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Dr. Patrick Frottier, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie:

„Hass gab es immer schon, etwa als Reaktion auf unbewältigte Kränkungen, als Folge eines Selbstwertproblems,  eines bewussten oder unbewussten Gefühls innerer Unsicherheit. Die Projektion dieses Minderwertigkeitgefühls auf eine Person, auf eine Personengruppe,  auf alle anderen außer sich selbst oder gar unter Einbeziehung seiner eigenen Person ist demnach nicht neu. Neu ist jedoch die Geschwindigkeit der Verbreitung, die mögliche Unbegrenztheit der Reichweite, die Perfektionierung der Anonymität des verursachenden Auslösers. Das Neue liegt also in den Möglichkeiten, die der digitale Raum dem Hassenden  bietet und nicht der Hass an sich.“

Wir sprechen über Klassenchats. Shitstorms, Hass im Netz – oft wird man „versehentlich“ Opfer. Klassenchats sind allgegenwärtig. Die berühmten „WhatsApp“ Gruppen, wohlgemerkt oft von Lehrpersonen selbst initiiert – „so Kinder, dann könnt ihr euch gegenseitig die Hausaufgabenafträge senden, das Organisatorische besprechen und euch gegenseitig an Referatstermine erinnern.“ Das ist die oft naive Vorstellung der Inhalte eines Klassenchats. Manchmal sind die Lehrpersonen dabei, oft nicht. Legal wäre das nicht, aber das ist die Nutzung von WhatsApp für Kinder unter 14 auch nicht. Und schon im 1. Lockdown 2020 wurde WhatsApp als zwar nicht gewünschte, dennoch aber (von der Bildungsdirektion) geduldeter Einstieg ins Distance-Learning schweigend toleriert.

Als Lehrperson bekommt man oft wenig mit von den wahren Ausmaßen des „Bashings“, welches an Stelle der Referatserinnerungen innerhalb der Klassenchats kursiert. Die mildeste Variante ist noch das Spammen, das Versenden von mehreren hundert Nachrichten ohne Inhalt. Es steigert sich oftmals bis hin zu einer wahren Hexenjagd, Bloßstellungen, Beschimpfungen, Beleidigungen. Bei einem Kind kursierten gefakte Pornobilder unbeliebter Lehrerinnen, bei einem anderen wünschte jemandes Mutter einen unfreiwilligen Geschlechtsverkehr mit einem überdimensionales Geschlechtsteil eines nicht österreichischen Mannes, an dessen Folgen sie bitte verenden möge. Ohne das „Bitte.“

Schulen sind machtlos. Die Inhalte zu kurzlebig, zu schnell wieder gelöscht. Doch sind sie das wirklich? Nichts was einmal im Netz war verschwindet für immer…

„Es ergibt sich eine Dynamik von digital versendeten Hassnachrichten, die im sozialen Netzwerken weder bezüglich der Verbreitung noch bezüglich der Reaktion irgendeiner Steuerung unterliegt. Der sich daraus ergebende emotionale Kontrollverlust berührt alle Beteiligte in schwer vorhersehbarer Weise, die möglichen wirksamen Variablen übersteigen bisher alle gültigen Prognose- und Gegensteuerungsmaßnahmen. Dieser Kotrollunmöglichkeit ist für den Nachrichtensender Anreiz sein Gefühl auszuleben und Vermeidung einer diesbezüglichen Konsequenz zugleich. Er setzt mittels weniger gedrückter Tasten einen minimalen Impuls mit einer unvorhersehbar großen Konsequenz, ganz der Symbolik seines Minderwertigkeitsgefühls entsprechend: aus ganz klein wird ganz groß.“ 

Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Was können wir tun? SaferInternet Workshops werden besucht, Schilfs zu diesen Themen wachsen aus dem Boden.

„Die  Sehnsucht nach allgemein gültigen Tipps im pädagogischen Bereich entsprechen meist der eher naiven Sehnsucht, jedes Problem hätte auch eine zugehörige Lösung. Jede Eingrenzung des Benützens von sozialen Netzwerken führt regelhaft zu Widerstand, sei aus einer demokratischen oder trotzigen Reaktion heraus. Da jedoch Hass als Mischgefühl des Neides, des Zorns und der inneren Angst seit Bestehen der Menschheit, also in unserer Kultur seit Kain und Abel, gegenwärtig ist, wäre die offene Diskussion über die ganze Palette der Gefühle, ihrer Ursachen und der Umgang mit ihnen, auch als Unterrichtsstoff, welcher unabhängig von inadäquatem und dysfunktionalen Umgang mit digitalen Medien gelehrt werden sollte, sinnvoller als eine Begrenzung neuer Medien.“

Aber irgendwas müssen wir doch tun!?

„Mit Schülern und Schülerinnen eine Diskussion über enttäuschte Erwartungen und dem sich daraus  entwickelnden unberechtigten Anspruchsdenken, welche in Hass münden können, zu führen – also einen wiederholten Diskurs über des Menschen offensichtliche eingeschränkte Fähigkeit unabweisliche und tägliche Kränkungen des Lebens zu tolerieren, zu jedem sich ergebenden Anlass anzuregen – das wäre eine pädagogische Aufgabe, die zwar niemals ein Ende nehmen, sich aber zweifellos lohnen würde. Und jeder könnte sich fragen: wen habe ich zu welchem Anlass schon einmal gehasst, wie habe ich meinen Hass ausgelebt, wann bin ich schon gehasst worden und wie habe ich mich dabei gefühlt. Die Gemeinsamkeit der Erfahrung könnte die dem Hass zugrundeliegende Trennung zumindest bewusst machen, das wäre ein erster Schritt hin zur Solidarität welche eine Klasse erst zu einer solchen macht, welche erst dann dem Wort „Klassengemeinschaft“ eine Berechtigung gibt.“ 

Erfahrung einer Lehrerin (BHS)

Letztes Jahr wurden mir durch Erziehungsberechtigte Klassenchats weitergeleitet, die hinter der Grenze der Legalität waren. Ich hatte das Glück, dass ich mich gleich an mehrere Fachexperten wenden konnte: einerseits an die Direktion, wo ich viel Unterstützung bekommen habe, andererseits an einen in Mediation, Mobbing- und Gewaltprävention sehr erfahrenen Kollegen und Coach, und auch an einen Freund, der in einer staatlichen Organisation arbeitet und Erfahrungen mit diesen Themen gehabt hat.

Die Intervention seitens der Direktion ging in mehrere Richtungen. Einerseits wurden Gespräche mit den betroffenen Schülerinnen und Schülern im Beisein ihrer Eltern geführt, die dazu geführt haben, dass mehrere Personen die Klasse bzw. die Schule verlassen haben. Andererseits wurden diese Personen an die Behörden gemeldet und die Fälle von den zuständigen staatlichen Stellen weiterbearbeitet.

Mit der Klasse wurde unmittelbar danach ein ganztägiger Workshop gemacht, in dem über das Gewicht des Geschehenen aufgeklärt wurde, über die gesetzliche Lage in Österreich sowie über die geschichtlichen Zusammenhänge und Hintergründe für diese Gesetze. Und es wurden danach mehrere Chancen genutzt, gruppendynamische Übungen zu machen. Dies war gut, denn die Situation am Anfang war schwierig, es herrschte Fassungslosigkeit, denn „das war ja nur Spaß“. Nach dem Workshop konnten die Schülerinnen und Schüler die Situation einordnen, auch wenn nicht alle mit den Konsequenzen für ihre MitschülerInnen einverstanden waren. Das Klassenklima hat sich aber sukzessive gebessert.

Für mich selbst waren diese 2 Wochen unheimlich schwierig, ich hatte aber viel Unterstützung im Kollegium und von der Schulleitung. Was es in der Prävention braucht? Aufklärung, echte Geschichten und Fälle, und vor Allem Sensibilisierung der SchülerInnen dafür, dass „Spaß“ kein Freibrief für ist.

Und was sagen die Schüler:innen?

Um die Sicht auf Klassenchats von den Schüler:innen zu erhalten, haben wir uns entschieden, sie anonym und schriftlich Fragen beantworten zu lassen. Dadurch hofften wir auf möglichst ehrliche und wahrheitsgetreue Antworten. Im Großen und Ganzen blieben die Antworten dennoch vage. Ein vertiefendes Gespräch wäre sicher noch aufschlussreicher, um hier auch einzelne Rollen der Schüler:innen in den Chats herausfiltern und analysieren sowie mit ihnen reflektieren zu können, wie und warum sie in dem Moment gehasst haben.

Wenig überraschend sehen die Schüler:innen den Klassenchats als einen wichtigen Austauschkanal an, um vor allem schulische Fragen zu klären. Viele befürworten eine Klassengruppe zum Austausch über Verpasstes, ausgefallene Stunden oder Unterstützung bei der Hausübung. Interessant bei letzterem ist, dass hier besonders fertige HÜs angefragt werden, dass in einer Klasse bei einigen für Unmut sorgen dürfte.

Unerwünscht sind Personen, die den Chat zum Spamm

en verwenden; die also tagtäglich unaufgefordert Sticker, Videos und Memes teilen. Bei Mitschüler:innen, die beleidigen, Gerüchte verbreiten, jemanden absichtlich verletzen und schlecht über andere schreiben, durchzog sich der Tenor des Blockieren-Wollens laut und deutlich. Weil zum „Scheiße schreiben“, sei der Chat nun mal nicht da. Ebenso beschwerten sich einige, dass manche viel zu viel „Unnötiges“ in den Chats schrieben, private Konflikte hintrügen und sie als Bühne nützten bzw. andere heruntermachten, wenn nicht geantwortet würde.

Interessant waren auch die verschiedenen Antworten hinsichtlich der Reflexion der eigenen Rolle im Chat. Viele nehmen sich als helfend wahr. Andere beobachten lieber, um am Laufenden zu bleiben. So manch eineR hat den Chat bereits wieder verlassen und fragt lieber privat nach. Stumm gestellt ist er bei den meisten. Spannend ist hier die Veränderung zu Unterstufe.

Die deutliche Mehrheit meinte, in der Unterstufe sei es lustiger zugegangen und sie hätten sich produktiver ausgetauscht; auch weil sie sich schon besser gekannt hätten. Viele führten die fehlende Klassengemeinschaft als Grund für die oftmals schlechte Stimmung in den Chats an. Das traf besonders auf die Befragten in ersten Jahrgängen zu.

Zum Ende lassen sich zwei Umgangsmöglichkeiten mit dem Klassenchat aus den Antworten der Schüler:innen herauslesen:

1) Sie ziehen sich zurück; das kann heißen, sie werden zu Leser:innen und vermeiden das aktive Schreiben, Antworten und Interagieren oder sie verlassen den Chat ganz und kontaktieren einzelne Mitschüler:innen oder gründen kleinere Privatgruppen.

2) Sie befürworten den Chat weiterhin, weil für sie die positiven Eigenschaften des Austausches, des Dazugehörens und der Hilfemöglichkeiten überwiegen.

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Corona nervt! Das lässt sich wohl aus allen verfassten Texten herauslesen. Manche sind geimpft, manche nicht, manche finden eine Impfpflicht gut, andere weniger, viele sind dennoch geimpft. Doch sind die meisten von ihnen der Meinung, dass es nichts gebracht habe. Es wurde ihnen versprochen, dass sie dann keinen Lockdown mehr haben werden, keine Masken, kein Testen. Tatsächlich hat sich das Leben von allen verschlechtert.

Keiner geht mehr raus, nicht ins Kino, kein Treffen mit Freunden. Zu viele haben schon bezahlt, weil sie zu wenig Abstand hielten, keine Masken trugen oder keinen gültigen PCR Test hatten, um etwas einzukaufen oder irgendwo was zu essen. 

Corona nervt. 

Ja! Die Mittelschüler und Mittelschülerinnen trifft es besonders hart. Viele haben vier und mehr Geschwister, viele wohnen in sehr engen Wohnverhältnissen. Durch das Ansteigen der Betriebskosten hat sich diese Situation verschärft. Etliche unserer SchülerInnen mussten umziehen. Sie haben jetzt einen längeren Schulweg. Mehr öffentliche Verkehrsmittel, noch mehr Möglichkeit sich anzustecken. Und wenn nicht sie, dann die Eltern in ihren systemrelevanten Jobs als Reinigungskraft, Pflegepersonal und/oder im Lager. „Die Arbeit meiner Eltern ist schwerer geworden!“, sagt Maria. Auch Pia stöhnt: „Wir sind alle zweimal geimpft – wir hatten alle schon Corona. Früher hatte ich Angst, jetzt habe ich keine Angst mehr. Ich möchte keinen Masken mehr tragen. Ich möchte auch nicht mehr täglich testen. Es kostet sehr viel Zeit in der Schule.!“

David hat Angst etwas anzugreifen, seinen Freunden nah zu sein. Tanja klagt, sie bekäme von der Maske Pickel. Klaus ist sich sicher, dass Corona, also zumindest die Delta und die Omikron Variante nur Erfindungen der Regierungen seien, damit die Menschen Angst hätten. Denn Angst bekäme man vor allem vor dem Unbekannten, Unsichtbaren. Er glaubt, dass die Regierung diese zur Manipulation der Menschen ins Leben gerufen hätten. 

Hannah hat Angst um ihre fünf kleinen Geschwister. Sie wäre seit Jahren zuhause eingesperrt, nichts sei mehr lustig. Man gehe nicht mehr gemeinsam raus, denn dass alle Familienmitglieder gleichzeitig einen gültigen PCR Test hätten, sei ein Ding der Unmöglichkeit. 

Fast alle Geimpften hatten auf ein Ende der Masken gehofft. Auf ein Ende des Testens. 

„Frau Lehrerin, lügen die uns an?“

„Aus meiner Familie hatten schon alle COVID“, schreibt Daniel, „ich finde, sie sollten die Schulen gleich schließen und uns nicht dauernd nach Hause schicken.“ „Und schon zweimal durfte ich nicht in die Schule, weil ich keinen gültigen PCR Test hatte. Das nervt!“

„Ich möchte Frieden und Ruhe! Die Medien machen die Welt verrückt!“ konstatiert Jens. „Ich hoffe, das hört dieses Jahr auf!“

Ja ständige positive Test in der Klasse, die Unklarheit, ob ein Schultag, eine Schulwoche „normal“ zu Ende geführt werden können. Solbad die Lehrkraft sagt: „So, und jetzt packen wir alle Sachen ein!“ Die Angst im Nacken – werden wir schon wieder nach Hause geschickt?

Paul meint: „Homeschooling macht mir nichts, da bin ich eh brav!“, aber viel lenke ihn zuhause ab. Die kleinen Geschwister, das Handy in Griffweite, die Mama in der Küche…

Informationen bekämen sie von TikTok, also alle. Oder eben aus dem Internet. Manchmal auch aus der Kronenzeitung. Aber TikTok erklärt eh alles. Und ja, Corona hat das Leben verändert: Die Erschöpfung der Bevölkerung, das seelische Verhalten. Alles sei halt ein bissi schwerer geworden. 

Corona NERVT!

Corona NERVT! Das ist auch der Grundtenor an einer Wiener HAK. Viele sind von der oft widersprüchlichen Kommunikation der Politik frustriert. Können die Inkonsistenz der verlautbarten Regelungen nicht nachvollziehen. Dennoch: Mittlerweile ist die überwiegende Mehrheit der befragten Schüler*innen geimpft. Sie stehen der Impfung positiv – „sie schützt mich vor schwerem Verlauf“ – bis pragmatisch – „ich wollte wieder Freund*innen treffen“ – gegenüber. Einige führten Solidarität als Beweggrund an. Andere nannten ihre Eltern als maßgeblichen Einflussfaktor.

Nur wenige sind nicht geimpft. Hier sind es die Eltern und Geschwister häufig auch nicht. Sie sehen die Impfung skeptisch; wollen lieber abwarten, haben noch Ängste wegen möglicher Nebenwirkungen. Eine will sich erst impfen lassen, wenn es „notwendig“ ist, eine weitere erst, wenn es „Pflicht“ werde. Andere wiederum führen die Angst ihrer Eltern oder deren Impfaversion an.

Aber: Corona nervt! Viele nervt das Thema. Es nervt sie, tagtäglich mit News rund um Corona konfrontiert zu werden. Neue Bestimmungen, neue Verbote, neue Einschränkungen. Lockerungen folgen Einschränkungen folgen Lockerungen folgen – Sie wissen, wie es weiter geht. Einige haben das Thema satt. Sie wollen nicht mehr darüber reden, vermeiden es „so gut wie möglich“ darüber zu sprechen. Eine dazu: „Mir ist es egal geworden“, sie habe sich an die „Pandemie/Situation gewöhnt“.

Andere wiederum beschäftigen sich intensiv damit. Diskutieren in den Familien und halten sich gegenseitig am Laufenden. Manche über die Vorteile der Impfung, andere nur über „die Nachteile der Impfung“. Als Quelle dient ihnen häufig Insta und TikTok. Der ORF wird auch immer wieder genannt. Ob wegen „sozialer Erwünschtheit“ oder seinem neuen TikTok-Kanal bleibt hier unbeantwortet.

Corona nervt!

 Es nervt, weil Freund*innen erkranken und nicht getroffen werden können. Es nervt auch, weil es eine weitere Sorge um Angehörige und Verwandte darstellt. Viele kennen zumindest eine Person, die an Corona erkrankt ist. Davon hatten die meisten – zum Glück – einen leichten Verlauf. Einer erwähnt seinen Vater, der unter Long Covid leide; eine ihre Tante, die einen schweren Verlauf mit Hospitalisierung hinter sich habe. Manche waren selbst schon Corona positiv. Eine schon zweimal: Delta und Omikron, trotz Impfung. „Überall gekostet“, scherzt sie müde.

Die Demos gegen Corona-Maßnahmen halten die meisten für „unnötig“, sie „bringen nichts“ und würden nur zu „mehr Ansteckungen“ führen. Sie sollten sich „lieber an die Ordnungen“ halten. Trotz dieses Hangs zur Ordnung wird demonstrieren für viele als gut und richtig angesehen. Seine Meinung öffentlich kundzutun, wird als wichtig erachtet: „Meinungsfreiheit“ sei wichtig, genauso wie das „Recht auf ein freies Leben“. Jedoch wird ihr Effekt für Veränderungen als kaum existent eingeschätzt. Vielleicht liegt das auch an dem gerade erst mit massivem Polizei-Einsatz geräumten Protest-Camp.

Ein anderer wiederum schreibt, dass Freunde auf die Demo gingen, sie seien gegen die Impflicht und sähen die Maßnahmen der Regierung als „unnötig“ an.

Corona nervt, voll hart! 

Besonders tangiert die Jugendlichen Corona in ihrem Sozialleben. Eine fühle sich nicht mehr „frei“. Eine betont, „Jugendliche wollen ihre Freiheit und ihren Spaß“ – wer kann dem nicht zustimmen? Keine*r sagt, es hätte sich nichts verändert. Viele klagen über Verlust von sozialen Kontakten. Vereinsamung. Vermisste Partys. Regelmäßige Treffen und Unternehmungen seien unmöglich bis eingeschränkt. Das Maskentragen nerve. Man kenne kaum noch die Gesichter der Freund*innen. Zudem sei die Haut vom vielen Tragen irritiert. Oftmals wird sie auch zu Hause vergessen und dann stünde man „blöd“ da.

Bei einigen seien die Eltern „ständig“ zuhause. Einige wegen Jobverlust. Andere wegen Homeoffice. Allemal nerve ihre ständige Anwesenheit. Es fehlten Rückzugsorte. Privates. Intimität. Enge Wohnverhältnisse, fehlende Kontakte, eingeschränkte Treffmöglichkeiten, das ständige Testen. Oftmals ist es viel. Viel, das nervt.

Der Text ist eine Zusammenfassung von Schüler*innen-Befragungen an einer HAK und einer MS in Wien.

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“Einmal Lehrer*in – immer Lehrer*in.” Das gilt für die überwiegende Mehrheit der Personen, die sich für das Lehramt entscheiden heute noch  immer. Während der Quereinstieg in den Lehrberuf zunehmend erleichtert wird, ist ein – wenn auch nur zeitlich begrenzter – Ausstieg oder eine berufliche Umorientierung in der Regel nur schwer möglich. 

Wir haben mit vier Lehrerinnen gesprochen, die sich über die Initiative Seitenwechsel für einen solchen temporären Umstieg entschieden haben. Für ein Jahr arbeiten sie in Unternehmen um schließlich mit neuen Perspektiven und Skills zurück in die Schule zu kommen: 

Warum hast du dich dafür entschieden für ein Jahr die Schule zu verlassen und in einem Betrieb zu arbeiten? 

Cornelia:  Ich bin über Umwege Lehrerin geworden, habe in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Nach ein paar Unterrichtsjahren war mir nach Abwechslung, neuem Input. Ich habe bereits Arbeitserfahrung mitgebracht, und wollte meinen, für mich auch im Unterricht extrem wertvollen, Background noch erweitern.

Anna*: Weil ich bisher kaum Berufserfahrung außerhalb des Bildungsbereichs hatte und hier die Chance gesehen habe, den Alltag in einem Betrieb kennenzulernen und mein Fachwissen auch einmal praktisch anwenden zu können.

Mitra: Ich war jetzt 4 Jahre Klassenvorständin und habe meinen Schwerpunkt stark auf Berufsorientierung gelegt, da dieses Thema unsere Jugendlichen in der Mittelschule sehr stark betrifft und vor allem auch beschäftigt. Es ist wahnsinnig schwer, sich mit 14 zu entscheiden, was man als nächstes machen möchte, was ich absolut nachvollziehen kann. Ich bin froh, dass ich das damals nicht musste.

Ebenso lege ich einen großen Schwerpunkt auf sogenannte „Life skills“, also Umgang mit Geld, wie ein Haushaltsbuch führen, Eingaben und Ausgaben, wie viel und welche Ausgaben kommen überhaupt auf mich zu, wenn ich alleine wohne, wie vergleiche ich Versicherungen, suche ein Bankkonto aus, wie funktionieren Kredite, Schulden usw.

Wenn diese Themen nicht durch die Eltern erlernt werden, bleibt nur die Schule. Deshalb ist es wichtig, dass wir Lehrer*innen auch viele solcher Kompetenzen lehren.

Um meine Schüler*innen nun so gut und vor allem so authentisch wie möglich auf die Berufswelt vorzubereiten, wollte ich selbst die Arbeitswelt außerhalb der Schule kennenlernen.

Durch Seitenwechsel hatte ich zum Glück die Gelegenheit dazu und habe es gewagt. 

Ja, es ist ein großer Schritt, weg vom gewohnten Arbeitsumfeld zu gehen und etwas zu machen, wo man sich nicht wirklich auskennt, obwohl man eigentlich immer diejenige ist, die das tut. Aber genau das, ist doch auch wieder wichtig, um sich besser in die Lage unserer Jugendlichen hineinzuversetzen.

Alexandra: Eine langjährige Kollegin hat mir einen Zeitungsartikel über die Initiative Seitenwechsel übermittelt und somit begann ich mich über dieses Projekt zu informieren. Nach jahrelanger Unterrichtstätigkeit ermöglicht mir dieses Programm meine fachlichen Kompetenzen zu erweitern und mich persönlich weiterzuentwickeln. 

Wie bist du im Unternehmen aufgenommen worden? 

Cornelia: Sehr offen! Was mich als Person, meine Stärken und Schwächen und die Themen an denen ich arbeite, betrifft.

Anna: Sehr gut. Gleich am ersten Tag wurde ich allen persönlich vorgestellt und die Kolleg*innen sind alle nett und hilfsbereit. 

Alexandra: Am ersten Tag wurde ich vom Leiter der Personalabteilung in Empfang genommen und erhielt zuerst eine Gebäudeführung. Anschließend lernte ich meine KollegInnen im Labor kennen. In der ersten Arbeitswoche hatte ich ein Onboarding-Programm, indem die Abteilungsleiter*innen für administrativen Angelegenheiten ihre Aufgabenbereiche vorstellten. Daher wusste ich bereits, wen ich bei Fragen kontaktieren kann. Die Hilfsbereitschaft meiner KollegInnen ist sehr wertvoll für meine „neue“ Tätigkeit.

Was sind deine neuen Aufgaben? Fühlst du dich mittlerweile gut eingearbeitet? 

Cornelia: Aufgaben gibt es in unserer Abteilung viele; viele Ideen, die umgesetzt werden wollen. Unter all den Technikern (und einer Technikerin) habe ich mir anfangs nicht viel zugetraut. Mittlerweile ist es besser, ich habe das Gefühl, die Aufgaben einschätzen zu können und weiß besser, was ich mir zutrauen kann. 

Anna: Auch wenn ich mittlerweile eingearbeitet bin, gibt es immer wieder neue Herausforderungen und ich lerne ständig dazu. Es macht aber immer wieder Freude und stärkt mein Selbstbewusstsein, wenn ich wieder etwas geschafft habe.

Mitra:  Am Anfang habe ich doch eine Weile gebraucht und es war manchmal nicht so angenehm, nicht die zu sein, die sich auskennt, sondern die, die Erklärungen und Arbeitsanweisungen braucht.

Trotzdem und vor allem auch durch das hilfsbereite und nette Team, konnte ich mich gut einfinden und arbeite mittlerweile schon gut mit. Und vor allem schon etwas selbstständiger.

Mein Hauptbereich ist das Risikomanagement, wo ich Berichte überarbeite und erneuere, von Berichten Powerpoint Präsentationen als Zusammenfassung und Übersichten erstelle. Ebenso erstelle ich neue Beurteilungsblätter für Einzelrisiken.

Nebenbei unterstütze ich unsere Juristin bei Recherchen, Korrekturlesen von juristischen Texten oder Erstellen von Powerpoint Präsentationen und lese auch zukünftige Artikel oder Broschüren für die PR Managerin gegen.

Ich werde in dem Jahr aber auch noch die Arbeit der anderen Bereiche der B&C kennenlernen, wie zum Beispiel die Innovation Investment oder die Stiftungsarbeiten. Bei beiden darf ich jetzt schon immer wieder ein bisschen reinschnuppern.

Alexandra: Auf jeden Fall war es zu Beginn eine große Herausforderung in einem Labor tätig zu sein und neue wissenschaftliche Methoden kennenzulernen. Es ist eine vielseitige Tätigkeit in internationalem Umfeld, daher wird Englisch als Arbeitssprache verwendet. Die Abläufe meiner Arbeit sind gut strukturiert und meine Labortätigkeit muss täglich dokumentiert werden. Inzwischen kann ich zum Teil selbstständig im Labor arbeiten und darüber freue ich mich. 

Wo liegen die auffälligsten Unterschiede zwischen dem schulischen und deinem jetzigen Arbeitsumfeld? 

Cornelia: Die Lautstärke; der Stress, dem man als Lehrer*in oft ausgesetzt ist. Besonders in der Zeit von Covid. Mehr Sachlichkeit, weniger Zwischenmenschliches.

Anna: Das Markanteste ist, dass ich meine Arbeitsmaterialien vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt bekomme und ich zwar keine Ferien habe, aber dafür jeden Abend und jedes Wochenende frei habe. Auch erhalte ich für jede Stunde, die ich zusätzlich arbeite, Zeitausgleich. Außerdem ist die Hierarchie steiler, ein*e Vorgesetzte*r hat weniger Leute zu betreuen wie ein*e Direktor*in. Dadurch ist er*sie aber auch leichter zu erreichen.

Alexandra: Ein besser ausgestattetes Arbeitsumfeld für MitarbeiterInnen, IT-Abteilung (Wartung der Laptops sowie PCs, Installation der Software, Unterstützung bei IT-Problemen etc.), definierte Aufgabenbereiche, wöchentliche Besprechungstermine, Organisation der Dienstreisen durch Backoffice und vieles mehr- 

Was denkst du, welche neuen Kompetenzen oder Blickwinkel wirst du nach diesem Jahr mit zurück in die Schule bringen? Wie werden davon die Kinder und/oder der Schulstandort profitieren? 

Cornelia: Mit so einer Erfahrung wächst man als Persönlichkeit. Deshalb ist das, was ich mitnehme sehr vielfältig. Von bestimmten Planungstools, Fachwissen, zwischenmenschlichen Erlebnissen, Gelassenheit, verstärkt den Blickwinkel der Eltern einbeziehen, Ideen für Veränderungen in der Organisation… Das alles sind spannende Themen für den Unterricht.

Anna: Die Schüler*innen werden dadurch profitieren, dass ich die Frage nach der praktischen Anwendung von Mathematik nicht nur aus zweiter Hand beantworten kann, sondern ich auch ganz konkret von meinen Erfahrungen berichten kann. Durch die Kontakte, die ich geknüpft habe, ist es auch sicher einfacher Betriebsführungen zu organisieren.

Mitra: Ich denke, allein den Mut zu haben, bei dem Projekt mitzumachen, ist schon mal eine wertvolle Kompetenz, die wichtig für Schüler*innen ist. Seine Komfortzone zu verlassen, ist für niemanden leicht. Jugendliche müssen das ständig tun, sich das in Erinnerung zu rufen, stärkt das Verständnis in so manchen Situationen.

Nicht immer die Lehrende, sondern wieder einmal in „Schüler*innenposition“ zu sein, ist sehr lehrreich und oft nicht angenehm. Ich bin zwar wirklich geduldig, aber sich in Erinnerung zu rufen, dass man manche Dinge einfach auch mal nicht versteht und dass da jetzt niemand Schuld ist, sondern einfach manchmal länger braucht, ist sehr hilfreich, bei unserem Job.

Natürlich ist jede Firma und jede Arbeit anders, aber in einem, „klassischen“ 40 Stundenjob hat man natürlich weniger Freiheiten in der  Arbeits-und Zeiteinteilung. Das ist definitiv eine Umstellung. Einerseits ist es angenehm, da jetzt für ein Jahr Wochendende wirklich Wochenende ist, was es im Lehrer*innenalltag meistens nicht ist. Andererseits war 9-10 Stunden im Büro am PC zu arbeiten, definitiv eine große Umstellung für mich. 

Genau vor dieser kompletten Umstellung stehen aber unsere Schüler*innen nach der Mittelschule, wenn sie entweder eine Lehre machen oder in eine weiterführenden Schule wechseln, wo das Stunden-und Lernpensum definitiv höher ist, als bei uns.

Ganz wichtig für mich hierbei ist es natürlich, dass ich meinen Schüler*innen aus meinen eigenen Erfahrungen berichten kann: Wo kann es Schwierigkeiten geben? Was sind wichtige Fähigkeiten, die man vielleicht brauchen könnte? Wie schaffe ich es, mich einer neuen SItuation zu stellen, den neuen Alltag mit meinen Hobbies zu vereinbaren?  usw.

Aber durch die Arbeit in der B&C erhalte ich auch spezielles Fachwissen. Durch die Stiftung und ihre Arbeit lerne ich viele Bildungseinrichtungen und Initiativen kennen, die ich auf jeden Fall im Hinterkopf behalten möchte und auch versuche, mit der Schule zu verbinden. Gerade im Bereich „Wirtschaftsbildung“ gibt es viele Initiativen und das brauchen wir.

Nach dem einen Jahr, weiß ich auf jeden Fall auch wieder ganz genau, ob ich den richtigen Job gewählt habe. Ich denke, sich die Verantwortung und Schönheit unseres Berufes vor Augen zu halten, ist ganz wichtig.

Alexandra: Meine fachlichen Kenntnisse werden erweitert und dadurch auch meine Fähigkeit aktuelles Wissen in meinen Unterrichtsgegenständen zu vermitteln. Diese neuen Impulse kann ich in meiner Unterrichtstätigkeit zukünftig integrieren. Diese Initiative kann mir eine Kooperation mit diesem Unternehmen ermöglichen, sodass meine Schüler*innen eine Perspektive außerhalb der Schule erhalten und eventuell einen zukünftigen Arbeitsbereich kennenlernen.

Warum sollten auch andere Lehrerinnen und Lehrer diese Erfahrungen außerhalb des Klassenzimmers sammeln? 

Anna:  Weil es gut tut, eingefahrene Wege zu verlassen und auch einmal Neues kennenzulernen. 

Mitra: Viele Lehrer*innen kommen nach dem Studium direkt in die Schule zurück und haben oft keine bis wenig wirkliche Arbeitserfahrung außerhalb der Schule. Aus diesem Grund finde ich es ganz essentiell, dass man diese Chance nutzt, um Einblicke in den Arbeitsalltag abseits der Schule zu bekommen und am eigenen Leib zu spüren, wie es ist in einer Firma zu arbeiten. In Folge kann man so natürlich dann auch die Schüler*innen viel besser und authentischer auf das Arbeitsleben vorbereiten. 

Alexandra: Mit diesem Projekt können Lehrer*nnen neue Impulse für ihre Unterrichtstätigkeit erhalten und ihre Offenheit für Veränderungen bewahren. 

Cornelia hat Genetik und Mikrobiologie studiert, ist AHS Lehrerin (Chemie, Biologie,Ökologie) und arbeitet seit September bei der Berndorf Band GmbH in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung als Chemikerin

Anna*, ebenfalls AHS Lehrerin (Mathematik und Chemie), arbeitet aktuell in der R&D-Abteilung (Forschung und Entwicklung) eines Industriebetriebs. 

Mitra hat ihre Lehrtätigkeit in einer Wiener Mittelschule dieses Jahr für eine Stelle bei der B&C Industrieholding getauscht und arbeitet dort in im Risikomanagement. 

Alexandra unterrichtete im Gymnasium verschiedene naturwissenschaftliche Fächer und ist nun am Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy Sciences (CeMM) als Projektmitarbeiterin tätig. Dort liegt ihr Fokus im Erlernen von Zellkulturtechniken im biomedizinischen Forschungsbereich sowie der Anwendung der molekularbiologischen CRISPR/Cas-Methode.  

Die Autoren sind Teilnehmer*innen des Seitenwechsel-Programms.
Kontakt über erwin.greiner@seitenwechsel.at

*Name von der Redaktion geändert