Lesezeit: 4 Minuten

Ich gehe um ca. 8:30 Uhr durch den Haupteingang und fahre mit dem Lift hinauf in den 3. Stock. Ich nutze meine Zugangskarte, um die Tür zu öffnen und gehe die paar Schritte zu meinem Büro. Ich bin als erstes hier, alles ist noch still. So mag ich das. Ich setze mich an meinen Platz und drehe den Computer auf. Dann stehe ich auf und hole mir aus der Küche einen Krug Wasser und einen Löffel für mein Joghurt, das ich morgens immer in der Arbeit esse. Ich schaue auf meinen Kalender und die To Dos für den Tag: unser wöchentliches Jour fixe im Team, Anrufe und Mails beantworten, ein paar administrative Aufgaben, ein paar inhaltliche Aufgaben, später noch ein Meeting. Ich ziehe meine Schuhe aus und lege los.

Vor ein paar Jahren war das noch anders. Vor ein paar Jahren wäre ich um diese Uhrzeit in einem Raum mit 25 Jugendlichen gestanden, hätte womöglich gerade Formulare eingesammelt oder ausgeteilt, Unterschriften im Mitteilungsheft kontrolliert, die Woche besprochen. Montag eben. Mein Arbeitstag hätte schon eine gute Stunde früher begonnen, mit einem hektischen Last-Minute Anstehen am Kopierer, um die Arbeitsmaterialien für die 5. Stunde noch zu kopieren, weil ich in meiner freien Stunde supplieren müsste und bis dahin keine Pause mehr hätte. Oder mit einem Gespräch mit einem Elternteil. Oder vielleicht hätten wir im Klassenzimmer auch Musik aufgedreht und auf das Eintrudeln der Schüler_innen gewartet.

Zwischen meinem alten und meinem neuen Arbeitsalltag liegt eine Elternkarenz. Sicherlich hat meine Elternschaft auch meinen Blick auf mein Arbeitsleben verändert: Wo liegen meine Prioritäten? Was will ich schaffen, was ist mir wichtig? Wo sind meine Energien gut eingesetzt?

Die Entscheidung, nicht mehr in den Lehrberuf zurückzugehen, war vor allem eine sehr persönliche. Die Gründe sind vielschichtig und lassen sich nicht einfach in ein paar Stichpunkten zusammenfassen. Trotzdem möchte ich hier einen Versuch wagen. Denn obwohl meine Entscheidung sehr persönlich war, die Gründe, die dazu führten, sind es nicht (alle).

Die mental load – “Ich kann einfach nicht mehr”

Es mag sicher Lehrer:innen geben, die eine ruhige Kugel schieben, wie man so schön sagt. Mir sind davon nicht sehr viele untergekommen. Klar, nach zig-Dienstjahren ist man sicher routinierter und nimmt manches leichter oder weiß schon, wie man am besten damit umgeht. Meiner Erfahrung nach war die Zeit an der Schule alles andere als eine „ruhige Kugel”. Den vielen verschiedenen Ansprüchen gerecht werden (nicht zuletzt den eigenen!), Wissen zu vermitteln, Schüler_innen bei diversen Problemen zuhause zu unterstützen, Konflikte in der Klasse bearbeiten, Konflikte im Kollegium bearbeiten, Konflikte mit Eltern bearbeiten. Schüler_innen beim Formulare-Ausfüllen helfen (wissend, dass es teilweise um Ansuchen geht, wo die Existenz der Familie am Spiel steht). Schüler_innen, die mitten im Schuljahr neu dazukommen und andere, die plötzlich nicht mehr da sind. In meiner Zeit als Lehrerin brauchte ich nach meinem Arbeitstag oft noch mehrere Stunden, um den Tag zu verdauen. Um mit Menschen in meiner Umgebung Gespräche nochmal durchzugehen, Lösungen durchzudenken. Es war viel, oft zu viel. Damit komme ich auch schon zu Punkt 2 –

Die fehlende Unterstützung

Alle oben genannten Punkte sind machbar, müssen ja auch bearbeitet werden. Doch Lehrpersonen alleine, denen darüber hinaus die Ausbildung in vielen Bereichen schlicht fehlt, können das nicht schaffen. Es braucht Sozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen, Schulärzt:innen, Jugendcoaches, Muttersprachenlehrer:innen, Lehrer:innen zur Deutschförderung, zur Alphabetisierung, Supervision für Lehrer:innen, administrative Unterstützung an den Schulen. Und allem voran: eine bessere Durchmischung. Denn manche Probleme sind in ihrer Menge nicht bewältigbar, manche Konflikte spitzen sich zu, weil es zu viele verschiedene Konfliktherde gibt. Zu viele Belastungen. Irgendwann geht es nicht mehr.

Die Verantwortung – zu viel und zu wenig

Verantwortung hatte ich genug. Verantwortung für 25 Jugendliche und deren Lernerfolg, deren Zukunft, deren Wohlergehen. Und trotz all der Überforderung schlich sich manchmal auch ein Gefühl der Unterforderung ein. Wie kann ich mich beruflich weiterentwickeln? Welche Möglichkeiten habe ich, strukturell Verantwortung zu übernehmen? Macht es beruflich überhaupt einen Unterschied, wenn ich Fortbildungen absolviere? Natürlich kann ich immer weiterlernen, mich weiterentwickeln – und das ist super für mich persönlich und für meine Schüler_innen. Wer berufliche Aufstiegsmöglichkeiten sucht, ist falsch an der Schule. Wer nicht gleich Direktor_in werden möchte, hat keine anderen Möglichkeiten. Und selbst wenn ich zur kompetentesten Lehrperson des Landes werde, so bringt mir das im System nichts, was mich zum nächsten Punkt bringt:

Das Gehalt

Sicher, Lehrpersonen kurz vor der Pension verdienen super. Außerdem hat man viele Ferien und dadurch sicherlich einen höheren Stundenlohn. Trotzdem verdiene ich jetzt in einem Teilzeitjob so viel wie an der Schule in Vollzeit*. Am frustrierendsten aber fand ich: Meine Kollegin, die mit Ende 50 nur noch das Nötigste macht, verdiente das doppelte und dreifache von dem, was ich mit all meinem Einsatz und meiner Motivation verdiente. Konsequenzen gibt es dafür natürlich keine  – weder für meinen Einsatz noch für den Mangel an Einsatz bei meiner Kollegin. Und ich meine hier auch nicht nur finanziell. Es machte überhaupt keinen Unterschied in der Art und Weise, wie wir vom “System” gesehen wurden.

Das Prestige

Ja, hier kommt jetzt zum Schluss vielleicht noch ein bisschen mein Ego zu Wort. Wenn ich Bekannten erzählte, was ich mache, war die Antwort meist eine von zweien:

“Boah, arg. Das könnte ich nicht!”

oder

“Aha.”

Lehrer:in, das wird man doch nur wegen Juli und August. Dienstag Z’Mittag mach ich Schluss. Demgegenüber Horror-Stories aus den Wiener Mittelschulen. “Kulturkampf.” Nein. Keines von beiden. Ich will mich weder rechtfertigen müssen noch als einfältig abgestempelt werden, nur aufgrund eines Jobs.

Denn was ich hier alles nicht sage, ist, dass ich es auch vermisse. Nicht all das, was oben im Text steht, aber das, was jetzt kommt: Die Arbeit mit den Schüler_innen. Es gibt nichts Schöneres, als junge Menschen beim Erwachsenwerden zu begleiten. Zu sehen, wie mein Input ankommt, wie sie lernen, sich kritisch mit sich und ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Wie man zusammenwächst und so viel gemeinsam schafft. Wie viel ich in Diskussionen von meinen Schüler_innen lernen konnte. Wie oft ich stolz war auf sie. Wie unglaublich bereichernd der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit mit Kolleg:innen sein kann. Schule ist ein eigener Mikrokosmos. Mit Herausforderungen, mit Höhen und Tiefen, mit wunderbaren Kindern und Jugendlichen. Und das vermisse ich auch. Also, liebe Politik, tut was, damit dieser Job auch wieder so geleistet und gelebt werden kann, wie er das verdient, wie sich das unsere Schüler_innen verdienen!

*Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass sich das Lehrer:innendienstrecht mittlerweile geändert hat und das Einstiegsgehalt für neue Lehrpersonen nun etwas höher ist; die Gehaltskurve flacher. Da man das Dienstrecht allerdings nicht wechseln darf, bringt mir diese Neuerung leider nichts.

Die Autorin war mehrere Jahre Lehrerin an einer Mittelschule in Wien.

Lesezeit: 3 Minuten

Erst kürzlich habe ich mit einem Bekannten übers Studium gesprochen. Ganz allgemein, was jeder von uns beiden macht und wie es uns dabei geht. Ganz normaler Small Talk. Bis ein Satz gefallen ist, den man als Lehramt-Student:in nicht selten hört: „Lehramt studiert man doch eh nur für die Ferien und wegen der Bequemheit oder?“ Und zack! sind wir wieder beim Lehrer:innen-/ Lehamtstudent:innen-Image. Nicht nur deswegen, weil das Bild von Schule und Lehrkräften im Allgemeinen schon so ist wie es nun mal ist, sondern auch, weil gerade jetzt zu Schulbeginn, wieder vermehrt darüber gesprochen wird, was nun Vorteile und Nachteile an dem Beruf Lehrer:in sind. Daher ist es mir ein Anliegen, aus meiner Sicht zu schildern, warum ich dennoch den Lehrberuf ergreifen will. 

Das Image kennen wir ja alle – aber!

Mit welchem Image sich die Personen rumschlagen müssen, die in Österreichs Schulen tätig sind, ist wohl jedem bekannt. Und die meisten, die das hier lesen werden, haben bestimmt schon des Öfteren versucht, anderen zu erklären, dass Lehrer:in-Sein eben nicht nur Vormittag-Bespaßung von Kindern und Jugendlichen ist oder neun Wochen Sommerferien bedeutet. Es ist viel mehr als das. Und das wissen wir alle. Nur wird das teilweise nur sehr wenig anerkannt. Und jetzt so ganz ehrlich: Ich habe nicht mal mehr Lust, jedes Mal in Gesprächen nach Argumenten zu suchen, die mein Lehramt-Studium und meinen späteren Beruf aufwerten. Weil er das erstens nicht nötig hat und zweitens weil ein „ich-Lehrerin-sein-will“ doch reichen muss. Ohne dass einem unterstellt wird, man würde es wegen der Ferien oder der nicht vorhandenen Berufsvorstellungen studieren. 

Ich will Lehrerin werden. Punkt. Weil ich Schüler:innen eine Möglichkeit bieten will, sich selbst weiterzubilden und ihnen die Hand reichen will, wenn es darum geht, eigene Grenzen zu erweitern. Weil das meine Lehrer:innen auch getan haben. Ich will deswegen Lehrerin werden, weil ich für meine Fächer brenne und diese Begeisterung auch in meinen Schüler:innen wecken will. Und selbst wenn das nicht gelingt ,(weil sind wir ehrlich, nicht jeder kann sich für alle Fächer begeistern, egal wie sehr man es versucht) will ich ihnen das Wissen mitgeben, das sie brauchen, um in der Gesellschaft später dort zu stehen, wo sie später stehen wollen. Ich will Lehrerin werden, weil ich so viele Kinder und Jugendliche kenne, die ihr Potenzial manchmal selbst nicht erkennen und jemanden brauchen, der ihnen zeigt, wie sie es finden. Wenn ich also sage, dass ich Lehramt studiere, bin ich stolz darauf. Und das sollte jede:r sein, der/die den gleichen Weg einschlägt oder eingeschlagen hat. Lehrer:in sein zu wollen, erfordert nicht nur Begeisterung und Durchhaltevermögen, sondern auch Mut. 

Lehrer:innenmangel, Gehalt, System…

Gerade zu Schulbeginn wird das System rund um Schule verstärkt diskutiert. Viele Stimmen werden laut, die über das Gehalt, den Schuleinstieg, oder die zunehmenden Belastungen schon in den ersten Wochen ihre Meinung öffentlich machen. Oft entsteht dadurch nicht gerade ein gutes Bild von Schule. Selten hört man: „Der Schulbeginn war gut.“ Und das schreckt natürlich ab. Nicht nur Lehramt-Student:innen, die sowieso immer mit Systemlücken zu tun haben und in den letzten Jahren auch immer schon dafür eingesetzt wurden, diese zu schließen. Sondern auch potenzielle Maturant:innen, die vor ihrer Studienwahl stehen, werden nicht gerade auf den Geschmack kommen Lehrer:in zu werden, wenn man sich diese Berichterstattung anschaut. Deswegen auch hier: Diese negativen Aspekte sind nur eine Seite des Berufes.

Die Berufswahl oder Studienwahl ist nie einfach. Meistens versucht man seine Interessen in einem Berufsbild zu finden und dieses dann folglich auch auszuführen. Lehrer:in zu sein vereint ziemlich viele meiner Interessen. Nur sind es eben nie Interessen allein. Gehalt wird immer wichtiger. Das Arbeitsumfeld und die Arbeitsbedingungen werden immer essenzieller und die Work-Life-Balance darf man sowieso nicht außer Acht lassen. Unter Einbeziehung dieser Faktoren, verliert der Lehrer:innen-Job dann doch nochmal ein paar Sympathiepunkte. Etwas, das man durchaus nachvollziehen kann. Und auch ich bin mir noch nicht sicher, ob ich später auch wirklich an einer Wiener Schule unterrichten will oder ob ich nicht doch wieder zurück nach Oberösterreich gehe. Weil wir auch hier Unterschiede merken. Nur daran gezweifelt, ob ich den Lehrberuf doch gar nicht antrete, habe ich trotzdem noch nie. Ich bin der Meinung, dass man in jedem Beruf Aspekte finden wird, die nicht so gefallen. Und in jedem Beruf, wird es auch immer Hürden geben, die man überwinden muss. So eben auch hier. Und klar, ich verstehe, wenn jemand sagt, er oder sie will sich den Lehrberuf in solchen Zeiten nicht antun. Und das ist auch verständlich. Ich will jedoch wirklich von ganzem Herzen in der Klasse stehen, den Kids etwas beibringen und ihnen zuschauen, wie sie erwachsen werden. Wenn mir also wer sagt, das Schulsystem in Österreich habe da und dort diese und jene Probleme, dann sag ich: „Ja, stimmt. Diese Probleme sehe auch ich. Ich will trotzdem Teil davon werden und so dazu beitragen, genau diese Probleme zu lösen.“ 

Der einfache Grund, warum ich also Lehrerin werde, ist, weil ich es werden will. Und ja, ich sehe die Probleme und Herausforderungen. Mir liegt der Job, die Zukunft und die Bildung der Schüler:innen so sehr am Herzen, dass ich das System verbessern will. Das tue ich, indem ich Teil davon werde und mich dafür einsetzte. Also an alle angehenden Lehrer:innen: Steht auf und seid stolz drauf, den Beruf gewählt zu haben!

Die Autorin ist noch keine Lehrerin – aber Studentin für Lehramt.

Lesezeit: 2 Minuten
wachsende Pflanzen

ABER BITTE SOLCHE!

Das neue Schuljahr hat begonnen, und da wir eine Schule im Aufbau sind, erhielten wir neun neue Kolleg:innen. Als sehr moderne und großzügig gestaltete Schule sind wir vermutlich ein attraktiver Standort, wir konnten uns jedenfalls dieses Jahr – in der Lehrer:innenmagelära! – die neuen Kolleg:innen teilweise sogar aussuchen. 

Und ich muss sagen: Welch großes Glück!

Ab Dienstag, dem 27.08.2024 wurde an unserer Schule täglich gestaltet, dekoriert, geplant und organisiert. Ein Klassenraum sieht aus wie Hogwarts, inklusive Mauer mit Gleis 9 3/4 und fliegender Kerzen unter der Decke. Ein anderer sieht aus wie schöner Wohnen für 12-jährige – alles bunt, selbstgemacht und dekorativ stimmig. 

Teamwork makes the dream work

Unsere Teamräume werden täglich mit Frischgebackenem oder kleinen zuckerhaltigen Aufmerksamkeiten für die letzten Nachmittagsstunden bestückt. Morgens ab 07:00 sitzen die ersten schon bei einer Tasse Kaffee zusammen und planen den Tag, besprechen wertschätzend die Schüler:innen oder planen Ausflüge. Selbstgekochtes wird angeboten und wer sich einen Moment zurückziehen möchte, legt sich auf die bereitgestellte Polsterbank. Ein breites Spektrum an selbstgekauften Stiften und Büromaterial laden zum kreativen Arbeiten ein. Irgendwer hat – da Ganztagsschule- immer Zeit für einen Ideenaustausch oder einen kollegialen Plausch.

Teamausflüge, die Grillen und Bootfahren involvieren und deren Kosten alle selber tragen, werden geplant. Die Konferenzen – ohne viel Gerede mit wenig Inhalt- sind kurz und prägnant, dafür gibt es einen kulinarisch-geselligen Ausklang auf einer der Terrassen. 

Die neuen und oft (für mich) absurd jungen Kolleg:innen sind nicht nur hochkompetent, engagiert, freundlich, fröhlich, fleißig, resilient und reflektiert, sie sind auch wahnsinnig tough. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist hoch, die gegenseitige Wertschätzung und Hilfsbereitschaft noch höher. Und die eine, die schnell merkt, dass es ihr einfach doch zu viel ist, und die Hochschule sie möglicherweise nicht ausreichend vorbereitet hat, kündigt kurzfristig anstatt in den langfristigen Krankenstand zu gehen. Auch das ist eine Kompetenz, die wir ihr hoch anrechnen. 

All die Medienberichte über die kolportiert „faulen“ Lehrkräfte – ich weiß nicht wo sie sind, aber nicht bei uns. Teamwork und Teamteaching sind nicht nur Schlagworte des Bildungsministeriums sondern werden hier wirklich gelebt. 

Vielfalt in allen Bereichen

Ja, es ist heiß! Ja, unsere Kinder sind bis 16:30 Uhr in der Schule. Unser Garten hat zu wenig Schatten. Aber unser Team leuchtet von innen. Und das vor allem, weil wir gelebte Vielfalt sind. Wir haben Quereinsteiger aus der medizinischen Markt- und Meinungsforschung, Mathematiker im ersten Semester, internationale Juristinnen, Teach for Austria Fellows, die vorher beruflich Rapper und Jugendarbeiter waren, wir haben blutjunge Uniabsolventinnen, die Badass-Lehrerinnen sind. Wir haben eine junge und unkonventionelle Schulleitung, die komplett hinter ihrem Lehrkörper steht, wir haben Röcke tragende Lehrer, deren helle und wehende Haare nur von ihrer fachlichen Kompetenz und Begeisterung überholt werden. Unsere Altersspanne reicht von 22-62 Jahren, und jede:r lernt von dem/der anderen.

Ethnien, Religionszugehörigkeit, Gender, sexuelle Orientierungen  –  was man in der Gesellschaft findet, gibt es auch bei uns. Sowohl bei den Schüler:innen als auch unter den Kolleg:innen. Fast keine Sprache unter den SuS, die nicht auch von einer Lehrkraft gesprochen wird- und umgekehrt. 

Aber ob das die Ursache ist? Oder ob es eher das Mindset ist? All die Werte, die wir unseren Kindern vorleben wollen: Hilfsbereitschaft, radikale Toleranz, Respekt, Höflichkeit, Verständnis-

All das sehe ich im Team. Und darum gehe ich jeden Tag gerne zur Schule. Und die meisten unserer Schüler:innen hoffentlich auch!

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

Lesezeit: 3 Minuten

Raten Sie mal! Raten Sie mal wieviel ECTS für Elternarbeit in der Primarlehrer:innenausbildung benötigt werden, wenn diese insgesamt 280 erwerben müssen, fragt Claudia Leditzky von der PH Wien auf dem 10. Netzwerktreffen: Frauen-Flucht-Gesundheit am 04.06. im Wiener Rathaus. Schwerpunktthema der Veranstaltung ist „Elternbildung &Elternarbeit“

Die Antwort ist EINEN! So viele ECTS erwerben Studierende im Rahmen ihrer Lehramtsausbildung für eine der wichtigsten und oft auch schwierigsten Tätigkeiten ihres Berufslebens. 

Daran, aber auch an dem komplett fehlenden Interesse der Politik und der Öffentlichkeit auf dieser Veranstaltung merkt man deutlich das Desinteresse für das dritte Standbein der Pädagog:innen. Das Dreieck: Lehrer:innen, Schüler:innen, Eltern ist schon lange geläufig nachhaltig aktuell. Dass sich das gerade in Wien mit den vielen Sprachen der Eltern oftmals als zeitintensiv und manchmal auch mühsam gestaltet ist zwar Fakt, aber keineswegs Grund aufzugeben. Durch das Angebot der Stadt Wien für Wiener Volks- und Mittelschulen von montags bis freitags 07-19:00 Uhr gratis eine:n Adhoc Videodolmetscher:in per livestream zuzuschalten, ist es zumindest den digital kompetenteren Lehrpersonen aber dennoch ein Leichtes, ihre Aufgaben in diesem Bereich zu erfüllen. Denn nicht das Ziel ist es, Eltern zu bevormunden und ihnen von oben herab zu erklären, welche Sprache sie wann zu erwerben hätten sondern vielmehr ist es ein ganz pragmatischer Weg, die Kommunikationspflicht zu erfüllen, wie Ali Dönmez auf eben dieser Veranstaltung erklärt. 

Und es gibt so viele weitere Mittel und Wege. Auf dieser Veranstaltung waren: 

Die ELTERNWERKSTATT – Verein im Dienst von Kindern, Eltern, Pädagog:innen 

Der Verein Integrationshaus – Elternarbeit 

Verein NACHBARINNEN in Wien – Individuelle Elternarbeit auf Augenhöhe 

Verein Wiener Jugendzentren / Respekt: gemeinsam stärker 

Elternarbeit & Extremismusprävention der Kinder- und Jugendhilfe Wien – Stabsstelle Extremismusprävention

Institut für Frauen- und Männergesundheit: NEDA und FEM Elternambulanz  

ProSoz – Familientraining – Sozialpädagogische mobile Arbeit mit Familien mit Sprachunterstützung von Peers (im Auftrag der MA11) 

Soziale Arbeit mit geflüchteten Familien in der Wiener Kinder- und Jugendhilfe 

Diakonie Flüchtlingsdienst und Diakonie Sozialdienst

All diese wunderbaren Menschen arbeiten professionell und mehrsprachig mit Eltern und Schulen, mit Schüler:innen und Pädagog:innen zusammen, um sich gemeinsam an das neue Leben, das neue Land, die neuen Umstände zu gewöhnen. 

Gerade jetzt mit dem Familiennachzug über den alle stöhnen und der ja „nicht schaffbar“ sei, gerade jetzt wäre es für Pädagoge:innen so wichtig, sich mit den vielfältigen Möglichkeiten auseinanderzusetzen, die es seitens der Stadt Wien gibt. Gerade jetzt sollte man sich alle mögliche Fundamente schaffen, um diese Kinder, die so selten gerne und so oft unfreiwillig zu uns kommen, rechtzeitig aufzufangen und zu begleiten. Und dazu gehört der regelmäßige Austausch mit den Eltern. 

Wunderbar durch den Nachmittag geführt hat übrigens Maynat Kurbanova – mit viel Wortwitz und einer Herzlichkeit, die allen Anwesenden – mehrheitlich Frauen – sehr gut getan hat. Sie hat auch die Frage nach denjenigen Eltern gestellt, die sich vor dem Jugendamt fürchten. Nicht erst einmal hat man als Lehrkraft den Satz gehört: „Wenn Sie das Jugendamt informieren, dann nehme ich meine Kinder und fahre weg.“

Eine sinnvolle Zwischenlösung und Alternative bietet hier das Schulkooperationsteam an, die sich intensiv mit den Familien beschäftigen, Unterstützung anbieten, aber die gesamte Kooperation auf Freiwilligkeit basiert. Sie arbeiten ebenfalls mit der MA!11 zusammen und wenn es wirklich Grund zur Sorge gäbe, würden sie auch intern eine Meldung machen. Aber dadurch geraten die Lehrkräfte nicht in die Schusslinie und die Lehrer:innen – Eltern-Beziehung wird nicht gefährdet.

Nicht, oder wenig anwesend, waren allerdings auch Lehrkräfte. Nicht, oder wenig anwesend waren Eltern. Also vermutlich hatten einige der Anwesenden Kinder, aber die anwesenden Eltern waren nicht die Eltern, über die wir oft sprechen aber denen wir selten zuhören.. Wir haben im Rahmen des Elternarbeitsschwerpunktes bei Schulgschichtn versucht, Stimmen aus der „Migra-Elternszene“ zu bekommen. Haben Eltern angesprochen, haben Vereine angesprochen – aber die Eltern möchten nichts sagen. Sie möchten auch nichts schreiben. Zu groß ist die Angst der Benachteiligung  ihrer Kinder durch die Lehrkräfte. Was haben sie schon erlebt?

Zu groß ist auch die Angst, etwas Falsches zu sagen und vielleicht ausgelacht zu werden. Denn – Hand aufs Herz – wer von Ihnen, werte Leser:innen kann in einer weiteren Sprache über Feststellungsprüfungen, SPF, Wiederholungsprüfungen und AHS Standard Einstufungen fehlerfrei sprechen und schreiben? Und das ewige Argument, welches dann immer kommt: Aber ich lebe ja auch hier und nicht woanders – schauen Sie sich die Welt an! Wer garantiert Ihnen, dass es Sie nicht auch mal trifft? Die Ukrainer:innen konnten sich bis zum 23. Februar 2022 auch nicht wirklich vorstellen, dass sie nun schon seit über zwei Jahren in einem anderen Land gelebt haben würden. 

Franziska Haberler, Redaktionsmitglied Schulgschichtn und Podiumsteilnehmerin – in Koopertion mit den Veranstalterinnen.

D

Lesezeit: 3 Minuten

oder – Wie viel Kommunikation braucht es?

Nachricht, Anfang der Schuljahres, 14:36 Uhr 

(Diese Nachricht wurde von ChatGPT umgeschrieben, um die Anonymität des Verfassers zu gewährleisten.)

 Wer sind Sie, dass Sie mir vorschreiben wollen, was ich tun soll? Die Entscheidung, mein Kind von der Schule an- oder abzumelden, geht Sie nichts an. Als Lehrerin sollten Sie in der Lage sein, mit Kindern und deren Konflikten umzugehen, anstatt wegzuschauen. Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt, und wenn Sie Ihre Aufgaben nicht richtig erfüllen können, haben Sie den falschen Beruf gewählt. Ich werde persönlich vorbeikommen und mich beschweren.

Im September 2023 habe ich von einem sehr migrationsreichen Bezirk von Wien in einen weniger diversen Bezirk gewechselt. Hätte ich vorher gewusst, was das für die Elternkommunikation bedeutet, hätte ich mir diesen Schritt besser überlegt. An meiner alten Schule wurde ich von den Eltern wertgeschätzt, immer freundlich und respektvoll behandelt und hatte – mit Hilfe von Videodolmetscher:innen und mehrsprachigen Elternabenden – einen wunderbaren Weg gefunden, mit ihnen auf allen möglichen Sprachen zu kommunizieren. 

Wir hatten keine Probleme. Alle Kinder sind auf Klassenfahrten mitgefahren, ich hatte besonders zu den Eltern herausfordernder Kinder einen guten Draht gefunden und an Weihnachten und vor den Sommerferien bekam ich immer Blumen. 

Dies hat sich geändert. An der neuen Schule sind ebenfalls Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern – wir sind schließlich noch immer an einer Wiener Mittelschule – aber viele dieser Eltern scheinen ein allgemein gültiges Misstrauen,  ja geradezu eine Verachtung gegenüber Lehrkräften zu hegen. Egal aus welchem Herkunftsland. Einige Kinder kommen in die Schule und erklären mir, sie bräuchten eh keine Bildung, ihre Eltern hätten auch nie was gelernt und würden trotzdem „voll viel Geld“ verdienen. Andere kommen nur selten in die Schule, unterstützt von den Eltern, die jedes Wehwehchen bereitwillig entschuldigen. 

Per Mail oder SMS erhalte ich Drohungen, Verwünschungen und Vorwürfe. 

(Formulierungen wieder von ChatGPT)

Ich wünsche, dass Ihre Tochter täglich weinend von der Schule nach Hause kommt, damit Sie sehen, wie das ist. Sie haben einen Eid abgelegt, alle Kinder gleich zu behandeln, aber ein behindertes Kind gehört nicht in eine normale Klasse.

Es ist unglaublich, was an dieser Schule alles passiert.

Alle Beschwerden wurden sowohl von der Schulpsychologie als auch seitens der SQM als absolut haltlos befunden. Dies wurde den Eltern auch von offizieller Seite kommuniziert. Im Laufe des Schuljahres haben sich die meisten Wogen geglättet, die oben erwähnten Eltern haben ihren Ton geändert und ihren Kommunikationsstil gezähmt. 

Ich bin aber definitiv gewarnt. 

Ja, ich bin eine Lehrkraft, die ihre Telefonnummer bereitwillig am Schuljahresanfang hergibt, in der Annahme, dass Eltern dies nicht ausnutzen. In vier von fünf Fällen ist dem auch so. Dennoch verbringe ich mindestens drei bis vier Zeitstunden wöchentlich mit Elternkommunikation. Ich glaube an die Zusammenarbeit, ich möchte erreichbar sein und Entscheidungen transparent kommunizieren. Ich teile Bewertungsskalen und Erwartungskriterien. Ich schreibe alle sechs Wochen Elternbriefe und informiere die Eltern über die Geschehnisse in der Klasse, die behandelten Themen, die anstehenden Events. Ich sende Fotos von Ausflügen und schönen gemeinsamen Momenten im Schulalltag.

Dennoch beschäftigen mich die Vorwürfe. Und der Gedanke: Was ist der richtige Weg? Was die richtige Menge an Erreichbarkeit? 

Ich wasche Durchfall aus Sporthosen, wenn der Weg zum Klo zu weit war. Ich erkläre wie man Binden in Unterhosen klebt. Ich habe in diesem Schuljahr 20 Kindern beigebracht, zweisprachig die Uhr zu lesen, obwohl alle Kinder aus österreichischen Volksschulen kamen. Ich erkläre, wie man Brüche im Alltag verwenden kann, wie man einen Podcast schneidet und mache Lesestunden bei Kerzenschein. 

Wieso sind Lehrkräfte bei all diesen Tätigkeiten immer noch das Feindbild einiger Eltern? Und was können wir tun, wenn zuhause kommuniziert wird: „Auf die brauchst du nicht zu hören, die hält sich eh für was besseres, weil sie studiert hat!“

Ich kenne Kolleg:innen, die ausschließlich mit Webunits oder Schoolfox mit den Eltern kommunizieren. Die niemals ihre Nummer hergeben würden und für die sich Elternarbeit auf KEL Gespräche reduziert – oder die eine oder andere Beschwerde über Unpünktlichkeit oder unlauteres Verhalten. Doch haben wir nicht die Pflicht, eng mit Eltern zusammenzuarbeiten?

Natürlich verstehe ich die Angst der Eltern um das eigene Kind. Ich habe selbst einige und bin oft nicht glücklich mit Entscheidungen und/oder Haltungen ihrer Lehrkräfte. Aber können wir den Kindern nicht beibringen, dass es Teil vom Leben ist, auch mit herausfordernden Menschen wertschätzend und achtsam umzugehen? Dass dies im Leben immer wieder passieren wird, dass wir Leute treffen, womöglich mit ihnen zusammenarbeiten müssen, die nicht unserem Idealtypus entsprechen? Und gibt es da nicht genau einen Weg? Entweder arbeiten wir gut zusammen oder sehr gut – alles andere ist unprofessionell!

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.