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oder – Wie viel Kommunikation braucht es?

Nachricht, Anfang der Schuljahres, 14:36 Uhr 

(Diese Nachricht wurde von ChatGPT umgeschrieben, um die Anonymität des Verfassers zu gewährleisten.)

 Wer sind Sie, dass Sie mir vorschreiben wollen, was ich tun soll? Die Entscheidung, mein Kind von der Schule an- oder abzumelden, geht Sie nichts an. Als Lehrerin sollten Sie in der Lage sein, mit Kindern und deren Konflikten umzugehen, anstatt wegzuschauen. Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt, und wenn Sie Ihre Aufgaben nicht richtig erfüllen können, haben Sie den falschen Beruf gewählt. Ich werde persönlich vorbeikommen und mich beschweren.

Im September 2023 habe ich von einem sehr migrationsreichen Bezirk von Wien in einen weniger diversen Bezirk gewechselt. Hätte ich vorher gewusst, was das für die Elternkommunikation bedeutet, hätte ich mir diesen Schritt besser überlegt. An meiner alten Schule wurde ich von den Eltern wertgeschätzt, immer freundlich und respektvoll behandelt und hatte – mit Hilfe von Videodolmetscher:innen und mehrsprachigen Elternabenden – einen wunderbaren Weg gefunden, mit ihnen auf allen möglichen Sprachen zu kommunizieren. 

Wir hatten keine Probleme. Alle Kinder sind auf Klassenfahrten mitgefahren, ich hatte besonders zu den Eltern herausfordernder Kinder einen guten Draht gefunden und an Weihnachten und vor den Sommerferien bekam ich immer Blumen. 

Dies hat sich geändert. An der neuen Schule sind ebenfalls Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern – wir sind schließlich noch immer an einer Wiener Mittelschule – aber viele dieser Eltern scheinen ein allgemein gültiges Misstrauen,  ja geradezu eine Verachtung gegenüber Lehrkräften zu hegen. Egal aus welchem Herkunftsland. Einige Kinder kommen in die Schule und erklären mir, sie bräuchten eh keine Bildung, ihre Eltern hätten auch nie was gelernt und würden trotzdem „voll viel Geld“ verdienen. Andere kommen nur selten in die Schule, unterstützt von den Eltern, die jedes Wehwehchen bereitwillig entschuldigen. 

Per Mail oder SMS erhalte ich Drohungen, Verwünschungen und Vorwürfe. 

(Formulierungen wieder von ChatGPT)

Ich wünsche, dass Ihre Tochter täglich weinend von der Schule nach Hause kommt, damit Sie sehen, wie das ist. Sie haben einen Eid abgelegt, alle Kinder gleich zu behandeln, aber ein behindertes Kind gehört nicht in eine normale Klasse.

Es ist unglaublich, was an dieser Schule alles passiert.

Alle Beschwerden wurden sowohl von der Schulpsychologie als auch seitens der SQM als absolut haltlos befunden. Dies wurde den Eltern auch von offizieller Seite kommuniziert. Im Laufe des Schuljahres haben sich die meisten Wogen geglättet, die oben erwähnten Eltern haben ihren Ton geändert und ihren Kommunikationsstil gezähmt. 

Ich bin aber definitiv gewarnt. 

Ja, ich bin eine Lehrkraft, die ihre Telefonnummer bereitwillig am Schuljahresanfang hergibt, in der Annahme, dass Eltern dies nicht ausnutzen. In vier von fünf Fällen ist dem auch so. Dennoch verbringe ich mindestens drei bis vier Zeitstunden wöchentlich mit Elternkommunikation. Ich glaube an die Zusammenarbeit, ich möchte erreichbar sein und Entscheidungen transparent kommunizieren. Ich teile Bewertungsskalen und Erwartungskriterien. Ich schreibe alle sechs Wochen Elternbriefe und informiere die Eltern über die Geschehnisse in der Klasse, die behandelten Themen, die anstehenden Events. Ich sende Fotos von Ausflügen und schönen gemeinsamen Momenten im Schulalltag.

Dennoch beschäftigen mich die Vorwürfe. Und der Gedanke: Was ist der richtige Weg? Was die richtige Menge an Erreichbarkeit? 

Ich wasche Durchfall aus Sporthosen, wenn der Weg zum Klo zu weit war. Ich erkläre wie man Binden in Unterhosen klebt. Ich habe in diesem Schuljahr 20 Kindern beigebracht, zweisprachig die Uhr zu lesen, obwohl alle Kinder aus österreichischen Volksschulen kamen. Ich erkläre, wie man Brüche im Alltag verwenden kann, wie man einen Podcast schneidet und mache Lesestunden bei Kerzenschein. 

Wieso sind Lehrkräfte bei all diesen Tätigkeiten immer noch das Feindbild einiger Eltern? Und was können wir tun, wenn zuhause kommuniziert wird: „Auf die brauchst du nicht zu hören, die hält sich eh für was besseres, weil sie studiert hat!“

Ich kenne Kolleg:innen, die ausschließlich mit Webunits oder Schoolfox mit den Eltern kommunizieren. Die niemals ihre Nummer hergeben würden und für die sich Elternarbeit auf KEL Gespräche reduziert – oder die eine oder andere Beschwerde über Unpünktlichkeit oder unlauteres Verhalten. Doch haben wir nicht die Pflicht, eng mit Eltern zusammenzuarbeiten?

Natürlich verstehe ich die Angst der Eltern um das eigene Kind. Ich habe selbst einige und bin oft nicht glücklich mit Entscheidungen und/oder Haltungen ihrer Lehrkräfte. Aber können wir den Kindern nicht beibringen, dass es Teil vom Leben ist, auch mit herausfordernden Menschen wertschätzend und achtsam umzugehen? Dass dies im Leben immer wieder passieren wird, dass wir Leute treffen, womöglich mit ihnen zusammenarbeiten müssen, die nicht unserem Idealtypus entsprechen? Und gibt es da nicht genau einen Weg? Entweder arbeiten wir gut zusammen oder sehr gut – alles andere ist unprofessionell!

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

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Wie wird mit dem Thema psychischer Gesundheit an deiner Schule umgegangen?

Sarah*: Unsere Direktorin hat sich darum bemüht, Unterstützungspersonal an die Schule zu holen und auch zu halten. An jeweils 3 Tagen pro Woche ist eine Schul-Sozialarbeiterin sowie eine Beratungslehrerin und an 3-4 Tagen eine Jugend-Coach da. Dieses Personal beschäftigt sich auf Anfrage der Lehrpersonen und/oder in Absprache mit der Direktion mit Schüler:innen. Anlässe dafür gibt es viele, meistens kommt das Unterstützungspersonal meiner Wahrnehmung nach aber dazu, wenn es einen negativen Vorfall mit den betreffenden Kindern und Jugendlichen gab. Dies ist meiner Einschätzung nach auf die begrenzten Ressourcen, die dem Unterstützungspersonal zur Verfügung stehen, zurückzuführen, obwohl Prävention in der emotionalen und sozialen Arbeit effektiver als Reaktion ist.

Seit April kooperieren wir außerdem einmal wöchentlich mit einem Verein, der mit Kindern arbeitet, die durch Krisen und Krieg eventuell traumatische Erfahrungen gemacht haben.

Zudem arbeiten an unserer Schule 4 Integrationslehrer:innen, die sich in Integrationsklassen um besondere Lernbedürfnisse der Schüler:innen kümmern. Diese Klassen sind im besten Fall kleiner als die anderen Klassen, damit die I-Lehrer:innen sich wirklich mit den Kindern beschäftigen können.

Last but not least kommt einmal pro Woche Personal vom MIT (= multikulturelles Integrationsteam) an unseren Standort.

Elisabeth*: Wir haben 12 Wochenstunden Unterstützung von einer Psychagogin und genauso viele von einer Schulsozialarbeiterin. Wir haben ca. 270 Schüler:innen und mindestens ein Drittel würde permanente Betreuung brauchen. Die Gründe sind unterschiedlich. Entschieden wird bei Erstgesprächen nach Dringlichkeit. Aus der Sicht der beiden Fachfrauen durchaus einleuchtend, weil die Ressourcen beschränkt sind. Aus der Sicht der Schüler:innen, denen es schlicht und einfach nicht gut geht, warum auch immer, eine Katastrophe. Auch wenn uns als Lehrer:innen auffällt, dass es einem Schüler oder einer Schülerin nicht gut geht, müssen wir damit rechnen, dass nicht zeitnah geholfen werden kann.

Im Kollegium sind die Ansichten in Bezug auf psychische Erkrankungen durchaus geteilt. Es gibt jene, die nur wenig Einfühlungsvermögen haben. Die im Jahr 2024 immer noch der Meinung sind, die Schüler:innen sollen sich einfach zusammenreißen. Genau bei diesen Kolleg:innen wird die Arbeit der Beratungslehrerin meistens argwöhnisch betrachtet. Auch der Verdacht wird laut geäußert, dass sich die Kinder nur vor den Unterrichtsstunden drücken wollen. Andere Kolleg:innen erkennen die Nöte der Mädchen und Jungen und agieren dementsprechend.

Hat sich dabei in den letzten Jahren etwas verändert?

Sarah: Ich bin erst seit 3 Jahren an der Schule. Seitdem arbeiten die selben Unterstützungspersonen an unserem Standort. Das ist natürlich sehr hilfreich, weil ich glaube dass eine gute Zusammenarbeit Zeit und Routinen braucht.

Vorher wechselten die Unterstützungspersonen nach Angaben von Kolleg:innen häufiger, auch weil z.B. die Sozialarbeit an einer Schule andere Rahmenbedingungen vorgibt als die Arbeit in einer betreuten Wohngemeinschaft.

Es fällt uns schwer zu beurteilen, ob die psychische Belastung von Kindern in den letzten Jahren, z.B. durch die Schulschließungen durch Covid-19, zugenommen hat. Unverändert hoch ist jedenfalls die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen, die von sozialer Ungleichheit und Rassismus betroffen sind. An einer Schule wie unserer, wo über 90% der Kinder Erfahrungen mit Migration und Armut haben, konzentrieren sich diese beiden Lasten leider auf den Schultern vieler Schüler:innen.

Elisabeth: Ja, die psychischen Probleme werden mehr. Ich persönlich glaube, dass das immer noch die Nachwirkungen der Corona-Zeit sind. Aber auch die Bereitschaft unserer Schüler:innen offen über psychische Probleme zu reden, ist gewachsen. Umso schlimmer ist, dass wir sie oft auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten müssen. Oder wir verweisen auf Fachleute, die nicht in der Schule arbeiten. Das stellt aber für viele ein Hindernis dar. Außerhalb der vertrauten Umgebung wird nicht gerne um Hilfe gebeten.

Bekommt ihr die (externe) Unterstützung, die ihr benötigt?

Sarah: Es ist sehr gut, dass wir das genannte Unterstützungspersonal an der Schule haben. Allerdings wäre es wichtig, dass dieses Personal genügend Stunden, Räume und Ressourcen zur Verfügung hätte, um bereits präventiv, nicht erst in Reaktion auf einen negativen Vorfall, zum Einsatz zu kommen. Denn es muss betont werden, dass Kinder, die ihre psychische Belastung nicht durch auffälliges Verhalten äußern, sondern sich zurückziehen, eventuell von Lehrpersonen und Unterstützungspersonal übersehen werden.

Elisabeth: Wir bräuchten einfach mehr niederschwellige, mehrsprachige Hilfsangebote an der Schule. Externe Hilfe zu bekommen, darf nicht „ewig“ dauern. Wir brauchen in dieser Richtung auch gezielte, mehrsprachige Elternarbeit. Viele unserer Eltern haben große Scheu, wenn es um die psychische Gesundheit ihrer Kinder geht. Auch da fehlt es an Unterstützung. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass Mehrsprachigkeit bei den Beratungslehrer:innen und Schulsozialarbeiter:innen enorm wichtig ist.

Wie siehst du deine Rolle als Lehrperson, um deine Schüler:innen in ihrem Wohlbefinden zu unterstützen?

Sarah: Ich denke, dass ich als Lehrperson im Klassenzimmer auf Struktur, Sicherheit und ein wertschätzendes Klima achten muss, damit die Belastungen, die Kinder von außen mitbringen, nicht noch durch den Besuch der Schule verstärkt werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass es im Unterricht und in den Pausen so ruhig sein soll, dass sich alle wohl und sicher fühlen. Lernen ist neurowissenschaftlich gesehen übrigens überhaupt erst dann möglich. Ich bemühe mich, den Kindern den Unterrichts- und Schularbeitsstoff transparent, verlässlich und auf Augenhöhe zu vermitteln, um ihnen Stress durch Schularbeiten zu ersparen. Es muss darüber hinaus Raum für Kinder geben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, kleine Fehler im Sozialverhalten zu machen und aus ihren Fehlern zu lernen. Soziales Lernen ist ebenso ein Schulfach wie Mathematik und wird im besten Fall fächerübergreifend vermittelt.

Zu meinem Selbstverständnis als Lehrperson gehört außerdem die Kooperation mit dem Unterstützungspersonal. Das heißt zum Beispiel, dass ich mir Zeit nehme, um über Fälle in der Klasse zu sprechen, mir anzuhören, was Sozialarbeiterin und Beratungslehrerin berichten und Erkenntnisse gegebenenfalls im Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen zu implementieren. 

Ein echter Spagat ist es, auf Kinder und ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen und trotzdem Schritt mit Schularbeiten und Abgabeterminen zu halten. Diesen Spagat schaffe ich manchmal nicht und verlasse das Klassenzimmer in dem Wissen, dass ich den Kindern Unmögliches abverlange. Aber statt mich selbst zu kasteien habe ich begonnen, meine Kritik am Schulsystem, nicht an Individuen, zu formulieren. Die fällt immer drastischer aus und reiht sich in einen seit Jahren bestehenden Kanon ein. Das Schulsystem in Österreich gehört zu den teuersten auf der ganzen Welt, bringt aber nur mangelhafte Ergebnisse.

Elisabeth: Klar gehen Lehrer:innen auch an ihre Grenzen, wenn Schüler:innen, die psychische Probleme haben, in ihren Klassen sind. Es erfordert ein hohes Maß an Sensibilität von Seiten der Lehrkräfte. Und die Frage aller Fragen, die wir uns stellen müssen, ist, ob wir im Stande sind zu helfen. Ich persönlich hole mir in solchen Fällen Rat von Expert:innen. Klar, ich will helfen. Ich kann zuhören und auch vermitteln. Ich verbalisiere das auch, wenn Schüler:innen sich mir anvertrauen. Ich sage klar, wenn ich mich überfordert fühle. Und in Wahrheit zeige ich damit, dass es okay ist, sich Hilfe zu holen.

Wir haben viel Nachholbedarf in Bezug auf die psychische Gesundheit unserer Schüler:innen. Es gibt viel zu tun.

*Namen von der Redaktion geändert.

Beide Lehrer:innen unterrichten an Mittelschulen in Wien.

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Besonders in Zeiten des Lehrermangels, wäre ein stabiles Internet an Pflichtschulen hilfreich. Lehrvideos, online Quizze und eAufgaben. Das Internet und die darin enthaltenen Möglichkeiten bieten Lehrerinnen und Lehrern besonders bei kurzfristigen Supplierstunden, aber auch bei langfristigen Projekten und aktuellen Themen eine nicht durch Lehrwerke zu ersetzende Ressource an realistischem und lebensnahem Material. Deshalb haben die Neos seit 2020 alle Wiener Mittelschulen mit einem WLAN ausgestattet. Die Idee ist großartig, die Umsetzung leider defizitär.  

Pflichtschullehrerin: Maximale Flexibilität gefragt

Eine junge Pflichtschullehrerin erzählt aus ihrem Alltag: 

„Stellen Sie sich vor, Sie stehen um 11:05 Uhr in einem Raum mit bis zu 25 jungen Menschen. Ihr einziges Hilfsmittel ist eine grüne Tafel, Kreiden und Ihre Stimme. Seit 8:00 Uhr ist die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit der Menschen im Raum rapide gesunken, sinnvoll wäre nun eine interaktive Tätigkeit oder ein ansprechender visueller oder auditiver Input – jedenfalls etwas anderes als Frontalunterricht. Sie vertreten als Englisch-Lehrerin eine Stunde Geschichte und Soziales oder Physik und Chemie, haben verständlicherweise nur basale Kenntnisse der Materien und hatten keine Zeit für Unterrichtsvorbereitung, denn Sie wissen erst seit heute Morgen von Ihrem Einsatz. Sie kennen die Klasse nicht, wissen aus Ihrem Studium (und ihrer Lebenserfahrung), dass soziale Interaktion grundlegend auf Beziehungsarbeit aufbaut. Sie haben nun 50 Minuten Zeit. Was würden Sie tun?“

Jahrzehntelange Überlastung des Lehrpersonals und defizitäre digitale Ausstattung der Pflichtschulen werden immer deutlicher sichtbar

„Eine weitere Kollegin an einer Wiener Pflichtschule fällt gesundheitsbedingt auf unbestimmte Zeit, vermutlich für immer, aus. Damit wir übrigen KollegInnen ihre 22 Unterrichtsstunden kurzfristig supplieren können, brauchen wir zumindest leistungsfähiges Internet, um spontan wenigstens mal ein Lehrvideo zeigen oder andere unterhaltsame Lehrangebote nutzen zu können.“, berichtet eine junge Kollegin aus ihrem Schulalltag an einer Wiener Mittelschule. 

Sie fordert: „Die Aufgabe der Wissens- und Kompetenzvermittlung, vermeintlich Priorität im Schulsystem eines Wohlstandslands, nach Ansicht der Mehrheit in Fachkreisen weit hinter der täglichen Sozialarbeit, Administration und technischer mehr-schlecht-als-recht-Problemlösung. Das österreichische Schulsystem, eines der teuersten in Europa, lässt unzählige Potentiale von Menschen – Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen – brach liegen. Nach jahrelanger Tätigkeit im Schulzirkus sind viele zwar Multitalente, aber keine Zauberer. Wir können flexibel sein, aber wir brauchen Hilfsmittel – zumindest mal Internet und digitale Medien wie Beamer und Audio-Boxen. Eines bauen viele Lehrer- und SchülerInnen ganz gewiss aus: Eine unschlagbare Resilienz und das Vertrauen zu wohlmeinenden Lehrkräften und Vorgesetzten. Fragt sich nur, ob dieses Vertrauen später auch in andere öffentliche Institutionen weitergeführt wird, wenn die strukturelle Vernachlässigung des Schulbetriebs tagtäglich sichtbar wird. Der Personalmangel, nicht nur LehrerInnen, sondern bitte endlich auch administrative, technisch versierte und sozial kompetente Kräfte, wird von Tag zu Tag drängender und jahrzehntelange schwelen. Öffentliche Stellen müssen jetzt wenigstens einen Quick Fix liefern: Wir brauchen sofort flächendeckend stabiles Internet!“ 

Folgende Beobachtungen konnte sie in den letzten Jahren machen:

  • Viele der praktizierenden PflichtschullehrerInnen leiden unter den immens gestiegenen Anforderungen ihres Berufs und können kaum Schritt halten (Digitalisierung, Diversität der SchülerInnen und KollegInnen sowie rasante politische und gesellschaftliche Entwicklungen). Manche reagieren mit Verschlossenheit, viele mit körperlicher und psychischer Überlastung. „Ich habe Ticks entwickelt, um gewisse Stresssituationen in den Pausen zu bewältigen“, legte mir gestern, Mitte Mai, eine BU- und Mathelehrerin im Lehrerzimmer dar.
  • Um die Diversität der SchülerInnen und LehrerInnen (Hintergründe, soziale Kompetenzen und Potentiale) nutzbar zu machen, müssen alle flexibler agieren, um im Unterricht zu differenzieren.
  • Die hohe Fluktuation unter SchülerInnen, insbesondere aber auch LehrerInnen (Krankheit, Jobwechsel etc.), bedingt eine reibungslose, auch digitale Zusammenarbeit und Dokumentation, um effizient zusammen- und weiterzuarbeiten und Fortschritte in der Wissensvermittlung und Sozialarbeit nicht wieder und wieder zu wiederholen.   

Antworten auf diese Herausforderungen gibt es im Grunde genau zwei:

  • Wir brauchen an den Mittelschulen mittel- und langfristig ausreichend qualifiziertes und vielseitiges Personal. Neben engagierten Lehrkräften müssen ENDLICH auch Stellen für administrative, sozial und technisch versierte Kräfte geschaffen werden (pro Schulstufe à 4 Klassen mindestens 1 Stelle für Technik & Administration sowie 1 Stelle Sozialarbeit) 
  • Wir brauchen sofort, um den drastischen Personalmangel abzufangen, stabiles und leistungsfähiges Internet. 

Die Krankenstände unter Lehrkräften an Mittelschulen sind hoch. Unterricht findet quasi nie so statt wie es der Stundenplan vorgibt. Diese maximale Flexibilität fordert uns Lehrkräfte enorm, weil zu einer guten (=reibungslosen) Unterrichtsstunde vor allem Beziehungsarbeit und Vorbereitung gehört.

Dass mir als Junglehrerin stündlich das Internet ausfällt und ich unmöglich auf zahlreiche wertvolle Online-Ressourcen zugreifen kann, ist das eine. Dass länger praktizierende KollegInnen nach jahrzehntelanger Überlastung reihenweise ausfallen, ist das andere.

Es wird möglicherweise Jahrzehnte dauern, bis die drastischen Engpässe in den Lehrerzimmern überwunden und genügend qualifizierte Kräfte nachkommen. Bis dahin muss alles getan werden, um den verbliebenen Kräften das Unterrichten so effizient und so einfach wie möglich zu machen. Wir leben im 21. Jahrhundert und während die Welt mit Chatrobotern kommuniziert kann sich maximal die Hälfte einer Pflichtschulklasse pro Stunde mit dem Schul-WLAN verbinden. Wir brauchen stabiles Internet. Anders ist Unterricht in Zeiten des Personalmangels undenkbar.

Für den Beitrag sprachen wir mit einer Wiener Mittelschullehrerin.

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Dienstag, 07.09. Konferenz: Die ersten Kolleg*innen brechen in Tränen aus. „Was ist eine CSV Datei? Wie sollen wir das machen? Was heißt umformatieren? Ich kann das nicht!“ Jahrzehnte der vernachlässigten digitalen Kompetenz brechen nun auf sie herein, wie eine Lawine, ein Erdbeben oder ein Tsunami. 

Ein neues Schuljahr, ein neuer Herbst, ein neues Chaos. Wie schon im letzten Jahr spüren wir Lehrer*innen, dass die Regierung im Sommer besseres zu tun hatte, als ein funktionierendes Sicherheitskonzept für die knapp eine Million Schüler*innen Österreichs zu erstellen – dürfen ja eh noch nicht wählen. 

Jetzt wird gespült. Zweimal wöchentlich über eine Plattform, die für wenige Nutzer*innen täglich konzipiert war. Das Anmelden ist eine Geduldsprobe, jede vierte Anfrage führt weiter. Mit etwas Glück. Dass unsere Schüler*innen mit 10 oder 12 Jahren selten ihre e-card mit sich führen, geschweige denn ihren Reisepass oder Personalausweis, dass viele von ihnen weder Mobiltelefon noch eine funktionierende Kamera haben, sind Nebensächlichkeiten. Dass wir von den Eltern mal die nur in Deutsch ausgesandten Einverständniserklärungen unterschrieben zurückbekommen – unser Problem. 

Dass wir im Unterricht nun montags und mittwochs mit drei Kolleg*innen gut 120 Minuten benötigen, die wir gerne auch mit dem Aufholen der verpassten 1,5 Jahre verbringen würden, um 25 Kindern beizubringen, wie man durch einen Pappstrohhalm in ein Reagenzglas spuckt – who cares? Längst sind wir keine Pädagog*innen mehr, die sich um die Zukunft des Landes kümmern sollten, sondern Betreuer*innen (Lockdown 2 und 3 für die Kinder, die zuhause nicht lernen können), Krankenschwestern (die sich gerne die Naseninhalte der Schüler*innen zu Gemüte führen, Antigentest in 2020/2021) und medizinisches Personal (PCR und Nasenbohrertest Schuljahr 2021/22). Im Vergleich zu den gut geschützten Testpersonen in Teststraßen und Apotheken stehen wir im Klassenzimmer auf engstem Raum mit quantitativ begrenzten Papierhandtüchern etwas erbärmlich aus. Aber was soll’s? Wat mutt, dat mutt! Sagt der Hamburger und wir glauben ihm. 

Der Effekt lässt nicht lange auf sich warten. Die meisten Klassenvorstände haben mittlerweile 10-15 ihrer Freizeitstunden geopfert, sieben Datensätze von 25 Kindern in ein ständig überlastetes System eingegeben (Name (keine Umlaute!!?), Vorname, Adresse (aber bitte ohne Bindestrich und Schrägstrich – doof nur, dass unsere Kinder alle 61-96/41/7 wohnen und die Namen aus Umlauten bestehen), Sozialversicherungsnummer (leider wurde hier für geflüchtete Kinder irgendwann der 13. Monat eingeführt, um von dem ständigen 01.01. wegzukommen und so sind die Sozialversicherungssnummern mancher unserer Kinder XXXX011309, welche aber im System nicht auszuwählen sind – noch hat das österreichische Bürokratiejahr keinen Monat 13, die Kinder sind aber klar stigmatisiert fürs Leben), E-Mail Adresse, aber bitte nicht die der Kinder unter 14 Jahren, doof nur, dass die Eltern oft keine haben…!, Postleitzahl, Ort, Geburtsdatum – bitte in Übereinstimmung mit der Sozialversicherungsnummer. Die Mails, die ich an den Support von Lead Horizon sende, kommen mit „unzustellbar“ zurück, die Dame, die ich irgendwann über die Hotline erreiche, bietet mir sehr freundlich an, dass ich ihr die Datensätze zusenden könne – was mich als Lehrerin aber den Job kosten könnte, da ich Kinderdaten nie weitergeben darf, und zum Geburtsdatumsproblem meint sie: Hm, das habe sie aber noch nie gehört, ich könne ja einfach eines erfinden…. Welcome to my reality – Mittelschule Wien. 

Fünf Schultage also, sechs positive Fälle, vier Klassen in Quarantäne – und die Schulen im Westen haben noch nicht mal angefangen. 

Wir testen also weiter. Mal mehr mal minder erfolgreich im Erreichen der Plattform. 

Code 428 Too many requests! Really? Womit habt ihr denn gerechnet? Wenn sich eine Million Schüler*innen, Lehrer*innen und weiteres Bildungspersonal, Schulwarte, Sekretär*innen, Psychagog*innen, Sozialarbeiter*innen gleichzeitig am Montag- und Mittwochmorgen testen lassen müssen…? Wir stehen also eine halbe Stunde früher auf, in der Hoffnung, dass um 5:00 Uhr morgens noch ein Slot für uns frei ist, in den Klassen dauert es weiterhin knapp zwei Stunden, die Boxen in der Schule werden um 8:45 Uhr geleert, weshalb wir um 10:00 Uhr zum BIPA um die Ecke hechten….

Und dann gibt es noch die umgeimpften Kolleg*innen, diejenigen, die beim ersten COV-19 Fall K1 sind und in Quarantäne müssen, während die Geimpften zur Belohnung in der Schule Stellung halten dürfen. Mit den 2-5 geimpften Kindern…

Wer sich dieses System ausgedacht hat, stand noch nie in einer Klasse. Wer hier zugestimmt hat, ist dem österreichischen Bildungsalltag so fern, wie ein Alm-Öhi einer Kreuzberger Späti-Cornersession. Wie ein Binnensegler einer Atlantiküberquerung. 

Ja, wir lernen derzeit in der Schule. Wir lernen, dass wir immer als Letzte drankommen. Dass sich niemand so richtig um die Kinder schert. Dass der Bildungsminister in seinem akademischen Elfenbeinturm jeglichen Bezug zur Realität verloren hat und wir das unseren Kindern erklären müssen. Und die Kinder lernen auch. Dass ihre Lehrer*innen komplett überfordert, überfragt und ausgelaugt sind. Dass die „von oben“ vorgegebenen Konzepte leider nur schwer bis gar nicht realisierbar sind. 

Was das mit ihnen macht? Das werden wir in ein paar Jahren sicherlich sehen. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

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Die Sommerferien sind vorbei, der Schulalltag hat uns alle wieder. Jetzt ist es an der Zeit über die Sommerschule zu berichten, die in diesem Sommer zum zweiten Mal stattgefunden hat. Zu Wort kommen eine Mutter, ein Lehrer und Mittelschul-Schüler*innen, die die Sommerschule besucht haben.

Medine, Sarah, Enes, Osman, Marco, Hadja, Liviana und Elisabeth*

Warum wart ihr in der Sommerschule?

„Meine Eltern haben mich gezwungen. Ferien sind besser.“

„Meine Eltern haben gesagt, wenn du willst, geh. Ich bin gegangen, weil ich meine Noten verbessern will.“

„Ich muss lernen!“

„Ich kann nicht gut Deutsch.“

Was habt ihr gelernt?

„Der Lehrer hat gefragt, wo ich Schwierigkeiten habe. Ich habe Deutsch gemacht, Mathe ist eh einfach. Ich habe Märchen und Geschichten geschrieben.“

„Wir haben Englisch und ein bisserl Mathe gemacht.“

„7 bis 11 Uhr lernen und dann eine Stunde Turnsaal.“

„Ich hatte die Artikel vergessen, also der die das, jetzt weiß ich es wieder.“

„Wir haben gelernt und manchmal gespielt.“

„Wir haben in Deutsch gut gelernt.“

Was gibt es sonst noch zur Sommerschule zu sagen?

„Sommerschule war eh chillig, besser als zu Hause sitzen oder nur im Park sein.“

„Eine Woche ist genug, nur Deutsch und Mathe.“

„Beim Seilziehen haben die Mädchen gewonnen, sie waren mehr.“

„Nächstes Jahr würde ich gehen, wenn es nur eine Woche ist.“

„Am Donnerstag haben wir was gebacken, das haben wir dann gegessen. Am letzten Tag waren wir im Prater.“

„Am ersten und zweiten Tag waren wir alle schüchtern. Am dritten Tag sind wir wieder normal gewesen. “

„Es waren alle urverrückt, die waren wie unsere Klasse.“

„Manche haben geschlafen die letzten zwei Wochen. Und wir sind so um sechs oder sieben Uhr aufgestanden. Wir haben Glück, dass wir früher begonnen haben, vor dem Schulbeginn.“

Frau Berger

Frau Berger ist Mutter von drei Kindern, ihre beiden Töchter wollten oder sollten die Sommerschule besuchen.

„Zwei meiner drei Kinder wurden oder waren in der Sommerschule angemeldet, wie immer man das nennen möchte. Bei der Älteren ist es gleich schiefgegangen, entweder hat sie die Anmeldung nicht direkt abgegeben oder sie ging tatsächlich „verloren“. Ich hatte als Mama jetzt nicht direkt eine Handhabe/Kontrolle darüber. Dafür ist sie jetzt für einen Haufen Geld in einem renommierten Nachhilfeinstitut, sie hat zwei Nachprüfungen. Bei der Jüngeren kam die Teilnahmebestätigung nach laaaaaaanger, absoluter informationsloser Funkstille am 16. Juli daher. Und nun hatten wir das Pech, dass sie in der dritten August-Woche unerwartet ins Krankenhaus musste. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, meine Tochter fünf Tage nach dem Krankenhausaufenthalt gleich wieder in die Schule zu schicken. Ich habe sie krank gemeldet. Jetzt kann sie gar nicht mehr hingehen, weil das Konzept offenbar auf „alles oder nichts“ ausgerichtet ist. Es müssen alle zwei Wochen besucht werden, weil es angeblich ein projektbezogener Unterricht sei. Prinzipiell verstehe ich das schon, aber für meine Tochter ist diese Situation mehr als doof. Ich wollte, dass sie, ob ihrer Zensuren, zumindest eine Art Update in der Sommerschule bekommt. Die Alternative ist, dass sie, so wie ihre Schwester auch die Dienste des Nachhilfeinstituts, wieder für einen Haufen Geld, im Gegenstand Mathematik in Anspruch nehmen muss.

Mein Fazit ist, organisatorisch ist es mit der Sommerschule eher mühsam und undurchsichtig. Fast habe ich den Eindruck, man möchte Menschen dafür strafen, dass sie ein Gratis-Angebot in Anspruch nehmen wollen. Online gibt es kaum Informationen. Auf meine schriftliche Anfrage, wie denn die Vorbereitung auf eine Nachprüfung erfolgen würde, kam eine unbrauchbare Antwort zurück. Als schwierig hat sich die Korrespondenz im Allgemeinen herausgestellt. Bei sämtlichen Mails musste ich zuerst einmal unendlich lang scrollen, bis ich zur eigentlichen Antwort gelangt bin. Es gäbe sicher die Möglichkeit, das Ganze auch über eine Online-Plattform übersichtlich und damit benutzerfreundlicher zu gestalten. Schließlich sollte doch die Ambition sein alle Familien, unabhängig vom Bildungshintergrund, zu erreichen. Was uns bleibt, ist das Nachhilfeinstitut, das uns das Gefühl vermittelt, man würde sich um unsere Anliegen kümmern. Warum das die öffentliche Hand nicht schafft, frage ich mich schon. Vielleicht soll Eltern vermittelt werden, dass sie selbst an schulischen Problemen ihrer Kinder schuld seien. Für uns war es das dann mit Sommerschule, fürchte ich.“

Benjamin ist BHS-Lehrer in Wien

Sommerschule. Eine interessante Erscheinung der Coronapolitik. Angedacht, um Schüler*innen eine zusätzliche Lernmöglichkeit angesichts des Corona Lockdowns im Frühjahr zu bieten. Letztes Jahr wurde sie an unserer Schule (HAK) von Studierenden durchgeführt. Dafür bekamen sie ECTS Punkte. Sie konnten es als EC (Wahlfach) anrechnen lassen. Ich glaube, es war grundsätzlich ein smarter move vonseiten des Bundesministeriums. Günstigere Arbeitskräfte gibt es wohl kaum.

Heuer wurde sie von schuleigenen Lehrer*innen organisiert und gehalten, entgeltlich. Die Bereitschaft im Kollegium hielt sich in überschaubaren Grenzen. Einige wenige meldeten sich nach persönlicher Anfrage. Für die 1. und 2. Jahrgänge der HAS und der HAK wurden Kurse gestaltet. Deutsch, betriebswirtschaftliche Fächer und Mathe bildeten die Schwerpunkte. Schüler*innen erhielten je nach Jahreszeugnisnote und persönlichem Anraten der entsprechenden Fachlehrer*innen eine Einladung. Freiwilligkeit war das Stichwort. Mit Druck wurde sie erreicht. Einige nahmen es dankend an, andere sträubten sich stärker. Unmut gab es vonseiten der Schüler*innen vor allem hinsichtlich des Aufbaus. So mussten Schüler*innen die ganze Woche mehrere Fächer besuchen, obwohl sie nur in Rechnungswesen verstärkten Lernbedarf bzw. eine Einladung bekommen hatten.

Die Durchführung selbst verlief aus meiner Sicht gut. Das Angebot wurde von jenen, die kamen – und das waren doch 2/3 – wohlwollend und gut gelaunt angenommen. Auch meine Kolleg*innen berichteten von einem positiven Lernklima und einer sichtbaren Lernbereitschaft. Ob jedoch eine Woche mit je 4 Stunden Übungszeit entsprechende Wissenslücken schließen, stelle ich stark in Zweifel. Vielmehr ist es, wie so oft in der Bildungspolitik, ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine Symptombekämpfung statt einer Systemänderung.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.