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Als ChatGPT im November 2022 in mein Leben trat, war ich überwältigt. 

Ich hatte Anfang der 2000er Jahre Texttechnologie studiert und mich mit annotierten Textmodellen beschäftigt – doch dieses LLM fühlte sich an wie Science-Fiction, die plötzlich Realität wurde. Die Zukunft war da, und ich mittendrin. Seit Stunde Null habe ich mich begeistert in die neuen Möglichkeiten gestürzt, Fortbildungen mit absurd vielen Teilnehmer:innen (700+!) besucht und schnell gemerkt: Hier entsteht etwas Großes. Ja, es gab Kritik – zu viel Stromverbrauch, Vorurteile in den Daten, ethische Bedenken – und ja, das stimmt alles. Aber eines ist klar: KI wird bleiben.  

Wer jetzt als Lehrkraft sagt: „Nein, brauche ich nicht, hatte ich noch nie!“, der oder die verpasst nicht nur die Chance, effizienter und professioneller zu arbeiten, sondern nimmt auch den Schüler:innen die Möglichkeit, den kritischen Umgang mit einem Tool zu lernen, das mächtiger ist, als wir es uns vielleicht wünschen. Und genau deshalb sollten wir es früh einführen – und sorgfältig hinterfragen.  

Aber wie nutzen wir KI-Tools mit Kindern, die offiziell erst ab 18 Jahren erlaubt sind?  

Nun, ähnlich wie bei Pornos ist auch hier die Prohibition eher Augenwischerei. Die Realität sieht so aus: Kinder nutzen KI – und das schon mit 11 oder 12 Jahren. Statt die Augen zu verschließen, sollten wir lieber sinnvolle Wege finden, sie dabei zu begleiten.  

Glücklicherweise gibt es datenschutzkonforme Alternativen, die speziell für den Bildungsbereich entwickelt wurden. Ein absoluter Geheimtipp ist die Plattform fobizz.com. Hier findet man eine ganze Palette von KI-Tools, die man als Lehrkraft bedenkenlos im Unterricht einsetzen kann. Von Bildgenerierung über Lehrassistenz bis hin zum Vokabeltrainer – hier ist für fast jedes Fach etwas dabei. Das Beste: Man kann die Tools für einen bestimmten Zeitraum freischalten und sogar die Prompts (also die Suchanfragen) und Ergebnisse der Schüler:innen einsehen. So wird KI-Nutzung zu begleitetem Lernen: gemeinsam diskutieren, hinterfragen, verbessern. Und das Ganze ist für Lehrkräfte bis zu einer bestimmten Nutzungsanzahl sogar kostenlos. Win-win!  

Mein persönlicher Favorit: fellofish.com (ehemals fiete.ai)  

Hinter diesem charmanten Namen verbirgt sich ein KI-basierter Korrekturassistent, entwickelt von Hendrik Haverkamp (Gymnasiallehrer) und Malte Hecht (Programmierer). Dieses Tool ist so gut, dass es bereits in einigen deutschen Bundesländern fester Bestandteil des Schulalltags ist.  

Mit fellofish kann man Aufgaben erstellen – entweder selbst oder aus Vorlagen –, Material hinzufügen und Feedbackkriterien festlegen. Die Schüler:innen können ihre Texte digital oder handschriftlich einreichen, und das Tool liefert detailliertes Feedback. Dieses Feedback kann sogar in einfacher Sprache oder in anderen Sprachen gegeben werden – und falls gewünscht, wird es auch vorgelesen.  

Als Lehrkraft für Deutsch und Englisch hat mich das Tool gerettet. Früher habe ich die Korrekturarbeit gefürchtet, weil sie so viel Zeit verschlang. Jetzt schreiben meine Schüler:innen zwei Texte pro Woche – in jeder Sprache! Ich kann die Korrektur einsehen, anpassen und entscheiden, ob Rechtschreib- und Grammatikkorrektur aktiviert sein sollen. Der Zugang ist super einfach: per QR-Code oder Link, ohne lästige Anmeldungen. Einziger Nachteil: Ab einer gewissen Nutzungsanzahl wird es kostenpflichtig. Aber hey, für mehr Zeit und weniger Stress ist mir das ein paar Euro wert.  

Last but not least: Die Lernbeschleuniger in MS Teams  

Wer seit Corona nicht weiß, wo der Mute-Button in MS Teams ist, hat viel versäumt. MS-Teams bietet aber auch KI-gestützte „Lernbeschleuniger“. Diese kleinen Helferlein sind echte Gamechanger!  

Unter „Aufgabe erstellen“ findet man vier Tools:  

1. Lesefortschritt: Hier können Schüler:innen Texte vorlesen, während die KI Intonation, Pausen und Aussprache analysiert. Perfekt für individuelles Üben!  

2. Vortragsfortschritt: Schüler:innen können ihre Referate vor der Kamera üben und Feedback erhalten. Ideal, um Lampenfieber zu reduzieren.  

3. Suchfortschritt: Unterstützt bei der Internetrecherche – weil Google manchmal einfach zu viel ist.  

4. Mathefortschritt: Hier kann man Übungsaufgaben generieren, differenzieren und den Fortschritt der Klasse nachverfolgen.  

Das Beste daran: Die meisten Schulen nutzen Teams bereits, und die Schüler:innen kennen die Plattform. Man kann die vorhandene Infrastruktur also optimal nutzen. 

Und was ist mit ChatGPT, DeepSeek & Co.?  

Natürlich kann (und sollte!) man als Lehrkraft auch die großen KI-Tools wie ChatGPT, DeepSeek oder Copilot nutzen – sei es für Unterrichtsplanung, Differenzierung oder die Erstellung von Arbeitsblättern. Aber Achtung: KI ist ein Werkzeug, kein Ersatz für pädagogisches Know-how. Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn man die Vorschläge der KI mit der eigenen Erfahrung kombiniert – und vor allem die menschliche Seite nicht vergisst.  

Fazit:  

KI-Tools sind wie ein Schweizer Taschenmesser für Lehrkräfte: vielseitig, praktisch und manchmal ein bisschen überwältigend. Aber wer sich darauf einlässt, wird belohnt – mit mehr Zeit, besseren Ergebnissen und Schüler:innen, die lernen, kritisch und reflektiert mit Technologie umzugehen.

Franziska Haberler, Lehrerin an einer Mittelschule in Wien, Donaustadt

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Ali, 11  

Ich nutze ChatGPT jede Woche 1–2 Mal, hauptsächlich für Informationen, zum Beispiel, wie ich etwas erklären kann, oder für gute Ideen zur Freizeit. Meiner Meinung nach ist ChatGPT manchmal sehr hilfreich, aber er kann auch falsche Informationen liefern. Das ist problematisch, weil man diesen oft glaubt, ohne sie zu hinterfragen. Ein weiteres Problem sehe ich beim Datenschutz, da ChatGPT unsere Daten speichert. Es ist nicht immer klar, wie diese genutzt werden.  

In der Schule hilft mir ChatGPT oft. Wenn ich eine Aufgabe nicht verstehe, erklärt er sie mir verständlich. Auch wenn ich jemanden brauche, der meine Antworten überprüft, ist ChatGPT hilfreich. Manchmal frage ich ihn nach Tipps, um mich in der Schule zu verbessern.  

Trotz der Vorteile sehe ich KI als Gefahr für die Zukunft. Viele Berufe könnten durch Programme ersetzt werden, was dazu führt, dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren und kein Geld mehr verdienen. Zwar bringt KI viele Erleichterungen, doch ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft sind ungewiss. Es ist wichtig, die Entwicklung kritisch zu betrachten, um mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen und Lösungen zu finden.  

Dania, 11  

ChatGPT ist eine KI, sozusagen ein KIGenerator. Man kann ChatGPT Fragen stellen oder um Hilfe bitten, und ChatGPT gibt dir dann sozusagen die Antworten. Man kann Audios, Fotos usw. schicken. Dahinter steckt kein Mensch, sondern, wie gesagt, ein Roboter. Er kann sehr viel, also die KI, und es ist eine Website, wo man mit ihm schreiben kann, aber auch eine App. Es macht eigentlich keinen Unterschied, außer dass man nicht extra googeln muss oder auf Safari gehen muss. Man muss sich anmelden, je nachdem, ob man schon ein Konto hat oder sich registrieren muss. Da passiert nichts, da ich es selbst schon mal gemacht habe. Und wenn man angemeldet ist, also sozusagen ein Konto hat, kann man Bilder aus der Galerie schicken. Es ist echt sehr cool, und ChatGPT schreibt dir/Ihnen die Antwort in wenigen Sekunden zurück. Ja, und wie gesagt, er schreibt sehr schnell zurück. Und wenn man mal etwas nicht versteht, also zum Beispiel Hausaufgaben, Wörter oder generell Hilfe benötigt, schreibt er dir/Ihnen schnell in Sekunden zurück. Da ich schon etwas Erfahrung gesammelt habe, kann ich ein bisschen etwas erzählen, und ich finde diese Website/App an sich sehr cool. Eine sehr coole App, ich empfehle sie weiter.  

Sophia, 11  

Zuerst braucht man ein Mobilgerät, auf dem man die KI benutzen kann. Danach muss man sich zum Beispiel ChatGPT herunterladen. Man kann mit der KI unzählige Sachen machen, wie neue Sprachen lernen oder sie kann dir alle Fragen beantworten, die du ihr stellst. Mir hat die KI schon sehr viele Fragen beantwortet, die ich mir seit langem gestellt habe, aber nirgendwo die Antwort bekam. Man fragt sich sicher, wie man so eine KI benutzt. Das ist gar nicht so kompliziert, wie man denkt. Sie können ihr einfach die Fragen stellen oder Anweisungen geben wie: „Schreibe mir einen Satz im Präteritum.“  

Mir persönlich hat die KI schon sehr viel geholfen, zum Beispiel beim Lernen für eine Schularbeit. Das Interagieren mit der KI ist sehr einfach und praktisch. Du kannst der KI auch einen Text geben und sagen: „Verkürze den Text um genau die Hälfte, doch in der Geschichte muss es weiterhin um dasselbe gehen.“  

Wenn es um die Kosten einer KI geht, fangen die Preise bei kostenlos an und gehen meistens in Richtung dreißig Euro. ChatGPT bietet fünf verschiedene Abomodelle an, aber je mehr man zahlt, desto mehr Funktionen bekommt man. Wenn man nicht so viel Geld hat, gibt es bei ChatGPT die PlusVersion für 19,40 Euro im Monat, wo man schon viele Funktionen hat.  

Wie gesagt, die KI bietet unzählige Funktionen, womit man im Alltag einfacher vorankommt. Würde mich jemand fragen, ob ich die KI weiterempfehlen würde, würde ich ohne zu zögern ja sagen.  

Radulov, 11  

Ich weiß, dass KI für künstliche Intelligenz steht. Bei ChatGPT kann man etwas fragen, wenn man etwas nicht versteht. Es wird von einem Bot beantwortet. ChatGPT kann man überall benutzen, sogar in der Schule. Die App ChatGPT steht für Chatbot. Aber ich benutze kein ChatGPT, weil meine Eltern mir helfen. Es kann, denke ich, alle Sprachen. Ich finde es cool, dass ChatGPT alles beantworten kann. ChatGPT wird von den USA entwickelt. Es funktioniert so: Wenn du ChatGPT öffnest, dann ist da ein Textfeld, wo du Fragen schreibst, die du nicht verstehst.  

Abdul, 12  

Wenn du KI verwenden möchtest, dann suchst du dir eine deiner Wahl aus. Zum Beispiel ist ChatGPT eine von diesen KIApps. Für die Nutzung von ChatGPT musst du die App herunterladen, um sie zu verwenden. Öffne die ChatGPTApp auf deinem Smartphone, Tablet oder Laptop. Man kann ChatGPT vieles fragen, was manche nicht wissen. Zum Beispiel, wenn man etwas nicht weiß, dann kann man ChatGPT das fragen. Weil KI viel schlauer als der Mensch ist und viel mehr weiß, als der Mensch es tut. Meine Erfahrung mit ChatGPT ist sehr gut. Ich verwende ChatGPT, wenn mir langweilig ist und wenn ich etwas nicht weiß. Ich verwende ChatGPT nicht sehr oft, aber auch nicht sehr wenig. Ich finde es toll, dass ChatGPT so viel weiß und dass man ChatGPT viele Fragen stellen kann. Wenn du zum Beispiel nicht weißt, wer etwas erfunden hat, dann kannst du das ChatGPT fragen. Zum Beispiel: Wer ist die reichste Person auf der Welt? Dann sagt ChatGPT zum Beispiel, er hat so viel Geld und sie hat so viel Geld. ChatGPT ist wirklich eine tolle App. Nicht nur das Beantworten, sie ist auch sehr nett und erklärt alles sehr gut. Ich würde es euch empfehlen.  

Tanja, 11  

Wir brauchen ein technisches Gerät, was gut funktioniert. Als Erstes musst du die App installieren. Dann wartest du so lange, bis sie heruntergeladen ist. Anschließend drückst du auf die App und auf „Chat“. Schließlich kannst du dort Aufgaben schreiben, und die KI zeigt dir die Lösung. Aber wenn ein ganz langer Text kommt, dann kannst du der Künstlichen Intelligenz schreiben, dass du den Text verkürzen willst. Aber wenn du den Text vermehren möchtest, dann schreib es der KI. Ich nutze es oft, weil es eine hilfreiche Künstliche Intelligenz ist, die sehr viel weiß. ChatGPT kann dir auch Aufgaben geben, wenn du die KI nett darum bittest. Du kannst es bei jedem Fach nutzen, wie Deutsch, Mathematik, Englisch und weitere Sprachen. Ich nutze es pro Woche zirka fünfmal, weil es einfach so cool ist, mit einer KI zu schreiben, die so schlau ist und einfach alles weiß. Ich würde es euch raten, die kostenlose Version zu nutzen, weil die nichts kostet. Und wenn man Geld hat, kann man auch die teurere Version kaufen, aber ich würde es euch nicht empfehlen. Es hilft mir bei den Hausaufgaben und wenn ich etwas nicht verstehe. Einmal habe ich sie etwas über Mathe gefragt, und die KI hat es mir sehr schnell gesagt.  

Die Autor:innen sind Schülerinnen und Schüler einer Wiener Mittelschule.

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Die letzte Novemberwoche, vierte Klasse Mittelschule, 18 Jugendliche – davon 14 bereits im neunten Schuljahr, mitten in der Findungsphase: „Was mache ich nach diesem Schuljahr?“ Diese Frage hing wie ein unsichtbares Plakat über unseren Köpfen. Die Antworten? Durchwachsen. Acht wollten eine weiterführende Schule besuchen, drei eine Lehre beginnen, und sieben hatten ungefähr so viel Plan wie ein Blatt im Wind.

Wer in die Zukunft schaut, stellt oft fest, dass der Horizont manchmal eher wie eine dicke Nebelwand aussieht. Für viele meiner Schüler*innen gilt das ganz besonders. Das österreichische Bildungssystem ist ihnen oft so fremd wie die Oberfläche des Mars. Warum? Ihre Eltern, oft aus anderen Ländern zugezogen, kennen die Strukturen hier nicht, und in ihrem Umfeld gibt es nur wenige Vorbilder, die ihnen Perspektiven aufzeigen könnten. Kein Wunder also, dass sich die Jugendlichen kaum für eine Laufbahnplanung begeistern können.

Umso wichtiger waren in meinen Augen die Berufspraktischen Tage (BPT). Ein paar Tage, in denen die Jugendlichen Einblick in die Arbeitswelt bekommen konnten – und nicht nur das: Sie sollten eine Grundlage für Entscheidungen schaffen, die ihr Leben prägen werden.

Selbst ist der Schüler

Die Verantwortung für die Organisation ihrer Praktikumsplätze übertrugen wir den Schüler*innen und ihren Eltern. Ein Wagnis? Vielleicht. Aber was dann geschah, überraschte uns positiv. Mit beachtlichem Engagement machten sich die Jugendlichen auf die Suche – oft ohne Netzwerke, auf die sie zurückgreifen konnten. Während manche Kinder von „Onkel Karl“ in den Betrieb eingeladen werden, hieß es bei meinen Schülern: „Anpacken und selbst erledigen.“

Ein Beispiel: Zwei Schüler zogen an vier Freitagen nachmittags nach der Schule los. Sie klapperten einen Supermarkt nach dem anderen ab, fragten direkt vor Ort nach einem Praktikum. Ihre Hartnäckigkeit wurde schließlich belohnt – ein Penny-Markt öffnete die Türen.

Und dann kam der erste Praktikumstag. 7:30 Uhr klingelte mein Handy. Die beiden Schüler: „Wir sind wieder nach Hause geschickt worden. Letzte Woche gab es hier einen Praktikanten, der eine Schlägerei angefangen hat. Der Filialleiter hat gesagt, er nimmt keine Praktikanten mehr.“

Nach einem Telefonat mit dem Filialleiter konnte ich die Sache klären. „Geben Sie den beiden eine Chance. Ich kenne sie – die machen sicher keine Schwierigkeiten.“ Am Nachmittag beim Besuch vor Ort traf ich denselben Filialleiter, der morgens noch skeptisch war. Begeistert berichtete er: „Die sind wirklich super. So engagiert, so höflich!“

Ein Blick in die Vielfalt

Die Praktikumsplätze spiegelten eine beeindruckende Bandbreite wider: Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Pflegeheime, IT-Firmen, ein großer Telekom-Provider, eine KFZ-Werkstatt, ein Krankenhaus, Anwaltskanzleien – sogar die UNO-City in Wien war dabei.

Die Rückmeldungen der Schüler*innen und der Betriebe waren überwiegend positiv. Natürlich gab es auch Stimmen wie: „Das war schon sehr anstrengend. Für mich ist das nichts.“ Aber dann gab es auch diese Aha-Momente:

  • Eine Schülerin, die bei einer Gerichtsverhandlung dabei sein durfte, erklärte: „Ich werde Anwältin. Das ist sicher!“
  • Ein Schüler, der ursprünglich IT ins Auge gefasst hatte, kam zurück und sagte: „Ich weiß jetzt, dass ich Elektrotechnik machen will.“
  • Ein Anruf zwei Wochen nach den BPT: „Ihr Schüler war bei mir schnuppern. Er interessiert sich so für Gaming und hat echt Talent. Sagen Sie ihm, er soll sich bei mir melden – ich habe da eine Idee, welche Schule er machen könnte.“

Leuchtende Ziele

Die schönste Erinnerung an diese Woche verdanke ich einem Schüler, der während seiner Praktikumszeit an einem Projekt der UNO-City beteiligt war. Der australische Künstler Fintan Magee hatte ein riesiges Wandbild geschaffen, das die Bedeutung der UN-Nachhaltigkeitsziele thematisiert. Bis Ende November war dieses Kunstwerk nachts unbeleuchtet – bis unser Schüler tatkräftig mitarbeitete, um das zu ändern.

Sein Beitrag ging weit über die technische Umsetzung hinaus. Er wurde selbst zu einem Botschafter für die Nachhaltigkeitsziele. Dieses Bild, das nun nachts in strahlendem Licht erstrahlt, ist für mich das stärkste Symbol dafür, wie wichtig es ist, mit jedem einzelnen Kind an seiner Zukunftsperspektive zu arbeiten.

Fazit: Ein klarerer Blick in die Zukunft

Zwei Monate nach den Berufspraktischen Tagen ist vieles klarer: Alle, die eine weiterführende Schule besuchen wollen, wissen nun genau, welche Schule es sein soll – und vielen von ihnen haben sich (vor-)angemeldet. Konkrete Bewerbungen auf Lehrstellen laufen. Nur drei Schüler*innen sind noch unentschlossen, aber auch sie haben deutlich mehr Orientierung als zuvor.

Berufspraktische Tage leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Entscheidungsfindung. Sie können Türen öffnen, Perspektiven schaffen und den Horizont klären. Es liegt an uns, den Jugendlichen diese Chance zu geben. Wer weiß – vielleicht steckt hinter einem Praktikum im Penny-Markt der nächste große Schritt in eine leuchtende Zukunft.

Autor: Markus Neuherz ist Quereinsteiger/Teach for Austria Fellow im ersten Unterrichtsjahr in einer Mittelschule in Wien.

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Stellensuche

Die berufspraktischen Tage in der 4. Klasse stellen für viele Schüler*innen eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dar, wohin es nach dem Mittelschulabschluss geht. Die Planung dafür beginnt bereits am Ende der 3. Klasse. Die Schüler*innen müssen sich eine Stelle suchen, wo sie vier Tage im darauffolgenden Schuljahr unentgeltlich arbeiten. Während dieser Zeit sind sie vom Unterricht freigestellt. 

Die Stellensuche verläuft dabei ganz unterschiedlich: Manche Schüler*innen wissen genau, welchen Beruf sie während der Tage ausprobieren wollen, andere eher weniger. Hilfreich ist bei der Suche wie so oft ein gutes Netzwerk – oftmals helfen die Eltern, der Onkel oder die Tante bei der Vermittlung. Schüler*innen, die erst seit kurzem in Wien sind, tun sich erfahrungsgemäß deutlich schwerer, einen Betrieb zu finden. Natürlich gibt es auch motivierte Schüler*innen, die selbst die Initiative ergreifen und beim Wunschbetrieb anrufen oder vorbei gehen und nachfragen. Ist ein Betrieb gefunden, wird ein Vertrag unterzeichnet.

Die Bandbreite der approbierten Berufe ist erfahrungsgemäß vielfältig: Vom Bankkaufmann zum Konditor, Zahnarzthelfer, Tischler zur Drogistin bis hin zur Kindergartenassistentin, Friseurin oder zum KFZ-Mechaniker, um einige der Berufe zu nennen. 

Vorbereitung

Vorab werden mit den Schüler*innen grundsätzliche Dinge besprochen. Dazu zählen beispielsweise das Auftreten, die Pausengestaltung, die Kleidungswahl – also welche Kleidung in einer Bank respektive einer KFZ-Werkstatt oder in einem Kindergarten erforderlich ist -, die Pünktlichkeit oder was im Falle einer Krankheit zu tun ist. Befindet sich die Stelle räumlich weiter weg bzw. nicht in der Nähe der Schule, ist die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes in der Vorbereitungsphase ein wesentlicher Punkt. Dabei lernen die Schüler*innen sich selbstständig in Wien zurecht zu finden und neue Wege zu erkunden, was für den weiteren Aus-/Bildungsverlauf von enormer Bedeutung ist. Auch die Arbeitszeiten, welche natürlich von den Unterrichtszeiten abweichen, werden besprochen.

Vorgesehen ist, dass den Schüler*innen vor Ort eine Betreuerin bzw. ein Betreuer zugeteilt ist. Diese Person ist die erste Ansprechpartnerin bzw. der erste Ansprechpartner bei Unklarheiten, Herausforderungen und Problemen. Im Vertrag muss diese Person extra ausgewiesen werden – leider wird dies in manchen Fällen ausgelassen und es ist nicht eindeutig klar, wer vor Ort zuständig ist.

Erfahrungen der Schüler*innen

Während der vier berufspraktischen Tage werden die Schüler*innen unserer Schule täglich ein Mal von einer Lehrperson besucht. Dabei wird nach dem Wohlergehen der Schüler*innen gefragt und Feedback von den Betreuer*innen eingeholt. 

Am aufregendsten ist für die meisten Schüler*innen der erste Arbeitstag. Oft wird berichtet, dass viele Schüler*innen überpünktlich am Arbeitsplatz erscheinen, aus Angst davor, den Weg nicht zu finden und in Folge zu spät zu kommen. 

Was die Schüler*innen während der vier Tage machen dürfen, hängt ganz vom gewählten Beruf und den dafür notwendigen Vorkenntnissen, dem eigenen Engagement sowie dem Einsatz der Betreuerin / des Betreuers ab. Dies kann das Schleifen einer Türe in der Tischlerei sein, das Spielen mit Kindern im Kindergarten, Zuschauen beim Anlegen einer Zahnspange beim Zahnarzt, das Wechseln von Autoreifen in einer KFZ-Werkstätte oder das Abheben und Einzahlen von Geld in einer Bank sein. Jährlich entscheiden sich viele Schüler*innen in einem Supermarkt zu arbeiten. Sie verbringen die meiste Zeit mit Regale einschlichten und sortieren, Waren im Regal nach vorne räumen sowie Kartons pressen. 

In den meisten Fällen zeigt sich sehr schnell, ob den Schüler*innen der approbierte Beruf gefällt. Manche wollen gar nicht mehr zurück in die Schule und empfinden die Tage als die besten in ihrer Schulzeit. Endlich können sie machen, was sie wirklich interessiert. Andere hingegen können es kaum erwarten, dass die Zeit vorbei geht und sie wieder zurück in die Schule können. Beispielsweise wird das viele Stehen im Einzelhandel oder der frühe Dienstbeginn in Werkstätten als furchtbar anstrengend empfunden.

Am Ende der vier Tage wird vom Betrieb ein Feedbackbogen ausgefüllt, den die Schüler*innen bei Bewerbungen beilegen können. Erweisen sich die Schüler*innen als besonders fleißig und engagiert, kommt es ab und an auch vor, dass sie ein Taschengeld als Dank für ihre wertvolle Arbeit erhalten.

Fazit

Im Idealfall enden die berufspraktischen Tage damit, dass die Schüler*innen wissen, was sie nach der 4. Klasse machen wollen oder zumindest nicht machen wollen. Immer wieder gibt es auch Schüler*innen, denen eine Lehrstelle in dem Betrieb angeboten wird, wo sie die berufspraktischen Tage verbracht haben. Allerdings kommt es in manchen Fällen auch dazu, dass die vier Tage vorzeitig beendet werden, weil etwa die Arbeitseinstellung von Seiten der Schüler*innen nicht passt. 

Aus Lehrerinnen Sicht ist es spannend, die Schüler*innen einmal in einem anderen Setting zu erleben. Es ist wunderschön zu sehen, wie manche in dem gewählten Beruf aufblühen und am liebsten dort bleiben würden. Andere brauchen hingegen aufmunternde Worte, um die Tage durchzustehen. Sie blicken anschließend stolz darauf zurück, die berufspraktischen Tage zu Ende gebracht zu haben. 

Bei manchen Schüler*innen ändert sich nach dieser Erfahrung die Einstellung zur Schule: Arbeiten ist anstrengender als gedacht! Sie versuchen in der verbleibenden Schulzeit ihre Noten zu verbessern, um an weiteführenden Schulen genommen zu werden. In die Schule zu gehen, ist offenbar doch ganz schön.  

Die Autorin in Lehrerin an einer Wiener Mittelschule.

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Die Schule brennt – was man über Kollateralschäden sagen kann

An die Schulzeit haben die meisten Menschen sehr unterschiedliche Erinnerungen.

Meine eigenen waren durchwegs positiv, wodurch in mir sicherlich der Wunsch entstand, Lehrerin zu werden, um junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und etwas für sie bewirken zu können. 

Nun – 13 Jahre nach Dienstantritt – muss ich leider einsehen, dass ich gescheitert bin. 

Nicht, weil ich meine Motivation oder Ziele aus den Augen verloren hätte, sondern weil unser Schulsystem die Kinder, aber auch die Pädagog:innen im Stich lässt. 

Natürlich werden nicht alle Kinder im Stich gelassen, aber gerade die, welche die meiste Hilfe bräuchten und das macht das Ganze noch unerträglicher. 

„Wir können sie nicht alle retten“

Ein Satz, den ich in den letzten Jahren oft gehört habe und der doch jedes Mal aufs Neue schmerzt, denn genau das sollte unser Anspruch sein:

Wir brauchen ein Bildungssystem, das alle retten und allen einen sicheren Hafen bietet, in dem sich die Kinder und Jugendlichen entwickeln können, ganz egal welche Widrigkeiten ihnen in die Wiege gelegt wurden.

Aber genau das tut es nicht. Unser Schulsystem ist gemacht für Kinder, die funktionieren oder für Eltern, die fehlendes Talent beim Funktionieren durch ihren eigenen Einsatz wett machen. Alle anderen sind Kollateralschäden.

Vererbte Möglichkeiten

Bildung wird in Österreich immer noch vererbt. Kinder, deren Eltern einen niedrigen Bildungsgrad haben, erreichen seltener den Abschluss einer höheren Schule als Jugendliche, aus Familien mit einem höheren Bildungsniveau. 

Noch schwieriger gestaltet sich das Ganze für Kinder und Jugendliche, die Defizite aufweisen und hierbei ist es vollkommen gleichgültig, ob es sich um kognitive oder körperliche Einschränkungen, andere Erstsprachen als Deutsch oder sonstige Probleme handelt. Diese Kinder haben mehr Steine auf ihrem Weg, die sie zu beseitigen versuchen. Sie werden dabei von der Institution Schule noch mehr im Stich gelassen und müssen stets mehr kämpfen als andere Kolleg:innen in ihrem Alter. 

Viel Anstrengung – wenig Erfolg

Mika ist 11 Jahre alt und ein Schüler meiner Klasse. Er sitzt ab 8 Uhr morgens summend in der Klasse, manchmal singt er auch. Er kann nicht anders. Einen sonderpädagogischen Förderbedarf – also einen Anspruch auf zusätzliche Unterstützung –  hat er nicht und jetzt ist es ohnehin zu spät, er bekommt keinen mehr. 

Vier Stunden in der Schule kann er aushalten, mehr geht nicht, doch sind es täglich 6 Stunden oder mehr, die er aussitzen muss. Leistungstechnisch läuft es nicht gut, trotz großem Bemühen. Die Verzweiflung ist groß, der Druck auf das Kind riesig. 

Was er bräuchte?

Mehr Bewegungspausen, größere Räume, weniger Kinder um sich herum, einen besseren Betreuungsschlüssel der Lehrpersonen. 

Jede Erinnerung ist zu viel

Geflohen ist Aya vor 5 Jahren. Sie spricht fließend Farsi und ist gut in der Schule. Ihre Mitschüler:innen sehen zu ihr auf, sie ist sehr beliebt und pubertätsmäßig wahnsinnig cool. 

Meistens klappt es gut, doch kommt es in der Klasse zu Konflikten, explodiert sie, schlägt andere Kinder und kann sich nicht zurückhalten. An manchen Tagen, vor allem wenn es stressig ist, hat man das Gefühl, sie sucht diese konfliktreichen Momente, um den brodelnden Vulkan in ihr beruhigen zu können, die Emotionen in sich loszuwerden.

Vor einigen Wochen machten wir einen Spaziergang, da die Klasse sehr unruhig war und frische Luft gut tun würde, um danach wieder weiterarbeiten zu können. 

Da bricht Aya, erzählt mir von ihren Erfahrungen in Afghanistan, von Tod und Leichen, die sie gesehen hat. Die Coolness ist weg, die Träne fließt langsam und lautlos über die Wange. 

Ich muss schlucken, bin selbst überfordert, biete an, dass wir vielleicht einen der wenigen noch freien Termine bei unserer Psychagogin vereinbaren können.

Die Träne wird weggewischt, die Fassade ist wieder aufrecht. „Nein, danke!“, sagt sie und geht weiter.

Was bräuchte sie?

So wenig und doch zu viel für das System Schule. Nämlich jemanden, der ihr Zeit gibt, zuhört und hilft, mit ihren Emotionen umzugehen. Emotionen, die für ein ganzes Leben reichen würden.

„Ich will es wirklich!“

Da ist die 13 jährige Mara, die oft fehlt. In der Schule sitzt sie meist stumm da. Hausübungen bringt sie nie, obwohl sehr viel Potenzial in ihr schlummert. In ihrem kurzem Leben hat sie einiges durchgemacht. Mit 11 Jahren war sie drogenabhängig, LSD. Nun sitzt sie in der Schule und soll eine Zusammenfassung über Getreide schreiben, während sie ihren Fingernagel mit den Zähnen bearbeitet. 

Sie kann nicht mehr. 

Seit dem Entzug ist sie zwar clean, allerdings bei Nikotin und Zigaretten hängen geblieben. Nach einem Vormittag Schule machen sich die Entzugserscheinungen bemerkbar, sie wird aus dem Nichts gereizt und aggressiv. Ich versuche, sie zu überzeugen, zu bleiben – erfolglos.

Festhalten darf ich sie nicht und außerdem bin ich gerade alleine für noch weitere 24 Schüler:innen zuständig, die ich unterrichten soll. Schließlich verlässt Mara unerlaubt die Schule, ich informiere meinen Chef und dieser die WG. Die Wohngemeinschaft, in der die Jugendliche lebt, kann nichts tun, auch hier herrscht Personalmangel.

10 Minuten später ist Mara wieder zurück, sichtlich ruhiger. „Ich will das hier schaffen! Sicher!“, murmelt sie mir zu und wirft ein „Tut mir leid!“ nach. 

Ohne Sicherheit kein Wachstum

 Sie kennen sicher die Maslowsche Bedürfnispyramide. Ganz unten finden sich die Grundbedürfnisse von uns Menschen wieder, wie beispielsweise Nahrung, ein Wohnort, ausreichend Schlaf oder berufliche Sicherheit. Erst wenn diese erfüllt sind, kann Wachstum stattfinden. Und genau hier versagt unser Bildungssystem. 

Die Kinder können nichts für ihre Lebensumstände. Sie haben sich nicht ausgesucht, Defizite zu haben, ganz gleich, wie diese aussehen und ob sie erworben oder angeboren sind. 

Was kann Schule tun?

Natürlich kann man jetzt sagen, dass Schule nichts für diese Umstände kann und das ist absolut richtig, dennoch muss man festhalten, dass das Bildungssystem zu wenig tut, um diese Defizite auszugleichen, um Chancengerechtigkeit herzustellen. 

Viele meiner Kolleg:innen fordern seit Jahren dasselbe: größere Räumlichkeiten, niedrigere Schüler:innenhöchstzahlen, mehr Pädagog:innen, neue Lehrpläne, die auf die aktuellen Herausforderungen abgestimmt sind und vor allem mehr Unterstützung in Form von Schulsozialarbeiter:innen und Psychagog:innen. 

Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Vor einigen Jahren wurden die Klassenhöchstzahlen abgeschafft, die Ausbildung für Sonderpädagog:innen an Pflichtschulen wurde aufgelassen, aufgrund des akuten Personalmangels fallen immer mehr Überstunden an. 

Kolleg:innen bemühen sich, all das abzufangen und viele davon brennen bei dem Versuch aus. Auch hier sind es eben „Kollateralschäden“ in einem System, das längst kaputt ist. 

Während die Schule quasi lichterloh brennt, versuchen wir Pädagog:innen verzweifelt, den Brand mit Kübeln voll Wasser zu löschen. Erfolglos und zurückgelassen mit vielen Brandblasen.

Chancengerechtigkeit – so nicht

Sie kennen sicher alle das Bild der Tiere in der Schule. 

Ein Affe, ein Pinguin, ein Elefant, ein Fisch, ein Hund und eine Robbe sollen auf einen Baum klettern. Ein nicht sehr faires Unterfangen. 

Diese Karikatur wurde 1976 von Hans Traxler veröffentlicht und sollte schon damals die Chancenungleichheit des Bildungssystems aufzeigen.

Seit damals – also seit fast 50 Jahren – hat sich nichts geändert.

Lediglich der Baum, den es zu erklimmen gilt, ist noch höher geworden. 

Und dennoch ist eines geblieben: Wer die Baumkrone nicht erreicht, ist eben ein Kollateralschaden, denn man kann sie eben nicht alle retten, so wurde es mir zumindest gesagt. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule