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KI im Lehramtsstudium

Das mag jetzt vielleicht etwas bequem klingen, aber für mich fühlt es sich irgendwie befremdlich an zu sagen, dass ich noch ohne Künstliche Intelligenz (KI) maturiert habe. Ich will das keineswegs als eine besondere Leistung darstellen – immerhin war und ist es die Norm – aber ich kann nicht leugnen, dass ich heute für viele Aufgaben, die ich damals erledigt habe, KI nutze. Und das, obwohl ich erst vor drei Jahren maturiert habe. Ich bin also noch nicht lange aus der Schule raus und habe trotzdem keine Vorstellung davon, wie es sich aus Schüler*innen-Perspektive anfühlt, KI im Schulalltag zu verwenden. Ein deutliches Zeichen dafür, wie rasant sich diese Technologie entwickelt.

Was ich überhaupt zum Thema sagen kann

Den Artikel wollte ich mit der Intention schreiben, zu zeigen, wie oder auch ob KI im Lehramtsstudium seinen Platz findet und wie wir uns damit beschäftigen. Mir wurde nur sehr schnell bewusst, dass ich dazu so viel gar nicht zu sagen habe. Und nicht deswegen, weil ich mit KI nichts am Hut habe und es nie verwende – denn wenn wir ehrlich sind, wer kann das schon sagen? – sondern deswegen, weil ich mich absolut unwissend in diesem Bereich fühle und keine Halbwahrheiten oder Spekulationen verbreiten möchte. Mein Fazit: Ich kann euch erzählen, wie ich KI im Studium verwende, wie und ob es in Lehrveranstaltungen stattfindet und wie meine Gedanken diesbezüglich zu meinem späteren Berufsleben aussehen. Darüber zu urteilen, was das dann für die Allgemeinheit bedeutet und für unsere Zukunft, möchte ich aber nicht. Da es mit Sicherheit Studierende gibt, auch in meiner Studienrichtung, die sich mehr oder auch weniger intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und in manchen Punkten bestimmt andere Ansichten haben als ich.

Wie KI mein Studium beeinflusst

Zum ersten Mal interessant wurde KI für mich im Studium für Zusammenfassungen. Gerade in Geisteswissenschaften, in denen man sich viel Wissen durch Lesen und Lektüren aneignen muss, ist man um jede Hilfe froh, die einem dieses wöchentliche Lesen von Hunderten Seiten abnimmt. Und dabei merkt man schnell, ChatGPT kann wissenschaftlichen Inhalt ziemlich gut formulieren. Wieso also nicht für Formulierungen in Seminararbeiten verwenden und so den sprachlichen Standard der eigenen Arbeit etwas verbessern? Und dabei seine eigenen Kompetenzen noch zu stärken. Denn ja, ich bin der Meinung, dass wir von KI auch noch etwas lernen können. Und bei Formulierungen von wissenschaftlichen Texten, bzw. beim Formulieren der eigenen Meinung in einer fachlich angemessenen Sprache, habe ich das selbst gemerkt. Aufsätze, die zuvor ChatGPT für mich umformuliert und verbessert hat, schreibe ich mittlerweile schon selbst auf höherem sprachlichen Niveau und weiß nun auch in Diskussionen an der Uni, wie ich mich besser ausdrücke und meine Meinung auf den Punkt bringe.

Zu den Diskussionen an der Uni: Künstliche Intelligenz ist an den Unis präsent. Nur meiner Erfahrung nach eher im theoretischen Sinne. Wir führen in allen Fächern Diskussionen darüber, wie es die Wissenschaft oder unseren späteren Beruf beeinflusst. Wie wir KI aber „richtig“ verwenden oder wie wir damit umgehen, wenn Schüler*innen es tun, ist selten Thema. Wobei ich hier anmerken möchte, dass es natürlich auch Professor*innen gibt, die sich eingehender damit beschäftigen. Was wir alle tun sollten. Wir müssen alle lernen und das auch noch schnell. Dass es dabei schwerfällt, Schritt zu halten, oder manchmal gar unmöglich erscheint, ist vollkommen verständlich.

KI & Seminararbeiten – viele offene Fragen

Zum Thema Seminararbeiten: Mir darüber eine Meinung zu bilden, fällt mir ziemlich schwer. Ich bin der Ansicht, dass Seminararbeiten an der Uni die Aufgaben sind, bei denen man mit am meisten lernt. Weil man sich eingehend mit einem Diskurs beschäftigt und lernt, wissenschaftlich zu arbeiten. Nun ist aber jedem klar, dass gerade dort die Künstliche Intelligenz ziemlich viele Aufgaben erledigen kann. Und wenn man es schlau macht, das Ganze auch unbemerkt. Und genauso erlebe ich das zeitweise auch an der Uni. Sowohl Studierende als auch Professor*innen wissen, dass bei schriftlichen Arbeiten die KI ganz sicher verwendet wird. Und auch wenn es einzelne Vorgaben gibt und die Arbeit natürlich Eigenleistung sein soll, passiert sehr wenig bis gar nichts, wenn KI maßgeblich zur Erstellung beiträgt. Folglich werden auch hier – wie schon bei der VWA – Änderungen und Reformen nötig werden. Welche das sind, und ob diese gut oder schlecht sind, kann ich hier nicht beurteilen oder darüber spekulieren. Da ich zwar der Meinung bin, dass Seminararbeiten sehr wichtig an Unis sind, die KI in dem Bereich aber nicht mehr wegzudenken sein wird und somit die Effizienz des Ganzen auch in Frage gestellt wird.

Mein Fazit

Ich und viele andere verwenden KI im Studium und werden es auch in Zukunft tun. Mit mehr Wissen über die Thematik könnten wir (oder besser gesagt ich) vielleicht sogar noch effizienter einsetzen – auch später im Beruf. Ob auf die richtige Weise, kann man diskutieren. Klar ist, dass KI uns einiges erleichtert, uns sprachlich weiterbringen und neue Möglichkeiten eröffnen kann. Doch gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung, herauszufinden, wie wir damit umgehen – sowohl für uns selbst als auch für unsere Schüler*innen.

Was mir aus all diesen Überlegungen bleibt, ist vor allem die Erkenntnis, wie schnell sich diese Technologie entwickelt und wie wenig wir manchmal hinterherkommen. Das ist weder gut noch schlecht – es ist einfach eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Und vielleicht ist genau das der Punkt: KI verändert unser Studium, unsere Arbeitsweise und unsere Perspektiven. Wie genau das in Zukunft aussehen wird, bleibt offen. Aber dass wir lernen müssen, mit ihr zu arbeiten, anstatt gegen sie, ist wohl unumgänglich.

Die Autorin ist Lehramtsstudentin an der Uni Wien.

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Die letzte Novemberwoche, vierte Klasse Mittelschule, 18 Jugendliche – davon 14 bereits im neunten Schuljahr, mitten in der Findungsphase: „Was mache ich nach diesem Schuljahr?“ Diese Frage hing wie ein unsichtbares Plakat über unseren Köpfen. Die Antworten? Durchwachsen. Acht wollten eine weiterführende Schule besuchen, drei eine Lehre beginnen, und sieben hatten ungefähr so viel Plan wie ein Blatt im Wind.

Wer in die Zukunft schaut, stellt oft fest, dass der Horizont manchmal eher wie eine dicke Nebelwand aussieht. Für viele meiner Schüler*innen gilt das ganz besonders. Das österreichische Bildungssystem ist ihnen oft so fremd wie die Oberfläche des Mars. Warum? Ihre Eltern, oft aus anderen Ländern zugezogen, kennen die Strukturen hier nicht, und in ihrem Umfeld gibt es nur wenige Vorbilder, die ihnen Perspektiven aufzeigen könnten. Kein Wunder also, dass sich die Jugendlichen kaum für eine Laufbahnplanung begeistern können.

Umso wichtiger waren in meinen Augen die Berufspraktischen Tage (BPT). Ein paar Tage, in denen die Jugendlichen Einblick in die Arbeitswelt bekommen konnten – und nicht nur das: Sie sollten eine Grundlage für Entscheidungen schaffen, die ihr Leben prägen werden.

Selbst ist der Schüler

Die Verantwortung für die Organisation ihrer Praktikumsplätze übertrugen wir den Schüler*innen und ihren Eltern. Ein Wagnis? Vielleicht. Aber was dann geschah, überraschte uns positiv. Mit beachtlichem Engagement machten sich die Jugendlichen auf die Suche – oft ohne Netzwerke, auf die sie zurückgreifen konnten. Während manche Kinder von „Onkel Karl“ in den Betrieb eingeladen werden, hieß es bei meinen Schülern: „Anpacken und selbst erledigen.“

Ein Beispiel: Zwei Schüler zogen an vier Freitagen nachmittags nach der Schule los. Sie klapperten einen Supermarkt nach dem anderen ab, fragten direkt vor Ort nach einem Praktikum. Ihre Hartnäckigkeit wurde schließlich belohnt – ein Penny-Markt öffnete die Türen.

Und dann kam der erste Praktikumstag. 7:30 Uhr klingelte mein Handy. Die beiden Schüler: „Wir sind wieder nach Hause geschickt worden. Letzte Woche gab es hier einen Praktikanten, der eine Schlägerei angefangen hat. Der Filialleiter hat gesagt, er nimmt keine Praktikanten mehr.“

Nach einem Telefonat mit dem Filialleiter konnte ich die Sache klären. „Geben Sie den beiden eine Chance. Ich kenne sie – die machen sicher keine Schwierigkeiten.“ Am Nachmittag beim Besuch vor Ort traf ich denselben Filialleiter, der morgens noch skeptisch war. Begeistert berichtete er: „Die sind wirklich super. So engagiert, so höflich!“

Ein Blick in die Vielfalt

Die Praktikumsplätze spiegelten eine beeindruckende Bandbreite wider: Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeheime, IT-Firmen, ein großer Telekom-Provider, eine KFZ-Werkstatt, ein Krankenhaus, Anwaltskanzleien – sogar die UNO-City in Wien war dabei.

Die Rückmeldungen der Schüler*innen und der Betriebe waren überwiegend positiv. Natürlich gab es auch Stimmen wie: „Das war schon sehr anstrengend. Für mich ist das nichts.“ Aber dann gab es auch diese Aha-Momente:

  • Eine Schülerin, die bei einer Gerichtsverhandlung dabei sein durfte, erklärte: „Ich werde Anwältin. Das ist sicher!“
  • Ein Schüler, der ursprünglich IT ins Auge gefasst hatte, kam zurück und sagte: „Ich weiß jetzt, dass ich Elektrotechnik machen will.“
  • Ein Anruf zwei Wochen nach den BPT: „Ihr Schüler war bei mir schnuppern. Er interessiert sich so für Gaming und hat echt Talent. Sagen Sie ihm, er soll sich bei mir melden – ich habe da eine Idee, welche Schule er machen könnte.“

Leuchtende Ziele

Die schönste Erinnerung an diese Woche verdanke ich einem Schüler, der während seiner Praktikumszeit an einem Projekt der UNO-City beteiligt war. Der australische Künstler Fintan Magee hatte ein riesiges Wandbild geschaffen, das die Bedeutung der UN-Nachhaltigkeitsziele thematisiert. Bis Ende November war dieses Kunstwerk nachts unbeleuchtet – bis unser Schüler tatkräftig mitarbeitete, um das zu ändern.

Sein Beitrag ging weit über die technische Umsetzung hinaus. Er wurde selbst zu einem Botschafter für die Nachhaltigkeitsziele. Dieses Bild, das nun nachts in strahlendem Licht erstrahlt, ist für mich das stärkste Symbol dafür, wie wichtig es ist, mit jedem einzelnen Kind an seiner Zukunftsperspektive zu arbeiten.

Fazit: Ein klarerer Blick in die Zukunft

Zwei Monate nach den Berufspraktischen Tagen ist vieles klarer: Alle, die eine weiterführende Schule besuchen wollen, wissen nun genau, welche Schule es sein soll – und vielen von ihnen haben sich (vor-)angemeldet. Konkrete Bewerbungen auf Lehrstellen laufen. Nur drei Schüler*innen sind noch unentschlossen, aber auch sie haben deutlich mehr Orientierung als zuvor.

Berufspraktische Tage leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Entscheidungsfindung. Sie können Türen öffnen, Perspektiven schaffen und den Horizont klären. Es liegt an uns, den Jugendlichen diese Chance zu geben. Wer weiß – vielleicht steckt hinter einem Praktikum im Penny-Markt der nächste große Schritt in eine leuchtende Zukunft.

Autor: Markus Neuherz ist Quereinsteiger/Teach for Austria Fellow im ersten Unterrichtsjahr in einer Mittelschule in Wien.

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Stellensuche

Die berufspraktischen Tage in der 4. Klasse stellen für viele Schüler*innen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dar, wohin es nach dem Mittelschulabschluss geht. Die Planung dafür beginnt bereits am Ende der 3. Klasse. Die Schüler*innen müssen sich eine Stelle suchen, wo sie vier Tage im darauffolgenden Schuljahr unentgeltlich arbeiten. Während dieser Zeit sind sie vom Unterricht freigestellt. 

Die Stellensuche verläuft dabei ganz unterschiedlich: Manche Schüler*innen wissen genau, welchen Beruf sie während der Tage ausprobieren wollen, andere eher weniger. Hilfreich ist bei der Suche wie so oft ein gutes Netzwerk – oftmals helfen die Eltern, der Onkel oder die Tante bei der Vermittlung. Schüler*innen, die erst seit kurzem in Wien sind, tun sich erfahrungsgemäß deutlich schwerer, einen Betrieb zu finden. Natürlich gibt es auch motivierte Schüler*innen, die selbst die Initiative ergreifen und beim Wunschbetrieb anrufen oder vorbei gehen und nachfragen. Ist ein Betrieb gefunden, wird ein Vertrag unterzeichnet.

Die Bandbreite der approbierten Berufe ist erfahrungsgemäß vielfältig: Vom Bankkaufmann zum Konditor, Zahnarzthelfer, Tischler zur Drogistin bis hin zur Kindergartenassistentin, Friseurin oder zum KFZ-Mechaniker, um einige der Berufe zu nennen. 

Vorbereitung

Vorab werden mit den Schüler*innen grundsätzliche Dinge besprochen. Dazu zählen beispielsweise das Auftreten, die Pausengestaltung, die Kleidungswahl – also welche Kleidung in einer Bank respektive einer KFZ-Werkstatt oder in einem Kindergarten erforderlich ist -, die Pünktlichkeit oder was im Falle einer Krankheit zu tun ist. Befindet sich die Stelle räumlich weiter weg bzw. nicht in der Nähe der Schule, ist die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes in der Vorbereitungsphase ein wesentlicher Punkt. Dabei lernen die Schüler*innen sich selbstständig in Wien zurecht zu finden und neue Wege zu erkunden, was für den weiteren Aus-/Bildungsverlauf von enormer Bedeutung ist. Auch die Arbeitszeiten, welche natürlich von den Unterrichtszeiten abweichen, werden besprochen.

Vorgesehen ist, dass den Schüler*innen vor Ort eine Betreuerin bzw. ein Betreuer zugeteilt ist. Diese Person ist die erste Ansprechpartnerin bzw. der erste Ansprechpartner bei Unklarheiten, Herausforderungen und Problemen. Im Vertrag muss diese Person extra ausgewiesen werden – leider wird dies in manchen Fällen ausgelassen und es ist nicht eindeutig klar, wer vor Ort zuständig ist.

Erfahrungen der Schüler*innen

Während der vier berufspraktischen Tage werden die Schüler*innen unserer Schule täglich ein Mal von einer Lehrperson besucht. Dabei wird nach dem Wohlergehen der Schüler*innen gefragt und Feedback von den Betreuer*innen eingeholt. 

Am aufregendsten ist für die meisten Schüler*innen der erste Arbeitstag. Oft wird berichtet, dass viele Schüler*innen überpünktlich am Arbeitsplatz erscheinen, aus Angst davor, den Weg nicht zu finden und in Folge zu spät zu kommen. 

Was die Schüler*innen während der vier Tage machen dürfen, hängt ganz vom gewählten Beruf und den dafür notwendigen Vorkenntnissen, dem eigenen Engagement sowie dem Einsatz der Betreuerin / des Betreuers ab. Dies kann das Schleifen einer Türe in der Tischlerei sein, das Spielen mit Kindern im Kindergarten, Zuschauen beim Anlegen einer Zahnspange beim Zahnarzt, das Wechseln von Autoreifen in einer KFZ-Werkstätte oder das Abheben und Einzahlen von Geld in einer Bank sein. Jährlich entscheiden sich viele Schüler*innen in einem Supermarkt zu arbeiten. Sie verbringen die meiste Zeit mit Regale einschlichten und sortieren, Waren im Regal nach vorne räumen sowie Kartons pressen. 

In den meisten Fällen zeigt sich sehr schnell, ob den Schüler*innen der approbierte Beruf gefällt. Manche wollen gar nicht mehr zurück in die Schule und empfinden die Tage als die besten in ihrer Schulzeit. Endlich können sie machen, was sie wirklich interessiert. Andere hingegen können es kaum erwarten, dass die Zeit vorbei geht und sie wieder zurück in die Schule können. Beispielsweise wird das viele Stehen im Einzelhandel oder der frühe Dienstbeginn in Werkstätten als furchtbar anstrengend empfunden.

Am Ende der vier Tage wird vom Betrieb ein Feedbackbogen ausgefüllt, den die Schüler*innen bei Bewerbungen beilegen können. Erweisen sich die Schüler*innen als besonders fleißig und engagiert, kommt es ab und an auch vor, dass sie ein Taschengeld als Dank für ihre wertvolle Arbeit erhalten.

Fazit

Im Idealfall enden die berufspraktischen Tage damit, dass die Schüler*innen wissen, was sie nach der 4. Klasse machen wollen oder zumindest nicht machen wollen. Immer wieder gibt es auch Schüler*innen, denen eine Lehrstelle in dem Betrieb angeboten wird, wo sie die berufspraktischen Tage verbracht haben. Allerdings kommt es in manchen Fällen auch dazu, dass die vier Tage vorzeitig beendet werden, weil etwa die Arbeitseinstellung von Seiten der Schüler*innen nicht passt. 

Aus Lehrerinnen Sicht ist es spannend, die Schüler*innen einmal in einem anderen Setting zu erleben. Es ist wunderschön zu sehen, wie manche in dem gewählten Beruf aufblühen und am liebsten dort bleiben würden. Andere brauchen hingegen aufmunternde Worte, um die Tage durchzustehen. Sie blicken anschließend stolz darauf zurück, die berufspraktischen Tage zu Ende gebracht zu haben. 

Bei manchen Schüler*innen ändert sich nach dieser Erfahrung die Einstellung zur Schule: Arbeiten ist anstrengender als gedacht! Sie versuchen in der verbleibenden Schulzeit ihre Noten zu verbessern, um an weiteführenden Schulen genommen zu werden. In die Schule zu gehen, ist offenbar doch ganz schön.  

Die Autorin in Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

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oder – Wie viel Kommunikation braucht es?

Nachricht, Anfang der Schuljahres, 14:36 Uhr 

(Diese Nachricht wurde von ChatGPT umgeschrieben, um die Anonymität des Verfassers zu gewährleisten.)

 Wer sind Sie, dass Sie mir vorschreiben wollen, was ich tun soll? Die Entscheidung, mein Kind von der Schule an- oder abzumelden, geht Sie nichts an. Als Lehrerin sollten Sie in der Lage sein, mit Kindern und deren Konflikten umzugehen, anstatt wegzuschauen. Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt, und wenn Sie Ihre Aufgaben nicht richtig erfüllen können, haben Sie den falschen Beruf gewählt. Ich werde persönlich vorbeikommen und mich beschweren.

Im September 2023 habe ich von einem sehr migrationsreichen Bezirk von Wien in einen weniger diversen Bezirk gewechselt. Hätte ich vorher gewusst, was das für die Elternkommunikation bedeutet, hätte ich mir diesen Schritt besser überlegt. An meiner alten Schule wurde ich von den Eltern wertgeschätzt, immer freundlich und respektvoll behandelt und hatte – mit Hilfe von Videodolmetscher:innen und mehrsprachigen Elternabenden – einen wunderbaren Weg gefunden, mit ihnen auf allen möglichen Sprachen zu kommunizieren. 

Wir hatten keine Probleme. Alle Kinder sind auf Klassenfahrten mitgefahren, ich hatte besonders zu den Eltern herausfordernder Kinder einen guten Draht gefunden und an Weihnachten und vor den Sommerferien bekam ich immer Blumen. 

Dies hat sich geändert. An der neuen Schule sind ebenfalls Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern – wir sind schließlich noch immer an einer Wiener Mittelschule – aber viele dieser Eltern scheinen ein allgemein gültiges Misstrauen,  ja geradezu eine Verachtung gegenüber Lehrkräften zu hegen. Egal aus welchem Herkunftsland. Einige Kinder kommen in die Schule und erklären mir, sie bräuchten eh keine Bildung, ihre Eltern hätten auch nie was gelernt und würden trotzdem „voll viel Geld“ verdienen. Andere kommen nur selten in die Schule, unterstützt von den Eltern, die jedes Wehwehchen bereitwillig entschuldigen. 

Per Mail oder SMS erhalte ich Drohungen, Verwünschungen und Vorwürfe. 

(Formulierungen wieder von ChatGPT)

Ich wünsche, dass Ihre Tochter täglich weinend von der Schule nach Hause kommt, damit Sie sehen, wie das ist. Sie haben einen Eid abgelegt, alle Kinder gleich zu behandeln, aber ein behindertes Kind gehört nicht in eine normale Klasse.

Es ist unglaublich, was an dieser Schule alles passiert.

Alle Beschwerden wurden sowohl von der Schulpsychologie als auch seitens der SQM als absolut haltlos befunden. Dies wurde den Eltern auch von offizieller Seite kommuniziert. Im Laufe des Schuljahres haben sich die meisten Wogen geglättet, die oben erwähnten Eltern haben ihren Ton geändert und ihren Kommunikationsstil gezähmt. 

Ich bin aber definitiv gewarnt. 

Ja, ich bin eine Lehrkraft, die ihre Telefonnummer bereitwillig am Schuljahresanfang hergibt, in der Annahme, dass Eltern dies nicht ausnutzen. In vier von fünf Fällen ist dem auch so. Dennoch verbringe ich mindestens drei bis vier Zeitstunden wöchentlich mit Elternkommunikation. Ich glaube an die Zusammenarbeit, ich möchte erreichbar sein und Entscheidungen transparent kommunizieren. Ich teile Bewertungsskalen und Erwartungskriterien. Ich schreibe alle sechs Wochen Elternbriefe und informiere die Eltern über die Geschehnisse in der Klasse, die behandelten Themen, die anstehenden Events. Ich sende Fotos von Ausflügen und schönen gemeinsamen Momenten im Schulalltag.

Dennoch beschäftigen mich die Vorwürfe. Und der Gedanke: Was ist der richtige Weg? Was die richtige Menge an Erreichbarkeit? 

Ich wasche Durchfall aus Sporthosen, wenn der Weg zum Klo zu weit war. Ich erkläre wie man Binden in Unterhosen klebt. Ich habe in diesem Schuljahr 20 Kindern beigebracht, zweisprachig die Uhr zu lesen, obwohl alle Kinder aus österreichischen Volksschulen kamen. Ich erkläre, wie man Brüche im Alltag verwenden kann, wie man einen Podcast schneidet und mache Lesestunden bei Kerzenschein. 

Wieso sind Lehrkräfte bei all diesen Tätigkeiten immer noch das Feindbild einiger Eltern? Und was können wir tun, wenn zuhause kommuniziert wird: „Auf die brauchst du nicht zu hören, die hält sich eh für was besseres, weil sie studiert hat!“

Ich kenne Kolleg:innen, die ausschließlich mit Webunits oder Schoolfox mit den Eltern kommunizieren. Die niemals ihre Nummer hergeben würden und für die sich Elternarbeit auf KEL Gespräche reduziert – oder die eine oder andere Beschwerde über Unpünktlichkeit oder unlauteres Verhalten. Doch haben wir nicht die Pflicht, eng mit Eltern zusammenzuarbeiten?

Natürlich verstehe ich die Angst der Eltern um das eigene Kind. Ich habe selbst einige und bin oft nicht glücklich mit Entscheidungen und/oder Haltungen ihrer Lehrkräfte. Aber können wir den Kindern nicht beibringen, dass es Teil vom Leben ist, auch mit herausfordernden Menschen wertschätzend und achtsam umzugehen? Dass dies im Leben immer wieder passieren wird, dass wir Leute treffen, womöglich mit ihnen zusammenarbeiten müssen, die nicht unserem Idealtypus entsprechen? Und gibt es da nicht genau einen Weg? Entweder arbeiten wir gut zusammen oder sehr gut – alles andere ist unprofessionell!

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

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Wie wird mit dem Thema psychischer Gesundheit an deiner Schule umgegangen?

Sarah*: Unsere Direktorin hat sich darum bemüht, Unterstützungspersonal an die Schule zu holen und auch zu halten. An jeweils 3 Tagen pro Woche ist eine Schul-Sozialarbeiterin sowie eine Beratungslehrerin und an 3-4 Tagen eine Jugend-Coach da. Dieses Personal beschäftigt sich auf Anfrage der Lehrpersonen und/oder in Absprache mit der Direktion mit Schüler:innen. Anlässe dafür gibt es viele, meistens kommt das Unterstützungspersonal meiner Wahrnehmung nach aber dazu, wenn es einen negativen Vorfall mit den betreffenden Kindern und Jugendlichen gab. Dies ist meiner Einschätzung nach auf die begrenzten Ressourcen, die dem Unterstützungspersonal zur Verfügung stehen, zurückzuführen, obwohl Prävention in der emotionalen und sozialen Arbeit effektiver als Reaktion ist.

Seit April kooperieren wir außerdem einmal wöchentlich mit einem Verein, der mit Kindern arbeitet, die durch Krisen und Krieg eventuell traumatische Erfahrungen gemacht haben.

Zudem arbeiten an unserer Schule 4 Integrationslehrer:innen, die sich in Integrationsklassen um besondere Lernbedürfnisse der Schüler:innen kümmern. Diese Klassen sind im besten Fall kleiner als die anderen Klassen, damit die I-Lehrer:innen sich wirklich mit den Kindern beschäftigen können.

Last but not least kommt einmal pro Woche Personal vom MIT (= multikulturelles Integrationsteam) an unseren Standort.

Elisabeth*: Wir haben 12 Wochenstunden Unterstützung von einer Psychagogin und genauso viele von einer Schulsozialarbeiterin. Wir haben ca. 270 Schüler:innen und mindestens ein Drittel würde permanente Betreuung brauchen. Die Gründe sind unterschiedlich. Entschieden wird bei Erstgesprächen nach Dringlichkeit. Aus der Sicht der beiden Fachfrauen durchaus einleuchtend, weil die Ressourcen beschränkt sind. Aus der Sicht der Schüler:innen, denen es schlicht und einfach nicht gut geht, warum auch immer, eine Katastrophe. Auch wenn uns als Lehrer:innen auffällt, dass es einem Schüler oder einer Schülerin nicht gut geht, müssen wir damit rechnen, dass nicht zeitnah geholfen werden kann.

Im Kollegium sind die Ansichten in Bezug auf psychische Erkrankungen durchaus geteilt. Es gibt jene, die nur wenig Einfühlungsvermögen haben. Die im Jahr 2024 immer noch der Meinung sind, die Schüler:innen sollen sich einfach zusammenreißen. Genau bei diesen Kolleg:innen wird die Arbeit der Beratungslehrerin meistens argwöhnisch betrachtet. Auch der Verdacht wird laut geäußert, dass sich die Kinder nur vor den Unterrichtsstunden drücken wollen. Andere Kolleg:innen erkennen die Nöte der Mädchen und Jungen und agieren dementsprechend.

Hat sich dabei in den letzten Jahren etwas verändert?

Sarah: Ich bin erst seit 3 Jahren an der Schule. Seitdem arbeiten die selben Unterstützungspersonen an unserem Standort. Das ist natürlich sehr hilfreich, weil ich glaube dass eine gute Zusammenarbeit Zeit und Routinen braucht.

Vorher wechselten die Unterstützungspersonen nach Angaben von Kolleg:innen häufiger, auch weil z.B. die Sozialarbeit an einer Schule andere Rahmenbedingungen vorgibt als die Arbeit in einer betreuten Wohngemeinschaft.

Es fällt uns schwer zu beurteilen, ob die psychische Belastung von Kindern in den letzten Jahren, z.B. durch die Schulschließungen durch Covid-19, zugenommen hat. Unverändert hoch ist jedenfalls die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen, die von sozialer Ungleichheit und Rassismus betroffen sind. An einer Schule wie unserer, wo über 90% der Kinder Erfahrungen mit Migration und Armut haben, konzentrieren sich diese beiden Lasten leider auf den Schultern vieler Schüler:innen.

Elisabeth: Ja, die psychischen Probleme werden mehr. Ich persönlich glaube, dass das immer noch die Nachwirkungen der Corona-Zeit sind. Aber auch die Bereitschaft unserer Schüler:innen offen über psychische Probleme zu reden, ist gewachsen. Umso schlimmer ist, dass wir sie oft auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten müssen. Oder wir verweisen auf Fachleute, die nicht in der Schule arbeiten. Das stellt aber für viele ein Hindernis dar. Außerhalb der vertrauten Umgebung wird nicht gerne um Hilfe gebeten.

Bekommt ihr die (externe) Unterstützung, die ihr benötigt?

Sarah: Es ist sehr gut, dass wir das genannte Unterstützungspersonal an der Schule haben. Allerdings wäre es wichtig, dass dieses Personal genügend Stunden, Räume und Ressourcen zur Verfügung hätte, um bereits präventiv, nicht erst in Reaktion auf einen negativen Vorfall, zum Einsatz zu kommen. Denn es muss betont werden, dass Kinder, die ihre psychische Belastung nicht durch auffälliges Verhalten äußern, sondern sich zurückziehen, eventuell von Lehrpersonen und Unterstützungspersonal übersehen werden.

Elisabeth: Wir bräuchten einfach mehr niederschwellige, mehrsprachige Hilfsangebote an der Schule. Externe Hilfe zu bekommen, darf nicht „ewig“ dauern. Wir brauchen in dieser Richtung auch gezielte, mehrsprachige Elternarbeit. Viele unserer Eltern haben große Scheu, wenn es um die psychische Gesundheit ihrer Kinder geht. Auch da fehlt es an Unterstützung. Im Übrigen bin ich der festen Überzeugung, dass Mehrsprachigkeit bei den Beratungslehrer:innen und Schulsozialarbeiter:innen enorm wichtig ist.

Wie siehst du deine Rolle als Lehrperson, um deine Schüler:innen in ihrem Wohlbefinden zu unterstützen?

Sarah: Ich denke, dass ich als Lehrperson im Klassenzimmer auf Struktur, Sicherheit und ein wertschätzendes Klima achten muss, damit die Belastungen, die Kinder von außen mitbringen, nicht noch durch den Besuch der Schule verstärkt werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass es im Unterricht und in den Pausen so ruhig sein soll, dass sich alle wohl und sicher fühlen. Lernen ist neurowissenschaftlich gesehen übrigens überhaupt erst dann möglich. Ich bemühe mich, den Kindern den Unterrichts- und Schularbeitsstoff transparent, verlässlich und auf Augenhöhe zu vermitteln, um ihnen Stress durch Schularbeiten zu ersparen. Es muss darüber hinaus Raum für Kinder geben, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, kleine Fehler im Sozialverhalten zu machen und aus ihren Fehlern zu lernen. Soziales Lernen ist ebenso ein Schulfach wie Mathematik und wird im besten Fall fächerübergreifend vermittelt.

Zu meinem Selbstverständnis als Lehrperson gehört außerdem die Kooperation mit dem Unterstützungspersonal. Das heißt zum Beispiel, dass ich mir Zeit nehme, um über Fälle in der Klasse zu sprechen, mir anzuhören, was Sozialarbeiterin und Beratungslehrerin berichten und Erkenntnisse gegebenenfalls im Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen zu implementieren. 

Ein echter Spagat ist es, auf Kinder und ihre individuellen Bedürfnisse einzugehen und trotzdem Schritt mit Schularbeiten und Abgabeterminen zu halten. Diesen Spagat schaffe ich manchmal nicht und verlasse das Klassenzimmer in dem Wissen, dass ich den Kindern Unmögliches abverlange. Aber statt mich selbst zu kasteien habe ich begonnen, meine Kritik am Schulsystem, nicht an Individuen, zu formulieren. Die fällt immer drastischer aus und reiht sich in einen seit Jahren bestehenden Kanon ein. Das Schulsystem in Österreich gehört zu den teuersten auf der ganzen Welt, bringt aber nur mangelhafte Ergebnisse.

Elisabeth: Klar gehen Lehrer:innen auch an ihre Grenzen, wenn Schüler:innen, die psychische Probleme haben, in ihren Klassen sind. Es erfordert ein hohes Maß an Sensibilität von Seiten der Lehrkräfte. Und die Frage aller Fragen, die wir uns stellen müssen, ist, ob wir im Stande sind zu helfen. Ich persönlich hole mir in solchen Fällen Rat von Expert:innen. Klar, ich will helfen. Ich kann zuhören und auch vermitteln. Ich verbalisiere das auch, wenn Schüler:innen sich mir anvertrauen. Ich sage klar, wenn ich mich überfordert fühle. Und in Wahrheit zeige ich damit, dass es okay ist, sich Hilfe zu holen.

Wir haben viel Nachholbedarf in Bezug auf die psychische Gesundheit unserer Schüler:innen. Es gibt viel zu tun.

*Namen von der Redaktion geändert.

Beide Lehrer:innen unterrichten an Mittelschulen in Wien.