Lesezeit: 3 Minuten

Die Entscheidung Polascheks, die mündliche Matura wieder verpflichtend einzusetzen, wurde von AHS und BHS Schüler*innen zurecht lautstark kritisiert. Prominente Gegenstimmen ließen nicht lange auf sich warten. Kulturpessimistisch angehaucht jammerte Liessmann, dass der jungen Generation Biss und „Disziplin“ fehle, sie jede „Anstrengung“ vermeide und sie lieber feiere, statt Schwierigkeiten überwinden zu wollen. Die Staatsekretärin Palkolm verklärte in einem ZIB Interview die Matura zu einer „großen Chance“ und einem „besonderen Tag“ für junge Menschen, um aller Welt zu zeigen, was sie alles gelernt hätten. Zudem sei es ein wichtiger „Schritt zurück in die Normalität“.

Während Liessmann über die Leere eines einst „strengen und sinnvollen Rituals“ weint, das seine Versprechungen wie z.B. der Hochschulzugänge nur noch bedingt erfülle und überhaupt an Niveau sehr zu wünschen übrig ließe – von welchem Norm-Wissen redet er hier? -, wünscht sich Palkolm in eine Vergangenheit zurück, die für die Schüler*innen mit Angst und Stress verbunden ist und herkunftsabhängige Chancen zementiert statt beseitigt. Ihre proklamierte Chance ist ein Euphemismus sondergleichen.

Die wieder aufgeflammte Diskussion über die Notwendigkeit der Matura ist ein guter Zeitpunkt, ihre Sinnhaftigkeit einmal mehr in Frage zu stellen und ihr Ende einzufordern!

Die Matura beruht in meinen Augen auf zwei Rechtfertigungsgründe: Einmal dient sie der Zulassung für die Hochschulen. Zum anderen stellt sie das Abschlussritual der 12-jährigen Schullaufbahn dar.

Ersterer ist in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund getreten, sind doch Aufnahmeprüfungen und Eignungstests bei Studiengängen immer häufiger Usus – ein schlechter noch dazu, wie ich finde; ausreichende Finanzierung wäre hier wünschenswerter.

Der zweite ist ebenso fragwürdig. Mir erschließt sich die Sinnhaftigkeit dieser Abschlussprüfung nicht. Weder als Prüfung noch als Ritual. Prüfungen im Sinne eines Wiederkäuens zuvor auswendig Gelerntem ist nicht mein Verständnis von Wissensaneignung. Allein als Abschluss-Ritual wäre eine ganzjährige Projektarbeit, auch in Verbindung mit der VWA eine deutlich sinnvolle Angelegenheit. Ansonsten ist sie eine weitere Hürde und Disziplinierung. Ohnehin zeigen Schüler*innen tagtäglich, was sie können. Und das zwölf Jahre lang! Schüler*innen also mangelnde Disziplin oder Anstrengungsverweigerung vorzuwerfen grenzt an Arroganz.

Einzig die Versteifung unseres Bildungssystems auf Prüfungen und Überprüfungen der Prüfungen erklärt mir diesen (Über-)Prüfungsfetisch. Generell sollte meines Erachtens das Ziel jeden Unterrichts sein, möglichst viele Übungssituationen zu schaffen. Das würde folglich die Konditionierung, für Noten zu lernen, aushebeln und Motivation und Interesse an Neuem wieder in den Vordergrund rücken. Ferner würden die ungleichen familiären Unterstützungsmöglichkeiten der Schüler*innen ausgeglichen werden, die nach wie vor die allergrößte, wenn auch unsichtbare Mitverantwortung am schulischen Erfolg tragen. So maturieren nur 4 von 10 Arbeiter*innenkinder und 2 von 10 beginnen ein Studium, wohingegen 8 von 10 Akademiker*innenkinder eine Matura machen und ganze 7 von 10 studieren gehen. Nur zur Wiederholung: Ziffernoten sagen per se mehr darüber aus, wie Schüler*innen mit Spielregeln und Verhaltensnormen von Schule zurechtkommen als über das Leistungsniveau selbst. Somit treffen negative Noten insbesondere Schüler*innen aus bildungsfernen Schichten, weil sie viel öfters Schwierigkeiten mit dem sozialen Setting Schule haben.

Ferner zwingt die Matura in der Oberstufe – und hier vor allem im letzten Jahr – auf eine Fokussierung aller Ressourcen und Energien auf diese letzte Prüfung. Im Unterricht wird nur noch in Hinblick auf die Matura gelernt. Nicht Maturafächer geraten selbst bei Interesse gezwungenermaßen ins Hintertreffen. Folglich ist das letzte Jahr ein Bulimielernen auf eine Prüfung hin, die ihr altes Versprechen nur noch zum Teil erfüllt. Ein Zurück-zur-Normalität war schon immer nur für ÖVP und Konservative wünschenswert, die vom herrschenden (Bildungs)System profitieren.

Meine Vision ist hingegen ein Abschlusszeugnis der zwölften Klasse, das den Namen Matura trägt.

Für mich ist und bleibt die Matura, um es mit Natascha Strobel auf den Punkt zu bringen, ein „Statussymbol einer reaktionär-bürgerlichen Klasse“, um eine breite gesellschaftliche Chancengerechtigkeit einzuschränken.

Jonathan Herkommer, BHS Lehrer in Wien

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Corona nervt! Das lässt sich wohl aus allen verfassten Texten herauslesen. Manche sind geimpft, manche nicht, manche finden eine Impfpflicht gut, andere weniger, viele sind dennoch geimpft. Doch sind die meisten von ihnen der Meinung, dass es nichts gebracht habe. Es wurde ihnen versprochen, dass sie dann keinen Lockdown mehr haben werden, keine Masken, kein Testen. Tatsächlich hat sich das Leben von allen verschlechtert.

Keiner geht mehr raus, nicht ins Kino, kein Treffen mit Freunden. Zu viele haben schon bezahlt, weil sie zu wenig Abstand hielten, keine Masken trugen oder keinen gültigen PCR Test hatten, um etwas einzukaufen oder irgendwo was zu essen. 

Corona nervt. 

Ja! Die Mittelschüler und Mittelschülerinnen trifft es besonders hart. Viele haben vier und mehr Geschwister, viele wohnen in sehr engen Wohnverhältnissen. Durch das Ansteigen der Betriebskosten hat sich diese Situation verschärft. Etliche unserer SchülerInnen mussten umziehen. Sie haben jetzt einen längeren Schulweg. Mehr öffentliche Verkehrsmittel, noch mehr Möglichkeit sich anzustecken. Und wenn nicht sie, dann die Eltern in ihren systemrelevanten Jobs als Reinigungskraft, Pflegepersonal und/oder im Lager. „Die Arbeit meiner Eltern ist schwerer geworden!“, sagt Maria. Auch Pia stöhnt: „Wir sind alle zweimal geimpft – wir hatten alle schon Corona. Früher hatte ich Angst, jetzt habe ich keine Angst mehr. Ich möchte keinen Masken mehr tragen. Ich möchte auch nicht mehr täglich testen. Es kostet sehr viel Zeit in der Schule.!“

David hat Angst etwas anzugreifen, seinen Freunden nah zu sein. Tanja klagt, sie bekäme von der Maske Pickel. Klaus ist sich sicher, dass Corona, also zumindest die Delta und die Omikron Variante nur Erfindungen der Regierungen seien, damit die Menschen Angst hätten. Denn Angst bekäme man vor allem vor dem Unbekannten, Unsichtbaren. Er glaubt, dass die Regierung diese zur Manipulation der Menschen ins Leben gerufen hätten. 

Hannah hat Angst um ihre fünf kleinen Geschwister. Sie wäre seit Jahren zuhause eingesperrt, nichts sei mehr lustig. Man gehe nicht mehr gemeinsam raus, denn dass alle Familienmitglieder gleichzeitig einen gültigen PCR Test hätten, sei ein Ding der Unmöglichkeit. 

Fast alle Geimpften hatten auf ein Ende der Masken gehofft. Auf ein Ende des Testens. 

„Frau Lehrerin, lügen die uns an?“

„Aus meiner Familie hatten schon alle COVID“, schreibt Daniel, „ich finde, sie sollten die Schulen gleich schließen und uns nicht dauernd nach Hause schicken.“ „Und schon zweimal durfte ich nicht in die Schule, weil ich keinen gültigen PCR Test hatte. Das nervt!“

„Ich möchte Frieden und Ruhe! Die Medien machen die Welt verrückt!“ konstatiert Jens. „Ich hoffe, das hört dieses Jahr auf!“

Ja ständige positive Test in der Klasse, die Unklarheit, ob ein Schultag, eine Schulwoche „normal“ zu Ende geführt werden können. Solbad die Lehrkraft sagt: „So, und jetzt packen wir alle Sachen ein!“ Die Angst im Nacken – werden wir schon wieder nach Hause geschickt?

Paul meint: „Homeschooling macht mir nichts, da bin ich eh brav!“, aber viel lenke ihn zuhause ab. Die kleinen Geschwister, das Handy in Griffweite, die Mama in der Küche…

Informationen bekämen sie von TikTok, also alle. Oder eben aus dem Internet. Manchmal auch aus der Kronenzeitung. Aber TikTok erklärt eh alles. Und ja, Corona hat das Leben verändert: Die Erschöpfung der Bevölkerung, das seelische Verhalten. Alles sei halt ein bissi schwerer geworden. 

Corona NERVT!

Corona NERVT! Das ist auch der Grundtenor an einer Wiener HAK. Viele sind von der oft widersprüchlichen Kommunikation der Politik frustriert. Können die Inkonsistenz der verlautbarten Regelungen nicht nachvollziehen. Dennoch: Mittlerweile ist die überwiegende Mehrheit der befragten Schüler*innen geimpft. Sie stehen der Impfung positiv – „sie schützt mich vor schwerem Verlauf“ – bis pragmatisch – „ich wollte wieder Freund*innen treffen“ – gegenüber. Einige führten Solidarität als Beweggrund an. Andere nannten ihre Eltern als maßgeblichen Einflussfaktor.

Nur wenige sind nicht geimpft. Hier sind es die Eltern und Geschwister häufig auch nicht. Sie sehen die Impfung skeptisch; wollen lieber abwarten, haben noch Ängste wegen möglicher Nebenwirkungen. Eine will sich erst impfen lassen, wenn es „notwendig“ ist, eine weitere erst, wenn es „Pflicht“ werde. Andere wiederum führen die Angst ihrer Eltern oder deren Impfaversion an.

Aber: Corona nervt! Viele nervt das Thema. Es nervt sie, tagtäglich mit News rund um Corona konfrontiert zu werden. Neue Bestimmungen, neue Verbote, neue Einschränkungen. Lockerungen folgen Einschränkungen folgen Lockerungen folgen – Sie wissen, wie es weiter geht. Einige haben das Thema satt. Sie wollen nicht mehr darüber reden, vermeiden es „so gut wie möglich“ darüber zu sprechen. Eine dazu: „Mir ist es egal geworden“, sie habe sich an die „Pandemie/Situation gewöhnt“.

Andere wiederum beschäftigen sich intensiv damit. Diskutieren in den Familien und halten sich gegenseitig am Laufenden. Manche über die Vorteile der Impfung, andere nur über „die Nachteile der Impfung“. Als Quelle dient ihnen häufig Insta und TikTok. Der ORF wird auch immer wieder genannt. Ob wegen „sozialer Erwünschtheit“ oder seinem neuen TikTok-Kanal bleibt hier unbeantwortet.

Corona nervt!

 Es nervt, weil Freund*innen erkranken und nicht getroffen werden können. Es nervt auch, weil es eine weitere Sorge um Angehörige und Verwandte darstellt. Viele kennen zumindest eine Person, die an Corona erkrankt ist. Davon hatten die meisten – zum Glück – einen leichten Verlauf. Einer erwähnt seinen Vater, der unter Long Covid leide; eine ihre Tante, die einen schweren Verlauf mit Hospitalisierung hinter sich habe. Manche waren selbst schon Corona positiv. Eine schon zweimal: Delta und Omikron, trotz Impfung. „Überall gekostet“, scherzt sie müde.

Die Demos gegen Corona-Maßnahmen halten die meisten für „unnötig“, sie „bringen nichts“ und würden nur zu „mehr Ansteckungen“ führen. Sie sollten sich „lieber an die Ordnungen“ halten. Trotz dieses Hangs zur Ordnung wird demonstrieren für viele als gut und richtig angesehen. Seine Meinung öffentlich kundzutun, wird als wichtig erachtet: „Meinungsfreiheit“ sei wichtig, genauso wie das „Recht auf ein freies Leben“. Jedoch wird ihr Effekt für Veränderungen als kaum existent eingeschätzt. Vielleicht liegt das auch an dem gerade erst mit massivem Polizei-Einsatz geräumten Protest-Camp.

Ein anderer wiederum schreibt, dass Freunde auf die Demo gingen, sie seien gegen die Impflicht und sähen die Maßnahmen der Regierung als „unnötig“ an.

Corona nervt, voll hart! 

Besonders tangiert die Jugendlichen Corona in ihrem Sozialleben. Eine fühle sich nicht mehr „frei“. Eine betont, „Jugendliche wollen ihre Freiheit und ihren Spaß“ – wer kann dem nicht zustimmen? Keine*r sagt, es hätte sich nichts verändert. Viele klagen über Verlust von sozialen Kontakten. Vereinsamung. Vermisste Partys. Regelmäßige Treffen und Unternehmungen seien unmöglich bis eingeschränkt. Das Maskentragen nerve. Man kenne kaum noch die Gesichter der Freund*innen. Zudem sei die Haut vom vielen Tragen irritiert. Oftmals wird sie auch zu Hause vergessen und dann stünde man „blöd“ da.

Bei einigen seien die Eltern „ständig“ zuhause. Einige wegen Jobverlust. Andere wegen Homeoffice. Allemal nerve ihre ständige Anwesenheit. Es fehlten Rückzugsorte. Privates. Intimität. Enge Wohnverhältnisse, fehlende Kontakte, eingeschränkte Treffmöglichkeiten, das ständige Testen. Oftmals ist es viel. Viel, das nervt.

Der Text ist eine Zusammenfassung von Schüler*innen-Befragungen an einer HAK und einer MS in Wien.

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Abenteuer Mittelschule

Es ist vollbracht! Nachdem an der Schulform Mittelschule in den vergangenen Jahren kein gutes Haar gelassen wurde, sich die Politik für Schüler*innen dieses Schultyps nicht zu interessieren scheint und auch in diversen Medien die Negativberichte klar überwiegen, kommt das Problem des Lehrer*innenmangels schneller als erwartet auf uns zu. Denn all die oben aufgezählten Punkte haben zur Folge, dass viele Student*innen gar nicht mehr an der Mittelschule unterrichten wollen, außer besagte Schule ist in einem kleinen Dorf am Land, wo angeblich alles noch besser sein soll. Es ist eine Entwicklung, die absehbar war und ist.

Gemeinsame Unterstufe und das neue Lehramtsstudium

Der Traum von der einer gemeinsamen Unterstufe für alle 10 bis 14jährigen scheint ausgeträumt zu sein. Das Festhalten an jenem Modell, das wir seit Jahrzehnten bedienen, nämlich der Trennung nach der Volksschule in privilegiert und weniger privilegiert, lässt keine grundlegenden Änderungen zu. Immer noch will man Eliten heranziehen und diese hübsch fein vom Pöbel trennen. Der Niedriglohnsektor will bedient werden, also darf der Nachwuchs nicht fehlen. Das Fatale aber ist, dass die Pädagog*innenbildung neu ursprünglich auf einer gemeinsamen Unterstufe aufbaute. Prinzipiell ist zu begrüßen, dass AHS und MS Lehrer*innen die gleiche Ausbildung erfahren. Lange Zeit wurde auch in diesem Bereich fein säuberlich getrennt, die einen für den Pöbel, die anderen für die Elite. Der Gedanke, dass man defizitär ist, wenn man nur sechs Semester an der Pädag studiert hat, ist irgendwann auch in mir kurz aufgepoppt. Gut, dass sich darüber niemand mehr den Kopf zerbrechen muss. Im Austausch dafür machen sich manche Lehramtsstudierende andere Gedanken. Da geht es zum Beispiel darum, dass man verhindern will, jemals an einer Mittelschule eingesetzt zu werden. Prinzipiell kann es jeden und jede treffen, außer es gibt die gewählten Unterrichtsgegenstände an einer Mittelschule nicht. Es kommt also auf eine „kluge Auswahl“ an. Ja, und selbst wenn man in der Mittelschule einen Zwischenstopp macht, länger als ein Jahr kann niemand dazu gezwungen werden. 

Ein kurzer Einblick in meinen Alltag

Es ist 10 Uhr. Theoretisch ist die Pause zu Ende. Als ich zur Schule ging, bedeutete das die Schüler*innen auf ihrem Platz gestanden sind und auf die Ankunft des Lehrers/der Lehrerin warteten. Okay, es gab dieses eine Kind, das bei der Klassentüre wartete, um dann zu brüllen: „Sie kommt!“ Spätestens dann war es ruhig. Im Schlepptau hatte sie, die Lehrerin, eine besonders angepasste Schülerin, die der Lehrerin die Tasche oder die Unterlagen trug. „Setzt euch!“ Segnung erteilt, der Unterricht konnte beginnen.

Zu Beginn meiner Lehrer*innentätigkeit agierte ich ähnlich. Wobei ich nie zuließ, dass ein Schüler oder eine Schülerin meine Tasche oder Hefte trug. Das kam mir von Anfang an ziemlich bescheuert vor. Mag daran liegen, dass ich nie im Leben nur einer Lehrerin oder einem Lehrer irgendetwas hinterher getragen hätte.

Zurück ins Jahr 2022. Die Klasse, die ich jetzt beglücken sollte, hat das mit dem Pausenende nicht so richtig realisiert. Fünf Schüler*innen nehme ich vom Gang mit. In der Klasse spielen vier Kinder Tischfußball, sieben hängen am trotz Handyverbot an diesem, aber sie sitzen auf ihrem eigenen Platz. Meine Stunden beginnen dann, wenn alle ihren Platz gefunden haben. Aufstehen, bitte nicht. Nein, das ist kein Akt der Höflichkeit, sondern einer des Gehorsams. Mein Arbeitgeber ist das Bildungsministerium und nicht das Bundesheer. Ich warte noch weitere drei Minuten. Ha, jetzt könnte es gehen. Da zeigt ein Mädchen auf. Sie ist am Verdursten. Schuld ist die quietschtrockene Wurstsemmel. Ein Problem, das sich lösen lässt. Ich schicke sie zum Wasserhahn. Die anderen Schüler*innen gucken mich erwartungsvoll an. Sie wollen zeichnen und  fast alle haben Lust mitzumachen. Ich genieße die drei Minuten Stille, und fange zu erklären an. Hat länger gedauert, aber was soll es. Zeit ist ohnehin relativ.

„Eine schwierige Klasse“, höre ich immer wieder. Stimmt, ein Waldspaziergang ist das Unterrichten hier nicht, mehr eine Art Abenteuerurlaub. Man weiß nie, was im nächsten Moment passieren könnte.  So ist es auch heute. „Elvira weint“, ruft ihre Sitznachbarin in die Stille. Vier Schüler*innen springen auf, weil sie erstens wissen wollen, warum sie weint und zweitens sie trösten wollen. Ich gehe auch zu Elvira. „Was ist los?“ Elvira schluchzt mir vor, dass ihre Oma gestorben ist. Also nicht ihre Oma, so eine Art Leihoma. Dragana wird blass. „Oh mein Gott. Wie alt war sie?“ „Vier-schluchz-und-schluchz-fünfzig.“  Dragana, nicht mehr blass, dreht sich um und sagt: „Ah so! Ist eh schon alt.“

Die Wogen sind geglättet, es kehrt wieder Ruhe ein. Elvira wurde mit Taschentüchern, Wasser und Schokolade versorgt. Nach einer abermaligen klitzekleinen Unruhe bedingt durch Wasser und Malkasten holen, sind alle beschäftigt und im Flow.

Schwierige Klassen, na und!

Unter schwierig kann man sich unterschiedliche Dinge vorstellen und ausmalen. Kriminelle, bildungsresistente und lernunwillige Schüler*innen. Solche, die ihre Pflichtschulzeit absitzen und dann ihre kriminelle Laufbahn endlich vollzeit ausüben können. Solche, die mit Messern in die Schule kommen, und alles, was sich ihnen in den Weg stellt, kurz und klein schlagen. In diesen Klassen stellt man sich vor, kann ja nicht einmal unterrichtet werden. Da muss man dann Sozialarbeiter*in sein, und nicht Stoffvermittler*in. Letzteres streben ja viele an, die den Lehrer*innenberuf anstreben. Vornehmer formuliert, will man den Kindern und Jugendlichen etwas beibringen. 

Ja, ich gebe zu, wir haben schwierige Klassen. Jene Klasse, von der ich ein bisschen weiter oben erzählt habe. 24 Individualist*innen, die mich gemeinsam immer wieder vor Herausforderungen stellen. Die dafür sorgen, dass mir in meinem Beruf nicht langweilig wird. Die mir, die ich nie ausschließlich die hohe Kunst der Mathematik vermitteln wollte, mit ihrem Verhalten zeigen, wie wichtig es ist, dass es uns gibt. Solche, die manchmal nur uns MS-Lehrer*innen als Lobby haben. Aber mein subjektives Empfinden von schwierig unterscheidet sich deutlich von dem der wagen Vorstellung der konservativen Politiker*innen, manch angehenden Pädagog*innen und der Boulevardpresse.

Ein Blick hinter die Fassade

Was die Personen, die sich vor der Mittelschule fürchten, einmal tun sollten, ist einen Blick hinter die Fassade zu machen. In der besagten Klasse mache ich das täglich und entdecke so wunderbare Kleinigkeiten, die mir das Herz aufgehen lassen.

Weil wir aufgrund von Corona nicht in die Sporthalle gehen sollten, weichen wir, so es das Wetter zulässt in den Park aus. Schnelles Gehen ist besser als gar keine Bewegung.

Ich: Zieht euch um. Wir gehen in den Park.

Ali: Mit oder ohne Stäbchen?

Ich: Womit?

Semih: Oida, können wir nicht lieber Kebab essen gehen? 

Angi: Du sollst Sport machen, damit du dünner wirst. Essen ist kein Sport, da wird man fetter.

Semih: Okay, zuerst Park und dann Kebab.

Ich: Semih, finde ich nicht so gut. Nicht jeder hat Geld mit. Und, dass dann ein paar euch beim Essen zugucken, finde ich nicht so prickelnd.

Semih: Wieso? Alle, die Geld haben, geben Geld. Da kann jeder in der Klasse Kebab haben.

Semih ist ein schwieriges Kind, ohne Zweifel. Aber für diese, für seine Klasse würde er sich das letzte Hemd ausziehen, und für seine Klassenvorständin. Sie ist toll, auch wenn ihr hin und wieder berechtigter Weise die Energien ausgehen. 

Um die Weihnachtszeit erzählen mir die Schüler*innen, dass sie ihr ein ganz tolles Geschenk machen wollen, weil sie so ein großes Herz hat, und ihnen, der Klasse, so viel gibt. Und das wollen sie ihr zurückgeben. Zehn- und elfjährige Kinder haben ohne die Hilfe von Eltern oder Lehrer*innen ziemlich viel Geld gesammelt. Jede/r hat gegeben, was er konnte. Als die Summe noch nicht passt, legt Semih noch was dazu. „Hab ich von meinem Onkel bekommen, für mich. Aber besser für Frau R.“, erklärt er.

In dieser Klasse können alle sein, wie sie wollen. Es ist völlig egal, dass Nurhan mit 12 Jahren blickende Sportschuhe trägt. Es ist nebensächlich, dass Elvira schwer übergewichtig ist. Es ist unerheblich, dass Rohid immer die gleichen Klamotten trägt und ab und zu nicht so gut riecht. Wenn es hart auf hart geht, dann setzten sie sich auch für die Klassenkolleg*innen ein, die ihnen manchmal selbst fest auf die Nerven gehen.

Darum unterrichte ich in der Mittelschule

Klassen, wie diese, sind der Grund, warum ich nach fast 30 Jahren immer noch gerne arbeiten gehe, auch wenn ich sie manchmal verfluche, so wie andere auch. Ich habe sie noch nie als schwache Schüler*innen gesehen. Klar, sie haben Defizite in vielen Bereichen, aber unterm Strich nicht mehr oder weniger als ich selbst. Sie leben ein Leben, das ich nicht kenne. Sie kämpfen sich mit ihren Familien durch die Widrigkeiten des Alltags, und werden außerhalb der Schule oft nicht wahrgenommen, außer sie sind kriminell. Diese Schüler*innen haben volle Aufmerksamkeit verdient, und leben auf, wenn ihnen nicht nur der Stoff vermittelt wird. Und gerade die, die mich im Laufe meiner Schulzeit am meisten gefordert haben, melden sich bis heute bei mir und berichten mir stolz, dass sie entgegen allen Erwartungen doch im richtigen Leben angekommen sind.

Kleiner Nachsatz an die Verantwortlichen

Wir brauchen in Zeiten des Klimaschutzes nicht gratis Parkpickerln, sondern Politiker*innen, die die Mittelschule und deren Lehrer*innen wahrnehmen und wertschätzten. Und die, die junge Menschen dazu motivieren sich auf das Abenteuer Mittelschule einzulassen.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Wiener Mittelschule

Lesezeit: 4 Minuten

Er ist wieder da. Gemischte Gefühle kommen in mir hoch, als ich am Montagmorgen zwei aufgeweckte Augen über der FFP2 Maske blitzen sehe und mir ein freudig schwungvolles „Frau Lehrerin! Guten Morgen!“ entgegengeschmettert wird. Einerseits freue ich mich, einen Schüler wieder zu sehen, der mich oft zum Lachen bringt und bei dem ich weiß, dass ihm das selbstständige Arbeiten im Lockdown schwerfällt, der gezielte Deutschförderung benötigt. Andererseits realisiere ich erst nachdem mir ein freundlich strenges „Schön, dass du wieder da bist! Die Maske haben alle auf und das diskutiere ich nicht“ rausrutscht, dass es mich auch stresst. Alle Kinder werden leise und schauen etwas verwundert drein. Frau Lehrerin, die in der Regel nicht so schnell eisige Töne anschlägt, legt gleich in den ersten 45 Sekunden dieser Schulwoche damit los. 

Was mich nachdenklich macht an meiner Aussage, ist nicht der Hinweis auf die sinnvolle Maske, sondern das Ende meiner Diskussionsfreudigkeit. Die Worte „Ich diskutiere das nicht“ entsprechen nicht gerade meinem Ideal einer Deutschlehrerin. Mir, der Dialog auf Augenhöhe, Demokratieerziehung, Medienverständnis und Diskussionsfähigkeit doch sonst so wichtig sind. 

Der Schüler, über dessen Anwesenheit ich mich eigentlich freue, hadert mit dem Gedanken, dass es Corona wirklich gibt. Seine gesamte Familie ist zwar mittlerweile genesen, aber die Medien würden weltweit Lügen verbreiten und die Maßnahmen seien Teil einer großen Verschwörung, so der immer wieder durchflackernde Grundtenor. Das Tragen der FFP2 Maske also eine Tortur und eine Gemeinheit, um arme Kinder zu quälen. Auch „diese Tests“ werden laufend mit Kommentaren begleitet, die ich hier mit dem sanften Wort der Zumutung umschreiben möchte. 

In der Regel meldet sich auf seine Äußerungen sofort jemand aus der Klasse und es gibt Pro und Kontra, verschiedene Meinungen stehen nebeneinander im Raum. Pragmatisch, wie Schule so oft ist, testen sich schließlich alle nach Vorschrift und lassen die Maske auf. 

Es ist mir wichtig, dass jede Meinung geäußert werden darf, weil ich denke, dass Silencing keine Lösung ist, sondern nur noch mehr Öl ins Feuer gießt und Verschwörungstheoretiker*innen sich vermutlich erst recht in ihrer Perspektive gestärkt fühlen. Dennoch war bei mir an diesem Montagmorgen die Luft schon beim ersten Anblick einer neuen Diskussion draußen. Am Weg zum Klassenzimmer hatte ich mich gefreut, dass wir mittlerweile auch PCR-Tests für Lehrkräfte haben und dass bestätigt wurde, dass die FFP2 Masken sehr gut vor Ansteckung und Übertragung schützen. Ich freute mich über jedes Kind, das mir in Fleisch und Blut gleich gegenübersitzen würde, das ich nicht digital mehr schlecht als recht versuchen würde zu erreichen, parallel mitzubetreuen, auf Distanz individuell zu fördern – für mich gefühlt die Quadratur des Kreises. Ich freute mich auf ein kleines Stückchen Struktur und geregelte Abläufe im Anbetracht der sich überschlagenden Ereignisse der letzten Wochen. Auf Unterricht und Bedürfnisse, auf die ich ad hoc reagieren und wahrnehmen könnte, im Gegensatz zum distance learning. Vielleicht wollte ich mir mit diesem Diskussionsriegel die Freude, das Privileg und den kleinen Triumph über das Virus nicht nehmen lassen, dass es zumindest unter gewissen Voraussetzung möglich ist, Kinder regulär zu unterrichten. 

Schule wird oft als der Ort konstruiert, an dem gesamtgesellschaftliche Konflikte sichtbar seien, weil bis zu einem gewissen Alter jede*r hinmuss, der*die in Österreich wohnt. Müsste ich der gesamtgesellschaftlichen Dialog- und Konfliktkultur der letzten Wochen eine Note geben, wäre es ein knappes Genügend. Müsste ich mir selbst eine geben, verstumme ich lieber mit meinen Urteilen. Die Situation, in der wir uns alle befinden, ist so komplex, so vielschichtig und blöder Weise gleichzeitig so dringend, dass der ruhige, nachvollziehbare Dialog oder ein gründliches, fundiertes Abwägen von Darstellungen oder Maßnahmen viel zu oft auf der Strecke bleibt. Es ist Verunsicherung spürbar: bei den Schüler*innen, den Eltern, den Kolleg*innen, bei mir selbst. 

Ich schätze an meinem Kollegium, dass viele andere Standpunkte stehen lassen können. Wir waren nicht alle einer Meinung, dass es so toll ist, die Kinder doch in die Schule gehen zu lassen, während alles andere zusperrt. Dafür ziehen manche zum ersten Mal seit über 50 Jahren auf Demos mit, die von Polizeihubschraubern begleitet werden und mir wiederum nur ein Kopfschütteln abringen. Trotzdem gehen an einem Dezembermorgen Kolleg*innen mit FFP2 Maske durch das Konferenzzimmer und verteilen Schokolade. Ein Mini-Nikolaus gesellt sich zu meinem sehr geschätzten PCR-Test. Jede*r freut sich über diese kleine Geste der Normalität, das Bekannte, das Verbindende und den Zusammenhalt. 

Obwohl ich eisig sagte, ich wolle nicht darüber diskutieren, ob wir die Maske im Unterricht tragen, verkraften die Kinder das recht gut. Es wird gescherzt, mitgearbeitet und vor allem auf den Adventkalender und unser Keksritual hingewiesen. Das darf ja nicht vergessen werden! 

Die Kinder haben wie so oft recht. Es sind auch diese kleinen Dinge, die uns zusammenbringen und auf die ja nicht vergessen werden darf. Wer an Beziehung und Dialogkultur in guten Zeiten arbeitet, hat sich für die großen Brocken in schweren Zeiten einen Startvorteil verschafft, denke ich. 

Utopisch würden viele meine Vision von Dialogkultur an der Schule bezeichnen. Vermutlich haben sie recht. Schließlich sind wir alle nur Menschen, die jeden Tag unterschiedlich gut drauf sind, umgeben von einer Vielzahl an Faktoren, die ein friedliches Miteinander und gute Kommunikation nun mal stören. Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir uns weiterhin bemühen, vielfältige Gedanken, Ängste, Vorstellungen und Pläne zu besprechen und ernst zu nehmen. 

Ich komme zu dem Schluss, dass manche Themen und Diskussionen besondere Zeitpunkte und Orte brauchen und nicht „sofort montags um 7:31“ stattfinden müssen. Dankbar bin ich aber auch dafür, dass wir es jeden Tag besser machen können. Jeden Tag gibt es die Chance aus dem gestrigen für den morgigen zu lernen und um’s Lernen geht es doch schließlich an der Schule. 

Die Autorin ist Lehrerin an einer Mittelschule in Oberösterreich

Lesezeit: 6 Minuten

“Einmal Lehrer*in – immer Lehrer*in.” Das gilt für die überwiegende Mehrheit der Personen, die sich für das Lehramt entscheiden heute noch  immer. Während der Quereinstieg in den Lehrberuf zunehmend erleichtert wird, ist ein – wenn auch nur zeitlich begrenzter – Ausstieg oder eine berufliche Umorientierung in der Regel nur schwer möglich. 

Wir haben mit vier Lehrerinnen gesprochen, die sich über die Initiative Seitenwechsel für einen solchen temporären Umstieg entschieden haben. Für ein Jahr arbeiten sie in Unternehmen um schließlich mit neuen Perspektiven und Skills zurück in die Schule zu kommen: 

Warum hast du dich dafür entschieden für ein Jahr die Schule zu verlassen und in einem Betrieb zu arbeiten? 

Cornelia:  Ich bin über Umwege Lehrerin geworden, habe in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Nach ein paar Unterrichtsjahren war mir nach Abwechslung, neuem Input. Ich habe bereits Arbeitserfahrung mitgebracht, und wollte meinen, für mich auch im Unterricht extrem wertvollen, Background noch erweitern.

Anna*: Weil ich bisher kaum Berufserfahrung außerhalb des Bildungsbereichs hatte und hier die Chance gesehen habe, den Alltag in einem Betrieb kennenzulernen und mein Fachwissen auch einmal praktisch anwenden zu können.

Mitra: Ich war jetzt 4 Jahre Klassenvorständin und habe meinen Schwerpunkt stark auf Berufsorientierung gelegt, da dieses Thema unsere Jugendlichen in der Mittelschule sehr stark betrifft und vor allem auch beschäftigt. Es ist wahnsinnig schwer, sich mit 14 zu entscheiden, was man als nächstes machen möchte, was ich absolut nachvollziehen kann. Ich bin froh, dass ich das damals nicht musste.

Ebenso lege ich einen großen Schwerpunkt auf sogenannte „Life skills“, also Umgang mit Geld, wie ein Haushaltsbuch führen, Eingaben und Ausgaben, wie viel und welche Ausgaben kommen überhaupt auf mich zu, wenn ich alleine wohne, wie vergleiche ich Versicherungen, suche ein Bankkonto aus, wie funktionieren Kredite, Schulden usw.

Wenn diese Themen nicht durch die Eltern erlernt werden, bleibt nur die Schule. Deshalb ist es wichtig, dass wir Lehrer*innen auch viele solcher Kompetenzen lehren.

Um meine Schüler*innen nun so gut und vor allem so authentisch wie möglich auf die Berufswelt vorzubereiten, wollte ich selbst die Arbeitswelt außerhalb der Schule kennenlernen.

Durch Seitenwechsel hatte ich zum Glück die Gelegenheit dazu und habe es gewagt. 

Ja, es ist ein großer Schritt, weg vom gewohnten Arbeitsumfeld zu gehen und etwas zu machen, wo man sich nicht wirklich auskennt, obwohl man eigentlich immer diejenige ist, die das tut. Aber genau das, ist doch auch wieder wichtig, um sich besser in die Lage unserer Jugendlichen hineinzuversetzen.

Alexandra: Eine langjährige Kollegin hat mir einen Zeitungsartikel über die Initiative Seitenwechsel übermittelt und somit begann ich mich über dieses Projekt zu informieren. Nach jahrelanger Unterrichtstätigkeit ermöglicht mir dieses Programm meine fachlichen Kompetenzen zu erweitern und mich persönlich weiterzuentwickeln. 

Wie bist du im Unternehmen aufgenommen worden? 

Cornelia: Sehr offen! Was mich als Person, meine Stärken und Schwächen und die Themen an denen ich arbeite, betrifft.

Anna: Sehr gut. Gleich am ersten Tag wurde ich allen persönlich vorgestellt und die Kolleg*innen sind alle nett und hilfsbereit. 

Alexandra: Am ersten Tag wurde ich vom Leiter der Personalabteilung in Empfang genommen und erhielt zuerst eine Gebäudeführung. Anschließend lernte ich meine KollegInnen im Labor kennen. In der ersten Arbeitswoche hatte ich ein Onboarding-Programm, indem die Abteilungsleiter*innen für administrativen Angelegenheiten ihre Aufgabenbereiche vorstellten. Daher wusste ich bereits, wen ich bei Fragen kontaktieren kann. Die Hilfsbereitschaft meiner KollegInnen ist sehr wertvoll für meine „neue“ Tätigkeit.

Was sind deine neuen Aufgaben? Fühlst du dich mittlerweile gut eingearbeitet? 

Cornelia: Aufgaben gibt es in unserer Abteilung viele; viele Ideen, die umgesetzt werden wollen. Unter all den Technikern (und einer Technikerin) habe ich mir anfangs nicht viel zugetraut. Mittlerweile ist es besser, ich habe das Gefühl, die Aufgaben einschätzen zu können und weiß besser, was ich mir zutrauen kann. 

Anna: Auch wenn ich mittlerweile eingearbeitet bin, gibt es immer wieder neue Herausforderungen und ich lerne ständig dazu. Es macht aber immer wieder Freude und stärkt mein Selbstbewusstsein, wenn ich wieder etwas geschafft habe.

Mitra:  Am Anfang habe ich doch eine Weile gebraucht und es war manchmal nicht so angenehm, nicht die zu sein, die sich auskennt, sondern die, die Erklärungen und Arbeitsanweisungen braucht.

Trotzdem und vor allem auch durch das hilfsbereite und nette Team, konnte ich mich gut einfinden und arbeite mittlerweile schon gut mit. Und vor allem schon etwas selbstständiger.

Mein Hauptbereich ist das Risikomanagement, wo ich Berichte überarbeite und erneuere, von Berichten Powerpoint Präsentationen als Zusammenfassung und Übersichten erstelle. Ebenso erstelle ich neue Beurteilungsblätter für Einzelrisiken.

Nebenbei unterstütze ich unsere Juristin bei Recherchen, Korrekturlesen von juristischen Texten oder Erstellen von Powerpoint Präsentationen und lese auch zukünftige Artikel oder Broschüren für die PR Managerin gegen.

Ich werde in dem Jahr aber auch noch die Arbeit der anderen Bereiche der B&C kennenlernen, wie zum Beispiel die Innovation Investment oder die Stiftungsarbeiten. Bei beiden darf ich jetzt schon immer wieder ein bisschen reinschnuppern.

Alexandra: Auf jeden Fall war es zu Beginn eine große Herausforderung in einem Labor tätig zu sein und neue wissenschaftliche Methoden kennenzulernen. Es ist eine vielseitige Tätigkeit in internationalem Umfeld, daher wird Englisch als Arbeitssprache verwendet. Die Abläufe meiner Arbeit sind gut strukturiert und meine Labortätigkeit muss täglich dokumentiert werden. Inzwischen kann ich zum Teil selbstständig im Labor arbeiten und darüber freue ich mich. 

Wo liegen die auffälligsten Unterschiede zwischen dem schulischen und deinem jetzigen Arbeitsumfeld? 

Cornelia: Die Lautstärke; der Stress, dem man als Lehrer*in oft ausgesetzt ist. Besonders in der Zeit von Covid. Mehr Sachlichkeit, weniger Zwischenmenschliches.

Anna: Das Markanteste ist, dass ich meine Arbeitsmaterialien vom Dienstgeber zur Verfügung gestellt bekomme und ich zwar keine Ferien habe, aber dafür jeden Abend und jedes Wochenende frei habe. Auch erhalte ich für jede Stunde, die ich zusätzlich arbeite, Zeitausgleich. Außerdem ist die Hierarchie steiler, ein*e Vorgesetzte*r hat weniger Leute zu betreuen wie ein*e Direktor*in. Dadurch ist er*sie aber auch leichter zu erreichen.

Alexandra: Ein besser ausgestattetes Arbeitsumfeld für MitarbeiterInnen, IT-Abteilung (Wartung der Laptops sowie PCs, Installation der Software, Unterstützung bei IT-Problemen etc.), definierte Aufgabenbereiche, wöchentliche Besprechungstermine, Organisation der Dienstreisen durch Backoffice und vieles mehr- 

Was denkst du, welche neuen Kompetenzen oder Blickwinkel wirst du nach diesem Jahr mit zurück in die Schule bringen? Wie werden davon die Kinder und/oder der Schulstandort profitieren? 

Cornelia: Mit so einer Erfahrung wächst man als Persönlichkeit. Deshalb ist das, was ich mitnehme sehr vielfältig. Von bestimmten Planungstools, Fachwissen, zwischenmenschlichen Erlebnissen, Gelassenheit, verstärkt den Blickwinkel der Eltern einbeziehen, Ideen für Veränderungen in der Organisation… Das alles sind spannende Themen für den Unterricht.

Anna: Die Schüler*innen werden dadurch profitieren, dass ich die Frage nach der praktischen Anwendung von Mathematik nicht nur aus zweiter Hand beantworten kann, sondern ich auch ganz konkret von meinen Erfahrungen berichten kann. Durch die Kontakte, die ich geknüpft habe, ist es auch sicher einfacher Betriebsführungen zu organisieren.

Mitra: Ich denke, allein den Mut zu haben, bei dem Projekt mitzumachen, ist schon mal eine wertvolle Kompetenz, die wichtig für Schüler*innen ist. Seine Komfortzone zu verlassen, ist für niemanden leicht. Jugendliche müssen das ständig tun, sich das in Erinnerung zu rufen, stärkt das Verständnis in so manchen Situationen.

Nicht immer die Lehrende, sondern wieder einmal in „Schüler*innenposition“ zu sein, ist sehr lehrreich und oft nicht angenehm. Ich bin zwar wirklich geduldig, aber sich in Erinnerung zu rufen, dass man manche Dinge einfach auch mal nicht versteht und dass da jetzt niemand Schuld ist, sondern einfach manchmal länger braucht, ist sehr hilfreich, bei unserem Job.

Natürlich ist jede Firma und jede Arbeit anders, aber in einem, „klassischen“ 40 Stundenjob hat man natürlich weniger Freiheiten in der  Arbeits-und Zeiteinteilung. Das ist definitiv eine Umstellung. Einerseits ist es angenehm, da jetzt für ein Jahr Wochendende wirklich Wochenende ist, was es im Lehrer*innenalltag meistens nicht ist. Andererseits war 9-10 Stunden im Büro am PC zu arbeiten, definitiv eine große Umstellung für mich. 

Genau vor dieser kompletten Umstellung stehen aber unsere Schüler*innen nach der Mittelschule, wenn sie entweder eine Lehre machen oder in eine weiterführenden Schule wechseln, wo das Stunden-und Lernpensum definitiv höher ist, als bei uns.

Ganz wichtig für mich hierbei ist es natürlich, dass ich meinen Schüler*innen aus meinen eigenen Erfahrungen berichten kann: Wo kann es Schwierigkeiten geben? Was sind wichtige Fähigkeiten, die man vielleicht brauchen könnte? Wie schaffe ich es, mich einer neuen SItuation zu stellen, den neuen Alltag mit meinen Hobbies zu vereinbaren?  usw.

Aber durch die Arbeit in der B&C erhalte ich auch spezielles Fachwissen. Durch die Stiftung und ihre Arbeit lerne ich viele Bildungseinrichtungen und Initiativen kennen, die ich auf jeden Fall im Hinterkopf behalten möchte und auch versuche, mit der Schule zu verbinden. Gerade im Bereich „Wirtschaftsbildung“ gibt es viele Initiativen und das brauchen wir.

Nach dem einen Jahr, weiß ich auf jeden Fall auch wieder ganz genau, ob ich den richtigen Job gewählt habe. Ich denke, sich die Verantwortung und Schönheit unseres Berufes vor Augen zu halten, ist ganz wichtig.

Alexandra: Meine fachlichen Kenntnisse werden erweitert und dadurch auch meine Fähigkeit aktuelles Wissen in meinen Unterrichtsgegenständen zu vermitteln. Diese neuen Impulse kann ich in meiner Unterrichtstätigkeit zukünftig integrieren. Diese Initiative kann mir eine Kooperation mit diesem Unternehmen ermöglichen, sodass meine Schüler*innen eine Perspektive außerhalb der Schule erhalten und eventuell einen zukünftigen Arbeitsbereich kennenlernen.

Warum sollten auch andere Lehrerinnen und Lehrer diese Erfahrungen außerhalb des Klassenzimmers sammeln? 

Anna:  Weil es gut tut, eingefahrene Wege zu verlassen und auch einmal Neues kennenzulernen. 

Mitra: Viele Lehrer*innen kommen nach dem Studium direkt in die Schule zurück und haben oft keine bis wenig wirkliche Arbeitserfahrung außerhalb der Schule. Aus diesem Grund finde ich es ganz essentiell, dass man diese Chance nutzt, um Einblicke in den Arbeitsalltag abseits der Schule zu bekommen und am eigenen Leib zu spüren, wie es ist in einer Firma zu arbeiten. In Folge kann man so natürlich dann auch die Schüler*innen viel besser und authentischer auf das Arbeitsleben vorbereiten. 

Alexandra: Mit diesem Projekt können Lehrer*nnen neue Impulse für ihre Unterrichtstätigkeit erhalten und ihre Offenheit für Veränderungen bewahren. 

Cornelia hat Genetik und Mikrobiologie studiert, ist AHS Lehrerin (Chemie, Biologie,Ökologie) und arbeitet seit September bei der Berndorf Band GmbH in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung als Chemikerin

Anna*, ebenfalls AHS Lehrerin (Mathematik und Chemie), arbeitet aktuell in der R&D-Abteilung (Forschung und Entwicklung) eines Industriebetriebs. 

Mitra hat ihre Lehrtätigkeit in einer Wiener Mittelschule dieses Jahr für eine Stelle bei der B&C Industrieholding getauscht und arbeitet dort in im Risikomanagement. 

Alexandra unterrichtete im Gymnasium verschiedene naturwissenschaftliche Fächer und ist nun am Research Center for Molecular Medicine of the Austrian Academy Sciences (CeMM) als Projektmitarbeiterin tätig. Dort liegt ihr Fokus im Erlernen von Zellkulturtechniken im biomedizinischen Forschungsbereich sowie der Anwendung der molekularbiologischen CRISPR/Cas-Methode.  

Die Autoren sind Teilnehmer*innen des Seitenwechsel-Programms.
Kontakt über erwin.greiner@seitenwechsel.at

*Name von der Redaktion geändert