urlaub gewesen. Ich verstehe, dass man in den Sommermonaten zeitweise aufgrund von Urlaub unerreichbar ist, aber so lange und so knapp vor der Sommerschule sehe ich das nicht ein, vor allem wenn es sich nur um ein kurzes Mail zurück handelt, in dem es um essentielle Informationen geht.

Als wir schließlich am Montag in der Schule eintreffen, herrscht vollkommenes Chaos. Die Standortleitung händigt uns bloß die Schlüssel und ein Stück Kreide aus, führt uns aber nicht herum, gibt uns lediglich vage Beschreibungen, wo sich die Klassen befänden (als wären wir jemals vorher schon in dieser Schule gewesen). Zeit für Fragen gibt es keine mehr, beziehungsweise bekommen wir keine hilfreichen Antworten. Funktioniert der Beamer, das Internet? Das könne er uns nicht sagen, da „müsse man halt schauen, er sei die letzten Wochen auch nicht dagewesen“. Kann man irgendwo rausgehen, in den Hof oder den Turnsaal benutzen? Nein, die Schule würde gerade generalsaniert. Ich möchte an dieser Stelle erinnern, dass es in der ersten Woche durchschnittlich um die 35 Grad hatte. Man kann sich also vorstellen, wie schlimm dann die Atmosphäre in einer Klasse ist, in der die Jalousien teilweise kaputt sind und vorm Fenster Baustellenlärm herrscht. Ich frage mich, weshalb so ein Standort für die Sommerschule überhaupt ausgewählt wurde. 

Zurück zum ersten Schultag: Bald kommen Eltern und Schüler*innen herein, diese irren herum, wir können ihnen auch nicht helfen, weil wir selbst einmal unsere Klassen finden müssen. Die Klassenlisten beim Eingang werden in letzter Sekunde von der Standortleitung aufgehängt, wir könnten ja stattdessen Auskunft geben und die Kinder in ihre Klassen lotsen. Nachdem sich das Chaos langsam legt, bemerke ich, dass ich statt dem vorgegegbenen Maximum einer Schüler:innenanzahl von 15 Schüler:innen, 19 Kinder bei mir habe, wobei sich alle Klassenstufen in meiner Gruppe befinden. Ich möchte dabei betonen, dass ich mich im Laufe meiner Ausbildung mit Differenzierung heterogener Lerngruppen und Projektarbeit auseinander gesetzt habe und ich auch weiß, dass ich eine kompetente Lehrperson bin. Allerdings ist es eine Zumutung, projektorientierten Unterricht planen zu müssen, in dem auf individuelle Bedürfnisse eingegangen wird, wenn ich gleichzeitig 11- bis 14-jährige Lernende da sitzen habe und keinerlei Ressourcen zu Verfügung gestellt bekomme. 

Unterstützung seitens der Standortleitung

Laut der Homepage des Bildungsministeriums „unterstützt die Sommerschulleitung bei der Planung und Organisation der Sommerschule am Standort“. Leider haben meine Kolleg:innen und ich das überhaupt nicht so empfunden. Die Standortleitung ist entweder nicht imstande, unsere Fragen zu beantworten (beispielsweise wie der Beamer funktioniert: „das kann ich nicht sagen, da müssen Sie schauen“) oder ist nicht aufzufinden. Wir bekommen nie eine Telefonnummer, es gibt keinen Raum oder Zeit für interne Vernetzung. Beispielsweise wäre es sehr praktisch, bei den umherirrenden Eltern eine Ansprechperson weitergeben zu können, jedoch werden wir auch nicht informiert, wo sich der Zuständige befindet. Ich finde ihn selbst irgendwann einmal in der Bibliothek. Uns teilt er nicht mit, dass er sich dort befinden wird. Ich kümmere mich währenddessen darum, dass eine WhatsApp-Gruppe entsteht.

Die Standortleitung kommt nur vorbei, um Anwesenheitslisten einzusammeln oder mit dem Dienstvertrag, den ich auf der Stelle unterschreiben soll. Ich bekomme keine Zeit, ihn mir näher anzusehen. Von ihm kommen keine Informationen, erst auf Nachfrage, wie wir vorgehen sollen, wenn Schüler:innen beispielsweise nicht erscheinen, gibt es eine Antwort, jedoch scheint er sich hier selbst unklar. Die Kontaktdaten der Schüler:innen mitsamt Telefonnummern der Erziehungsberechtigten erhalten wir erst am 23.8. Auf Nachfrage, was wir tun sollen, wenn sich ein Kind verletzt, heißt es bloß, dass die Schüler:innen ja eh selbst ein Handy mithätten, wo sich die Nummern drin befänden. Hier möchte ich wissen, was ich dann machen soll, wenn in Ernstfall ein Kind bewusstlos ist und ich nicht weiß, wie ich das Handy entsperren kann. Weiters bekommen wir zwar Schlüssel bekommen, jedoch funktionieren diese erst ab 8:00 Uhr. Dies ist sehr kontraproduktiv, wenn man um 7:15 Uhr vor der Schule steht, die Klasse vorbereiten, kopieren oder auch die Toilette benützen möchte. 

Mangel an Ressourcen

Während der ersten Woche merke ich bald, dass ich aufgrund der verschiedenen Schulstufen in meiner Gruppe weitaus mehr Material benötigen werde, als ich mir vorgestellt habe. Natürlich könnte ich auch irgendwelche Arbeitsblätter aus dem Internet vorlegen, jedoch verdienen diese Kinder auch qualitätsvollen Unterricht. Außerdem versuche ich stets, sie bei dieser Hitze und dem Mangel an Ressourcen (Beamer funktioniert erst am dritten Tag, Kopierpapier ist immer wieder mal leer) zu motivieren. Ich beginne also, aus eigener Tasche Materialien zu besorgen. Laut Ihrer Homepage sind „Materialkosten, die zur Durchführung der Sommerschule anfallen, vom jeweiligen Schulerhalter zu tragen“. Das war bei uns natürlich nicht der Fall. Mir ist bewusst, dass es meine Entscheidung und Verantwortung ist, ob und zu welchem Preis ich Material besorge. Allerdings möchte ich aus oben genannten Gründen den Schüler:innen qualitätsvolle Förderung sowie ein abwechslungsreiches Programm anbieten. Leider konnte ich mir auch keine Ideen aus einer Begleitlehrveranstaltung holen, da ich mich bereits im Masterstudium befinde und daher seitens der Universität Wien nicht mehr an einer solchen teilnehmen durfte, diese sei nur für Bachelorstudierende gedacht.

Ich habe bereits 2020 im Rahmen der Sommerschule unterrichtet und es macht mich nach wie vor wütend, wie wenig Studierende auch in Bezug auf Materialien unterstützt werden. Wieso gibt es heuer nicht wieder einen Sozialtopf für zusätzliche Kosten in Kooperation mit der ÖH? Die Lebenserhaltungskosten sind für arbeitende Studierende sowieso schon eine Zumutung. Da läuft dieses Projekt bereits das dritte Jahr und noch immer gibt es keine Unterstützungsangebote bezüglich Material. Man lernt natürlich im Laufe der Ausbildung, wie man Stunden plant, aber wie bereits erwähnt, nicht in derart heterogenen Lerngruppen und mit dem Anspruch auf Projektunterricht – allerdings ohne jegliche Ressourcen. Wieso kann man nicht beispielsweise Studierenden während dieser zwei Wochen Zugriff auf digitale Schulbücher (Stichwort digi4school) geben? Davon würden doch auch die Schüler:innen selbst profitieren. So könnte man wenigsten schon mal sehen, mit welchem Stoff sie sich im vorherigen Semester auseinander gesetzt haben sollten. 

Das Chaos ist noch nicht zu Ende

Zu Beginn der zweiten Sommerschulwoche setzt sich das Chaos fort. Eltern sowie Schüler:innen überraschen uns zu Unterrichtende mit dem Anliegen die Gruppe zu wechseln. Manche möchten eine Woche beispielsweise Englisch besuchen, in der zweiten dann aber Mathematik. Wir hören zum ersten Mal etwas davon. Die Standortleitung ist nicht im Haus, der unterstützende Lehrer an der Schule beginnt selbst erst im September an diesem Standort zu unterrichten und hat noch nichts von der Wechselmöglichkeit gehört. Eine Mutter berichtet mir auch, dass sie der Bildungsdirektion bereits vor Beginn der Sommerschule drei Mails im Laufe des Sommers geschrieben habe, ob ein solcher Wechsel nach einer Woche möglich sei. Sie erhielt nie eine Antwort.

Abschließendes Resümee

Zu guter Letzt möchte ich noch einmal betonen, dass ich das Projekt Sommerschule grundsätzlich für sehr sinnvoll halte. Ich habe auch den Eindruck, dass meine Schüler:innen sich etwas mitnehmen und ihr Wissen aufbessern konnten sowie gerne gekommen sind. Allerdings liegt das daran, dass ich zu teilweise furchtbaren Arbeitsbedingungen mein Bestes gegeben habe um ein motivierendes und funktionierendes Programm zusammen zu stellen. Der Stundenlohn passt auch nicht mit dem Arbeitspensum zusammen, wenn ich mich mit so viel organisatorischen Malheurs herumschlagen muss und bis in die Nacht hinein Stunden plane, die 11- sowie gleichzeitig 14-jährige Schüler:innen anspricht. Ich arbeite gerne und scheue auch nicht vor Arbeit zurück, jedoch vergeht einem die Lust an diesem eigentlich sehr erfüllenden Beruf, wenn man in solch einer Art und Weise seitens der Administration behandelt wird. Darunter leiden alle Beteiligten. Am Ende auch die Schüler:innen.

Hier haben die organisierenden Instanzen gänzlich versagt und mir ist es ein Anliegen, darüber zu informieren, damit es die nachkommenden Studierenden und Schüler:innen vielleicht besser haben. Ich hatte eine tolle Zeit mit meinen Schüler:innen und habe viel gelernt, allerdings würde ich unter solchen Bedingungen nie wieder an der Sommerschule teilnehmen und auch anderen davon abraten. Man sollte überdenken, welche Personen als Standortleitung eingestellt sowie welche Standorte ausgesucht werden und wie man Studierende besonders bezüglich des Materials unterstützen könnte. Es braucht eine bessere Kommunikation und Organisation, das schuldet man allen Beteiligten.

Die Autorin ist Studentin und war Lehrende an einer Sommerschule in Wien 

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Das Ende des Schuljahres ist nahe. Das erkennen wir zum einen daran, dass wir alle, Schüler:innen und Kolleg:innen, schon ein bisschen ausgelaugt sind. Zum anderen daran, dass wieder vermehrt Lehrausgänge gemacht werden. Ich persönlich finde das perfekt, weil Schule viel mehr als nur in der Klasse sitzen und lernen ist. Die Kinder und Jugendlichen kommen endlich aus ihrer vertrauten Hood raus. Lernen Wien und die Umgebung kennen. Stellen fest, dass Niederösterreich gar nicht so weit weg von Wien ist. Dass sie auch mitten in Wien in den Wald gehen können. Dass ein Museumsbesuch zwar langweilig klingt, aber gar nicht so übel ist. Allerdings hat die Sache in meinen Augen einen Haken.

Bitte geben Sie ihrem Kind 30 Euro mit!

Die Aufforderung stand in einer Klasse an der Tafel. Ein Ausflug nach Krems soll stattfinden, ganz traditionell mit dem Schiff und der Bahn. In Schoolfox wird diese Botschaft noch mit dem Hinweis ergänzt, dass es sich um Pflichtveranstaltung handelt. Wer an diesem Tag fehlt, muss eine ärztliche Bestätigung vorlegen.

Mir verschlägt es mal kurz die Sprache. Zusätzlich zu dem besagten Ausflug muss die Klassenfahrt im Juni bezahlt werden und in Biologie noch der Eintritt ins Haus des Meeres an die Kollegin abgeliefert werden.

In Zeiten der Inflation und der zunehmenden Verarmung der Mittelschicht erscheinen mir diese Beträge utopisch. Meine Sprache finde ich bald wieder, aber der Gedanke, dass manche Kolleg:innen kaum Bodenhaftung besitzen, will nicht aus meinem Kopf raus. Wie abgehoben muss jemand sein, der genau in diesen Zeiten teure Ausflüge und Exkursionen plant?

Prekäre Verhältnisse

Das Problem, dass dauernd Geld von den Eltern eingefordert wird, gibt es nicht seit diesem Jahr. Der ohnehin teure Schulstart wird noch teurer, weil Geld in die Klassenkasse eingezahlt werden muss. Weil die Klasse dann noch das JÖ-Heft und andere scheinbar unentbehrliche Dinge braucht. Zu den 20 Euro für das  besagte Heft wird den Eltern noch eine freiwillige Spende an das Jugendrotkreuz verordnet. Ja, die Inhalte sind informativ, aber ist es nicht auch so, dass im Internet ganz umsonst Begleitmaterial zum Unterricht gefunden werden kann? Ist es nicht auch so, dass unsere Eltern eher Spenden brauchen würden? Unsere Schüler:innen wachsen größtenteils in prekären Verhältnissen auf. Ein oder zwei Euro für einen wohltätigen Verein mögen uns Lehrer:innen wenig erscheinen. Für manche Familien ist das das Geld für zwei Laib Brot. 

Geh bitte! Die haben genug Geld

Wenn ich jedes Mal, wenn ich diesen Satz höre, 50 Cent von den Kolleg:innen verlangte, dann hätte ich meine Urlaubskasse schon gut aufgepeppt. Ähnlich verhält es sich mit Aussagen wie:

Geh bitte! Die teuren Sportschuhe trägt er oder sie aber auch.

Geh bitte! XY hat schon wieder ein neues Handy.

Geh bitte! Der hat jeden Tag eine Jause vom Supermarkt.

Und wie immer, schon fast gebetsmühlenartig, antworte ich, dass Schuhe und Handy gesellschaftliche Teilhabe bedeuten. Dass ich mir ganz sicher bin, dass die tägliche Jause aus dem Supermarkt nicht so exklusiv ist, wie es scheint. Eine trockene Semmel und eine Dose Aufstrich, die vielleicht auch von zuhause kommt, stellen keine Beweise für versteckten Reichtum dar. Mir ist auch bekannt, dass die meisten unserer Kinder und Jugendlichen genau ein Paar Schuhe haben, Sommer wie Winter, und diese tragen, bis sie ihnen vom Leib fallen. Zusätzlich habe ich die Information, dass viele ihre Schuhe auf Secondhand-Plattformen kaufen. Weil eines wollen sie gar nicht: arm aussehen. Mal abgesehen davon, dass wir immer noch  Schüler:innen haben, die weder Handy noch Markenkleidung besitzen.

Wer sich das nicht leisten kann

Das Tüpfelchen auf dem I sind dann jene Kolleg:innen, die vor der Klasse denen, die sich das nicht leisten können, Unterstützung anbieten. Die wundern sich dann noch, weil sich niemand auf dieses Angebot hin meldet. Ich bin selbst in prekären Verhältnissen groß geworden. Nie im Leben hätte ich mich vor der ganzen Klasse geoutet. Nein, das ist kein gut gemeintes Angebot, sondern der absolute Mangel an Empathie. Und zur Sache mit der ärztlichen Bestätigung fällt mir noch ein, dass ich mir die beim Arzt erkämpfen würde, sollte ich in der prekären Lage unserer Eltern sein. 

Auch nicht viel besser war die Aussage eines Kollegen, der meinte, dass die Schüler:innen, die noch keinen Eintritt wofür auch immer bezahlt haben, dann eben die Ausstellung nicht besuchen können.  Dass sie im Foyer einen Arbeitsauftrag erfüllen müssten. Wie jetzt? Bestrafen wir jetzt schon Kinder und Jugendliche, weil sich die Eltern 9 Euro nicht leisten können?

Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen (Erich Kästner)

Wenn ohnehin schon bekannt ist, dass viele Familien finanzielle Probleme haben, warum findet nicht endlich ein Umdenken statt? In Wien ist die Liste der Museen, in denen alle Menschen bis 18 gratis hineinkommen, lang. Muss es dann wirklich noch eine Führung um sechs Euro geben? Oder könnte sich die Lehrperson nicht an einem Wochenende vorbereiten und selbst zur Ausstellung etwas erzählen? Muss es besonders in Zeiten des Klimawandels wirklich der Bus sein, der alle von A nach B bringt? Ist es wirklich dringend notwendig, in das teure Haus des Meeres zu gehen?

Dazu könnten sich die Kolleg:innen auch ein bisschen umhören. So gibt es im Dschungel-Theater die Kulturpatenschaften. Vor dem Besuch einer Vorstellung haben Kolleg:innen die Möglichkeit bekannt zu geben, wie viel eine Klasse bezahlen könnte. Alles ganz unbürokratisch, einfach weil die Leitung des Theaters der Meinung ist, dass junge Menschen ein Anrecht auf Kultur haben.

Sind Klassenfahrten in Zeiten der Inflation wirklich notwendig? Würde nicht eine Projektwoche in Wien und Umgebung mit kostenlosen Tagesausflügen genauso gut für das Klassengefüge sein? Besonders auch unter dem Aspekt, dass unsere Schüler:innen selten Einzelkinder sind.

Falsche Umverteilung

So toll es ist, wenn Klassen für die ganze Schule ein Buffet anbieten um ihre Klassenfahrt finanzieren zu können, wäre auch in dieser Situation Nachdenken angebracht. Denn letztendlich wird dann eine Klassenfahrt von all jenen Schüler:innen mitfinanziert, die beim Buffett einkaufen. Oder die Eltern, die das Geld für sich bräuchten, backen Kuchen, um den Nachwuchs nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Streng genommen ist dieser Ansatz der Finanzierung gut gemeint, aber nicht durchdacht. 

Aber müssen wir auf alles verzichten?

Auf der anderen Seite sind Klassenfahrten, besonders ins oft unerschwingliche Ausland, eine unglaubliche Möglichkeit für unsere Kinder, das Meer mal von der Urlaubsseite aus zu betrachten. Selfies am Strand, dem Modesport SUPping einen Begriff zuordnen, andere Kinder kennenlernen und andere Sprachen hören als die in der Schule. Wen nehmen wir hier in die Verantwortung? Wie schaffen wir den Spagat zwischen gesellschaftlicher Teilhabe und gerechter Finanzierung? Ja, es gibt Angebote zur Unterstützung. Viele unserer Kinder können diese aber entweder wegen sprachlichen Barrieren nicht beantragen oder aber haben sie einfach nicht den Status, um die erforderlichen Dokumente nachzuweisen. 

Doch an was erinnern wir uns wirklich aus unserer Schulzeit? Meistens doch an die Ausflüge, an das Andere, an die Abenteuer, die nicht im Klassenzimmer stattgefunden haben. Wir brauchen also eine niederschwellige und schnelle Unterstützung für Aktivitäten dieser Art, damit die Kinder aus sozialschwachen Familien nicht auch noch hier benachteiligt werden. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.